09.12.2024, 11:55 Uhr
Der Zürcher Kantonsrat hat Kristine Schulze (SP) in den Bankrat der Zürcher Kantonalbank gewählt. Sie ersetzt den wegen der altersbedingten Amtszeitbegrenzung zurücktretenden Henrich Kisker (Grüne) ab Januar.
Unternehmen bauen ihr Reporting bezüglich Treibhausgas-Emissionen aus und passen Produktions- und Arbeitsprozesse an. Die Neuerungen reichen zur Verwirklichung der Pariser Klimaziele jedoch nicht aus. Die Experten von Swisscanto Invest sehen in der Emissions-Messgrösse "Scope 3" einen wesentlichen Grund dafür.
Die Messzahl "Scope 3" soll bei Unternehmen die Treibhausgas-Emissionen von Zulieferketten und Abnehmern messen. So kann Scope 3 als ein wesentlicher Hebel unter vielen dienen, um neue Massstäbe im Sinne des Pariser Klimaziels zu setzen. "Eine konsequente Umsetzung von Scope 3 mit einer detaillierten Erfassung von Treibhausgasen in Zulieferketten ist sicherlich mit erheblichem Aufwand verbunden. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass im Rahmen einer Hinwendung zu nachhaltigen Geschäftsmodellen, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft ein Prozess der 'Schöpferischen Zerstörung' gemäss des grossen Ökonomen Schumpeter in Gang kommen kann oder bereits in Gang gekommen ist", sagen Silke Humbert, Head Product Specialists und Gerhard Wagner, Head Sustainable Impact von Swisscanto Invest, dem Asset Manager der Zürcher Kantonalbank.
Welche Treibhausgas-Emissionen im Produktionsprozess entstehen - also Scope 1 und Scope 2 - kann laut den Experten von jedem Unternehmen durch die bezogene Energieform relativ gut gesteuert und rapportiert werden. Scope 3-Emissionen hingegen werden dagegen kaum rapportiert. Der Grund dafür sei, dass die Unternehmer melden, die vor- und nachgelagerten Emissionen seien ausserhalb ihrer Kontrolle, sie hätten dazu keine Daten. Ausserdem sei unklar, wie komplexe Zulieferketten und die Nutzung durch Abnehmer zu behandeln seien. "Einer Messung von Scope 3 stehen also vielfältige Hindernisse entgegen, obwohl es dazu bereits konstruktive Vorschläge gibt, beispielsweise durch das Greenhouse Gas Protocol", so die Swisscanto Invest-Experten.
Ihrer Meinung nach wäre eine konsequentere Erfassung der Scope 3-Emissionen allein schon deshalb wichtig, weil in der Kategorie Scope 3 die meisten Treibhausgas-Emissionen anfallen, wie die nachfolgen Grafik am Beispiel des Index MSCI ACWI IMI zeigt. Der MSCI All Country World Investable Market Index (ACWI IMI) bietet Zugang zu Aktien aus 23 Industrie- und 27 Schwellenländern weltweit. Der Index umfasst Wertpapiere aus den Segmenten Large Caps, Mid Caps und Small Caps. Es wird deutlich, dass Emissionen der Kategorie Scope 3 fast dreimal so hoch sind, wie Scope 1 und 2 zusammen. Zu erkennen ist auch, dass Scope 3 hauptsächlich im Bereich "downstream" entsteht – also der Nutzung von Produkten durch die Abnehmer/Endverbraucher.
Bei Apple fallen beispielsweise über drei Viertel der Emissionen in der Kategorie Scope 3 an und zwar bei der Fertigung von Vorprodukten in der Lieferkette. Und bei Energie-Unternehmen wie zum Beispiel Shell oder BP fallen ebenfalls mehr als drei Viertel der Emissionen in der Kategorie Scope 3 an – diesmal jedoch nicht in der Lieferkette, sondern bei der Nutzung des Rohstoffs durch den Endverbraucher. "Wenn Unternehmen ihre hauseigenen Produktionsprozesse mit der Emission der Kategorien Scope 1 und 2 derart gestalten, dass sie weniger Emissionen verursachen, ist das zwar schön und gut. Zur Erreichung des Pariser Klimaziels reicht das aber nicht aus. Die wirklich relevante Belastung des Klimas entsteht durch die Scope 3-Emissionen", betonen die Swisscanto Invest-Experten.
Es gebe bereits Bestrebungen, Scope 3-Emissionen zu erfassen und zu reduzieren, zum Beispiel durch das Greenhouse Gas Protocol. Auch Unternehmen wie Apple und Microsoft fokussieren mittlerweile auf die Emissionen in den Lieferketten. Das es da viel zu tun gebe, zeige das Beispiel von Apple, wo nur 1% des CO2-Fussabdrucks auf Emissionen der Kategorien 1 und 2 entfällt, der Rest auf Scope 3 (Lieferkette 76%, Endverbrauch 14%, Transport 5%, Sonstiges 5%), wie aus dem Apple Environmental Responsibility Report 2019 hervorgeht. Sofern Apple also ernsthaft etwas fürs Klima tun möchte, müsse das Unternehmen seine Lieferkette kontrollieren – und genau das habe Apple auch vor.
Humbert und Wagner stellen die Frage in den Raum, ob es eher zu einer Selbstregulierung der Unternehmen kommt oder zu weiterer gesetzlicher Regulation und erwarten, dass dies eines der grossen Themen der kommenden internationalen Klimakonferenzen und WEF-Meetings sein dürfte.
Nicht nur für das Klima, sondern auch für die Rendite spiele Scope 3 bei Unternehmen, aber auch Anlegern eine wichtige Rolle, führen die Experten weiter aus. Denn mit den aktuellen Bemühungen von Staaten und Unternehmen, das Pariser Klimaziel zu erreichen und die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, werden grüne Technologien immer wichtiger und gefragter.
So sind zum Beispiel die Aktienkurse der Hersteller von Solaranlagen in letzter Zeit stark angestiegen. Solaranlagen ermöglichen ihren Anwendern die Energiegewinnung ohne umweltschädliche Emissionen. Deshalb weisen sie sehr tiefe Scope 3-Emissionen auf. Bei der Produktion von Solaranlagen werden allerdings auch CO2-Emissionen erzeugt; Solarhersteller weisen daher höhere Werte bei Scope 1- und 2-Emissionen aus als zum Beispiel Finanzunternehmen. "Somit ist klar: Wer als Anleger bei der Auswahl klimaschonender Unternehmen nur diejenigen mit aktuell tiefen Scope 1- und Scope 2-Daten berücksichtigt, profitiert nicht unbedingt von den Vorreitern der Dekarbonisierung", halten Humbert und Wagner fest und fügen hinzu: "Wir gehen davon aus, dass die Aktien von Unternehmen, die bei der Dekarbonisierung die Nase vorn haben, an der Börse zu den Gewinnern zählen werden.
Weil aber zuverlässige Scope 3-Daten heute kaum verfügbar seien, brauche es fundamentales Research und Fachwissen, um die Reichweite neuer Technologien und neuer politischer Rahmenbedingungen zu beurteilen. Dieses Wissen greife allerdings nur, wenn sich auch möglichst viele Unternehmen der Herausforderung stellen, transparente Daten hinsichtlich ihrer Scope 3-Emissionen zu liefern.
"Wir sind wie andere Institutionen der Ansicht, dass die Messung von Scope 3-Emissionen eine Vielzahl von Vorteilen für das Klima, aber auch wirtschaftliche Vorteile in Form von Kostensenkungsmöglichkeiten eröffnet", betonen Humbert und Wagner. Unternehmen finden dazu Ansatzpunkte im eigenen Unternehmen, zum Beispiel bei Geschäftsreisen und bei Pendlern, besonders aber, indem sie Möglichkeiten für Energieeffizienz und Kostensenkung in ihrer Lieferkette und bei der Nutzung ihrer Produkte identifizieren.
"Wir legen im Rahmen von Engagement, dem direkten Dialog mit den Unternehmen, grossen Wert darauf, dass Unternehmen der Science Based Target Initiative beitreten, um eine transparente Klimastrategie zu verfolgen. Unternehmen, die einen nachvollziehbaren Pfad der Dekarbonisierung einschlagen und diesen Pfad mit einem zukunftsweisenden Scope 3-Reporting dokumentieren können, tragen nicht nur zu Verbesserungen des Klimas bei – sie werden auch an der Börse zu den Gewinnern zählen", sind die Swisscanto Invest-Experten überzeugt.