07.11.2024, 09:46 Uhr
Nach den Abflüssen im Vorjahr hat die Bank Vontobel in den ersten neun Monaten 2,6 Milliarden Franken Neugeld bekommen. Das Plus resultiert dabei aus dem Geschäft mit Privaten.
Vontobels Chefstratege Christophe Bernard wirft im aktuellen Marktkommentar einen Blick auf den Technologiesektor sowohl auf die Überflieger als auch auf Aktien, die in der aktuellen Hausse zurückgeblieben sind.
Der Technologiesektor hat die Phantasie der Menschen schon immer angeregt. Die Gründe hierfür sind leicht zu verstehen: Technologische Revolutionen wie die Erfindung der Dampfmaschine, des Verbrennungsmotors oder, jüngst, des Internets bieten erhebliche Chancen für Unternehmer und Anleger. Der überragende Erfolg einiger prominenter Unternehmen lässt manchmal jedoch die wesentlichsten Punkte in Vergessenheit geraten: Erstens führen hohe Erwartungen oft zu übermässigen Bewertungen, und zweitens besteht der Wert eines Unternehmens letztlich aus seinen Gewinnen und Cashflows. Das "Gesetz der Schwerkraft" wird irgendwann obsiegen, ungeachtet des Sektors, in dem eine Gesellschaft tätig ist.
Die heutigen Technologieführer sind rentabel
Bei Anlegern rufen Technologiewerte nicht nur positive Erinnerungen hervor. Das Platzen der sogenannten Dotcom-Blase im Jahr 2000 zerstörte enorme Vermögenswerte und ruinierte viele Marktteilnehmer. Könnten wir an einem Punkt angelangt sein, an dem sich die Geschichte wiederholt? Wir denken: nein. Viele Unternehmen werden zweifellos die Markterwartungen enttäuschen, und Anleger, die sich in solchen Titeln engagieren, werden erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Allerdings unterscheidet sich die heutige Situation grundlegend von den späten 1990er-Jahren. Die gegenwärtigen Trendsetter wie Apple, Google oder Facebook sind hochrentabel und verfügen über solide Bilanzen. Die Anleger sind dennoch gut beraten, ihr Engagement im Technologiesektor zu diversifizieren und sich auf "vernünftig" bewertete Unternehmen zu konzentrieren, die in ihren jeweiligen Branchen über einen bedeutenden Marktanteil verfügen.
Zyklischer Rückenwind für zurückgebliebene Techwerte
Bei der Betrachtung des Technologiesektors lässt man sich gerne von den Überfliegern blenden. Altbekannte Namen wie Microsoft, IBM, Oracle oder EMC, die sich vielfach neu erfinden mussten, als ihr Stern zu sinken begann, gehen dabei oft vergessen. Bis zu einem gewissen Grad gibt es gute Gründe, diese Aktien angesichts des in der Vergangenheit enttäuschenden Umsatzwachstums der Unternehmen zu meiden. Die Anleger sollten indes nicht vergessen, dass der Technologiesektor in beträchtlichem Masse von Grosskunden abhängig ist, die seit dem Beginn der Finanzkrise kaum mehr investiert haben. Nun ist jedoch absehbar, dass die Nachfrage im IT-Bereich in diesem Jahr und darüber hinaus, insbesondere in den USA, deutlich anziehen wird. Wir wären deshalb nicht überrascht, wenn das Interesse der Marktteilnehmer auch für den zurückgebliebenen Teil des Technologiesektors steigen würde.
Portfolios unabhängig von Sektorpräferenzen prüfen
Das Umfeld für Technologieunternehmen ist anspruchsvoll: die erfolgreiche Produkteinführung eines Konkurrenten kann verheerende Folgen für einen High-Tech-Anbieter haben, und sei dieser noch so etabliert. Anleger mit einem langfristigen Horizont wie Warren Buffett meiden deshalb diese Branche in der Regel, da deren Aussichten stark schwanken. Aber Wachsamkeit ist selbst für Anleger ohne direktes Engagement in Technologieaktien geboten: Auch solche Investoren müssen neue Trends im Auge behalten, die die Geschäftsmodelle jener Unternehmen infrage stellen könnten, die sie in ihren Portfolios halten. Von solchen Brüchen können zum Beispiel die Aktionäre von börsenkotierten Zeitungen oder konventionellen Einzelhändlern ein Lied singen.
US-Notenbank als möglicher Spielverderber für Aktien
Sofern die Krise zwischen Russland und der Ukraine nicht weiter eskaliert, sind wir Aktien gegenüber im Allgemeinen vorsichtig optimistisch eingestellt. Die lockere Geldpolitik der grossen Notenbanken, angemessene Bewertungen sowie robuste Unternehmensgewinne stützen unsere Meinung, die sich in einer leichten "Übergewichtung" ausdrückt. Ausserdem haben wir unser Rohstoffengagement erhöht, um die über Erwarten starke Ölnachfrage und das wachsende geopolitische Risiko zu berücksichtigen. Allerdings bleiben wir in dieser Anlageklasse insgesamt "untergewichtet".
Der Wendepunkt wird wohl dann erreicht werden, wenn die Geldschleusen der US-Notenbank erst einmal geschlossen sind. Das Ende der ausserordentlichen Liquiditätsmassnahmen dürfte den Finanzmärkten, die in den vergangenen Jahren am Tropf der Zentralbanken hingen, den Wind aus den Segeln nehmen. Die Renditen sämtlicher Anlageklassen werden also dereinst unter Druck geraten. Dieser Zeitpunkt scheint allerdings noch nicht sehr nah.
Zur Website von Vontobel Asset Management.