07.11.2024, 09:46 Uhr
Nach den Abflüssen im Vorjahr hat die Bank Vontobel in den ersten neun Monaten 2,6 Milliarden Franken Neugeld bekommen. Das Plus resultiert dabei aus dem Geschäft mit Privaten.
Die Finanzmärkte sind am Montag auf breiter Front eingebrochen. Auslöser war in erster Linie der Kollaps des Ölpreises um rund 30%. Das dürfte kurzfristig vor allem den US-Schieferölproduzenten zusetzen. Zudem könnten längerfristig billiges Öl und Gas erneuerbare Energien zurückdrängen.
Auf das Weltwirtschaftswachstum habe der Ölpreis insgesamt eine nur leicht negative Wirkung, hält DWS in einem Kommentar fest. Der Ölpreisschock vom vergangenen Montag wirke jedoch über mehrere Kanäle auf die Finanzmärkte: Zum einen führt er unmittelbar zu einem drastischen Rückgang der Inflation und der Inflationserwartungen, was sich wiederum ebenso unmittelbar in den Staatsanleiherenditen widerspiegelt: Die 10-jährige US Treasury-Rendite fiel zeitweise auf knapp über 0,3%, Bundesanleihen notierten bei -0,85%. Allerdings kollabierte die reale Komponente der Rendite ebenso, was man als gestiegene Wachstumsskepsis der Anleger deuten kann.
Die Aussagekraft der Renditen dürften aber angesichts der grossen Portfolioverschiebungen Richtung vermeintlich sicherer Häfen etwas geschmälert sein. Die kurzfristig grösste Belastung löst gemäss DWS der Ölpreis auf den Anleihemärkten aus. Das Hochzinssegment in den USA enthält je nach Abgrenzung 10 bis 15% Firmen aus dem Energiebereich. Die Schieferölproduzenten brauchen im Schnitt einen Preis von 40 bis 50 Dollar je Fass, um profitabel zu arbeiten. Der Preisdruck werde am stärksten in den Schieferöl produzierenden Gebieten zu spüren sein, ist man auch bei Vontobel AM überzeugt. Dort werde das Wachstum in diesem Jahr voraussichtlich deutlich zurückgehen.
Entsprechend gross ist die Sorge um Insolvenzen in diesem Sektor, auch wenn sich viele Produzenten für die kommenden drei bis sechs Monate an den Terminmärkten abgesichert haben dürften. Die Absicherungskosten gegen Kreditausfälle, wie sie der Markit iTraxx Europe Crossover Index abbildet, haben sich seit Mitte Januar auf 490 Punkte mehr als verdoppelt. In der Ölkrise Anfang 2016 stand er bei 486 in der Spitze.
Die Situation am Ölmarkt könnte sich vorerst noch zuspitzen, bevor sie sich entspannt, meinen die DWS-Experten. Russland und Saudi-Arabien seien derzeit nicht interessiert an einer Deeskalation und dürften alles versuchen, ihre Produktion und ihren Absatz kurzfristig in die Höhe zu treiben, bevor sie einen weiteren Versuch zu einem abgestimmten Marktverhalten unternehmen. "Wir rechnen daher damit, dass Öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) auf Preise unterhalb von 30 Dollar je Fass fallen könnte, ähnlich wie 2016", so die DWS-Experten.
"Die Schieferölproduzenten werden ihren Zugang zu billigen Finanzierungen blockiert sehen und werden bei 50 US-Dollar pro Barrel nicht mehr als marginale Swing-Produzenten auftreten", erwartet man bei Vontobel AM. Und schliesslich könnten Saudi-Arabien und Russland ihr Machtspiel beenden, sobald sie einen strukturellen Einbruch der Schieferölproduktion sehen, der möglicherweise mit einer Wiederbelebung der wirtschaftlichen Aktivität im Laufe dieses Jahres einhergehen werde.
Unabhängig von den derzeitigen Marktbewegungen werden gemäss den Prognosen der Vontobel AM-Experten die Ölmärkte 2023 bis 2025 in eine strukturelle Unterversorgung umschwenken, da die grossen Ölproduzenten nicht in neue Infrastrukturprojekte investiert haben und die Schieferölproduzenten Dividendenzahlungen gegenüber Investitionsausgaben zur Unterstützung neuer Produktionsanlagen bevorzugen. «Abgesehen von den Unterinvestitionen profitiert das Öl längerfristig von einer steigenden Nachfrage, die im Laufe dieses Jahres wieder anziehen wird», so Vontobel AM.
Bemerkenswert ist die Feststellung der Vontobel-Experten, dass ein niedrigerer Ölpreis die grüne Revolution in der Welt zum Stillstand bringen könnte. Ihre Annahme: "Volkswirtschaften wie die EU, Japan, China, und andere Schwellenländer werden nicht zögern, eine Zeit billigen Öls und billigen Gases auszunützen und wahrscheinlich auf billigen Brennstoffverbrauch setzen, anstatt auf erneuerbare Energien umzustellen."
Vontobel AM meint, dass eine defensive Kurvenpositionierung bei Rohöl-Futures in Verbindung mit einem verstärkten Engagement in Edelmetallen Rohstoffinvestoren helfen dürfte, den Sturm zu überstehen. Und sollte es zu einem ausgewachsenen Preiskampf bei Öl kommen, hätten die Zentralbanken noch mehr Gründe, die Zinssätze zu senken, um deflationären Kräften entgegenzuwirken. Darüber hinaus hat der US-Dollar begonnen, gegenüber dem Euro, dem Yen, dem Schweizer Franken und anderen G10-Währungen zu schwächeln. Dieses Umfeld sei positiv für Gold und Silber.