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Sorgenfaktoren und Kontroversen in der E-Mobilitätslandschaft

Bild: Unsplash
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Trotz zahlreicher Lobgesänge auf die Zukunft und Disruptionsfähigkeit von Elektrofahrzeugen existieren etliche Bedenken und Fragezeichen, die einen Schatten auf diesen Bereich werfen. Thiemo Lang, Portfolio Manager bei RobecoSam, adressiert diese.

14.11.2018, 08:52 Uhr
Alternatives

Redaktion: ase

Es heisst, dass Elektroautos die globale Erwärmung mindern werden. Aktuell erzeugt die Produktion von E-Fahrzeugen aber selbst Treibhausgase. Sind Elektroautos also wirklich so viel umweltverträglicher als konventionelle Autos?

Thiemo Lang: Es gibt zahllose Variablen und Annahmen, die die Berechnungen der CO2-Emissionen von Fahrzeugen beeinflussen – das gilt für traditionelle Autos genauso wie für Elektroautos. Der wichtigste Einzelfaktor sind aber die CO2-Emissionen, die mit der Produktion und dem Betrieb der Fahrzeuge verbunden sind.

Für die Höhe der CO2-Emissionen aus der Fahrzeug- und Kraftstoffproduktion ist bei beiden Arten von Fahrzeugen entscheidend, aus welchen Quellen der dafür benötigte Strom stammt. Die meisten Produktionsanlagen werden immer noch zumindest teilweise mit fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdgas betrieben. Das ändert sich jedoch. In der Zukunft werden Produktionsanlagen, die erneuerbare Energie nutzen — wie die geplanten Gigafactories von Tesla — einen deutlich geringeren CO2-Fussabdruck haben.

Wovon hängt die CO2-Bilanz?

Beim Elektroauto hängt die CO2-Bilanz des Fahrzeugbetriebs davon ab, aus welchen Quellen der Strom stammt, mit dem das Fahrzeug betrieben wird. Je mehr fossile Energieträger genutzt werden, desto schlechter ist die CO2-Bilanz. Im Zuge der vermehrten Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare anstelle fossiler Energieträger wird sich diese aber natürlich weiter verbessern. Es ist sogar denkbar, dass die CO2-Emissionen des E-Fahrzeugbetriebs auf null sinken.

Dagegen werden Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselantrieb ihre CO2-Emissionen niemals in bedeutendem Masse reduzieren können. Schon heute haben E-Fahrzeuge selbst bei einer zu 100% kohlebasierten Stromerzeugung eine bessere CO2-Bilanz als Benzin- und Dieselfahrzeuge.

Das Herzstück von Elektrofahrzeugen sind Batterien, welche aber toxische Metalle wie Lithium und Kobalt enthalten. Wie ist es um die Lebensdauer einer typischen Lithium-Ionen-Batterie bestellt und wie wird die Entsorgungsproblematik adressiert?

Moderne E-Auto-Batterien sind erstaunlich robust und haltbar. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge beträgt die theoretische Lebensdauer einer E-Fahrzeug-Batterie unter optimalen Bedingungen bis zu 20 Jahre. Schon heute können E-Autos problemlos acht bis zehn Jahre gefahren werden (200'000 km) und haben trotzdem noch bis zu 80-90% ihrer Batterieleistung. Als Vorreiter in diesem Bereich bieten Tesla und Nissan sogar achtjährige Garantien für ihre E-Autos.

Dass Lithium-Ionen-Batterien nicht komplett kostenfrei für die Umwelt sind, ist richtig. Angesichts des Potenzials für eine zusätzliche Erlösgenerierung aus den Batterien auch noch lange nach Ablauf ihrer Lebenszeit als Fahrzeugbatterie wird die Problematik der Batterieentsorgung - egal, ob diese nach acht, zehn oder 20 Jahren relevant wird - aber von kurzer Dauer sein.

Was macht Sie da so sicher?
Durch den hohen Wert der Batteriekomponenten eröffnen sich Potenziale für fortschrittliche Wiederverwendungs- und Recyclinglösungen, aus denen letztlich ein grosser neuer Teilsektor entstehen wird. Dadurch werden sich wiederum neue Anlagemöglichkeiten für Investoren ergeben. Die Anfänge derartiger Geschäftsnischen sehen wir bereits. So haben Autohersteller bereits Kooperationen mit Anbietern aus anderen Branchen bekanntgegeben, um gebrauchte Fahrzeugbatterien für andere, weniger energieintensive Verwendungszwecke umzufunktionieren – zum Beispiel für den Betrieb von Haushaltsgeräten, für die kommunale Strassenbeleuchtung oder als Energiespeicher zum Ausgleich von Schwankungen bei der Produktion von Solar- und Windstrom für Haushalte und Versorger.

Dann lohnt sich also das Recyling von Batterien?

Ja, die in den Batterien enthaltenen Metalle sind schon für sich genommen so wertvoll, dass sich das Recycling lohnt. Auch dadurch entstehen lukrative Erlösquellen. Die höheren zu erwartenden Anforderungen der Regulierungsbehörden an die Verantwortung und Rechenschaftspflichten der Autohersteller und Batterielieferanten dürften die Entwicklung von Recycling- und Entsorgungslösungen ebenfalls vorantreiben.

Sie haben die Fahrleistung von E-Autos über ihre gesamte Lebensdauer angesprochen. Bislang war die begrenzte Reichweite einer Batterieladung ein grosser Nachteil von E-Autos. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Alltag ein?

Noch kommen konventionelle Autos mit einer Tankfüllung weiter als E-Autos mit einer vollen Batterieladung. Im Schnitt sprechen wir hier über rund 400-600 Kilometern gegenüber 200-400 Kilometern. Durch Fortschritte in der Batterietechnik wird die Reichweite der E-Fahrzeuge aber immer besser. Die Solid-State-Batterien der nächsten Generation werden eine höhere Leitfähigkeit aufweisen. Deshalb dürften die Reichweitenbedenken schon bald der Vergangenheit angehören.

Verhindert die, aufgrund von fehlenden Ladestationen, unzureichende Ladeinfrastruktur die Durchsetzung von E-Autos?

Das Verhältnis von Ladestationen zu Tankstellen ist kein fairer Vergleich, da er unberücksichtigt lässt, dass E-Autos grösstenteils (zu 90%) zu Hause oder bei der Arbeit geladen werden. Abgesehen von langen Autofahrten wird das Laden an der Stromtankstelle zu Hause für den Alltag völlig ausreichen. Ausserdem rechnen wir mit einem zügigen Aufbau einer effizienten öffentlichen Ladeinfrastruktur, die für längere Fahrten mit mehreren Ladestopps benötigt wird, so dass dies kein Hemmnis für eine rasche Durchsetzung von E-Fahrzeugen darstellen sollte.

Unsere eigenen Schätzungen zeigen, dass die für den Aufbau einer solchen Ladeinfrastruktur erforderlichen Investitionen relativ überschaubar sind. Das gilt genauso für die Investitionen in Ladestationen für Verbraucher wie auch für den grösseren Investitionsbedarf bei den Versorgungsunternehmen und im Stromnetz. Durch die weiter fortschreitende Angleichung globaler Ladeprotokolle und Ausrüstungsstandards werden die Ladezeiten und -kosten für Nutzer von E-Fahrzeugen ebenfalls weiter sinken.

Für eine komfortable Ladeinfrastruktur ist nicht nur die Anzahl der Ladestationen wichtig, sondern auch, um was für Ladestationen es sich handelt und wie schnell die Batterien aufgeladen werden können. Da gibt es aber grosse Unterschiede. Wie gravierend sind diese aus Sicht der Fahrer?

Dass Ladestationen für E-Fahrzeuge nicht so standardisiert sind wie normale Tankstellen ist richtig. An einigen können Batterien schneller als an anderen aufgeladen werden, einige sind nur für Mitglieder privater Netzwerke nutzbar und einige erfordern spezielle Ladeadapter. Aber, wie bereits erwähnt, ist das Laden für den durchschnittlichen Fahrer eigentlich kein Problem, da die Batterien zumeist zu Hause oder bei der Arbeit geladen werden. Tatsächlich beläuft sich der Anteil der Fahrten von über 161km auf lediglich 3-6%.

Trotzdem ist der Aufbau einer flächendeckenden und effizienten Ladeinfrastruktur natürlich von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des E-Auto-Marktes, vor allem, wenn das Laden zu Hause keine Option ist. Die Autohersteller arbeiten bereits mit Versorgern, Ladenetzwerken und Batterieherstellern zusammen, um konsolidierte Ladeinfrastrukturlösungen zu entwickeln, durch die sichergestellt ist, dass ihre Kunden ihre Autos jederzeit und überall komfortabel laden können.

Bis 2030 sollen 125 Millionen E-Autos auf unseren Strassen unterwegs sein. Könnte unser Strom knapp werden, wenn sie alle das Stromnetz anzapfen?

Ein enormer Vorteil von Elektromotoren ist ihre Energieeffizienz, die fast dreimal so hoch ist wie die eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor (96% vs. 35%). Daher braucht ein E-Auto auch nur rund ein Drittel so viel Energie für eine Strecke von 100km. Im städtischen Raum ist die relative Effizienz von E-Fahrzeugen sogar noch besser, da die Batterieregeneration bei geringen Geschwindigkeiten und häufigem Bremsen einfacher und effizienter ist.

Schätzungen zufolge würde sich der Strombedarf selbst bei einer Umstellung aller Pkw auf Elektromotoren nur um 20-30% erhöhen. Durch eine Umwandlung aller in Transport und Logistik eingesetzten Lkw würden vielleicht noch einmal 20-30% hinzukommen. Über die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte wird die Stromerzeugungsleistung noch weiter ausgebaut werden, so dass Versorger, Regierungen und private Partnerschaften etwas Zeit haben, Lösungen zu entwickeln.

Ausserdem sollte auch nicht vergessen werden, dass der Strombedarf im Transportsektor zwar zunehmen wird, der Stromverbrauch von Gewerbe- und Wohnimmobilien aber gleichzeitig sinken wird, da Heiz-, Kühl- und Beleuchtungssysteme sowie Maschinen energieeffizienter werden. Daher fürchten wir auch keine Engpässe in der Stromversorgung.

Bislang haben wir nur über technische und kapazitätsbedingte Beschränkungen gesprochen. Es gibt aber auch soziale Fragen, die einen Schatten auf die Zukunft der E-Fahrzeuge werfen. Ein Beispiel ist die Zwangsarbeit in Minen, aus denen die Materialien für die Batterieherstellung stammen. Wie berücksichtigt RobecoSAM derartige ESG-Themen?

Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und unser Portfoliomanagement hat die Lieferkette der Rohstoffbeschaffung gemeinsam mit unserem Sustainability Investing Research Team und dem Engagement Team von Robeco genau untersucht. Ausserdem haben wir eine Rahmenstruktur eingerichtet, an der wir uns bei unseren Anlagen in Hersteller von Batteriematerialien orientieren müssen.

Gemäss unserer Anlagepolitik investieren wir nur in Unternehmen, die die Einkaufsrichtlinien der relevanten Akteure in ihrer Lieferkette zu unserer Zufriedenheit offenlegen und lokale Prüfungen bei den Betrieben vor Ort durchführen. Unser Prozess umfasst die Bewertung sozialer und politischer Standards an den Standorten der Unternehmen und eine kritische Prüfung der Unternehmen selbst, um sicherzustellen, dass diese in der Lage sind, umweltbezogene und soziale Risiken angemessen zu adressieren.

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