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Dynamisch gegen höhere Inflationsvolatilität

Die Welt wird sich nicht in einem ständig steigenden Inflationsumfeld befinden, sondern in einem Umfeld höherer Inflationsvolatilität. (Bild: Shutterstock.com/Visuals6x)
Die Welt wird sich nicht in einem ständig steigenden Inflationsumfeld befinden, sondern in einem Umfeld höherer Inflationsvolatilität. (Bild: Shutterstock.com/Visuals6x)

Das Mantra, in inflationären Zeiten in sogenannte "harte Vermögenswerte" zu investieren, birgt eine Reihe von Fallstricken, sagt Sahil Mahtani, von Ninety One. Er erläutert die Gründe und erklärt, warum ein aktiver Ansatz für Portfolios vorteilhafter ist.

16.03.2022, 05:00 Uhr

Redaktion: maw

In den USA lag die Inflation in den 2010er Jahren bei durchschnittlich 1,7% pro Jahr, verglichen mit 2,5% im Jahrzehnt davor. Die niedrige Inflation und die darauf angepasste Geldpolitik unterstützten einen ungewöhnlich langen Bullenmarkt für Aktien, sinkende Renditen für Anleihen und eine starke negative Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen. In diesem Umfeld erzielten Aktien- und Anleiheportfolios hohe positive Realrenditen.

"Dennoch wird erwartet, dass die Inflation im kommenden Jahrzehnt näher an den Erfahrungen der 2000er als an denen der 2010er Jahre liegen wird, vielleicht sogar höher", sagt Sahil Mahtani, Stratege bei Ninety One. Zwar bestehen nach wie vor Abwärtsrisiken, doch die wichtigsten Faktoren seien die aggressive geld- und finanzpolitische Lockerung sowie die hohen Energiepreise, die bereits vor dem Ukraine-Konflikt gestiegen seien. Hinzu kommen längerfristige Faktoren wie höhere Investitionsausgaben für umweltfreundliche Projekte, ein stärkeres Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den USA und nicht zuletzt der Siegeszug des politischen Populismus in mehreren Ländern, der höhere öffentliche Ausgaben, höhere Verteidigungsausgaben und kapitalintensivere Lieferketten begünstigt habe. "Mit anderen Worten: Die Welt nach der Pandemie könnte ein anderes Inflationsschema einläuten", so Mahtani.

Das Mantra der "harten Vermögenswerte"

Es sei nicht einfach, sich in einem solchen Umfeld zurechtzufinden. Bestimmte Vermögenswerte haben sich in der Vergangenheit unter verschiedenen makroökonomischen Bedingungen besser oder schlechter entwickelt. Die Breakeven-Analyse – ein Mass für die Inflationserwartungen der Investoren – deute beispielsweise darauf hin, dass Investoren in einem Umfeld, in dem die Preise steigen werden, Öl, Schwellenländer, Industriemetalle und Aktien übergewichten sollten, während sie US-Staatsanleihen untergewichten sollten. "Daher das Mantra, reale materielle Vermögenswerte, auch bekannt als 'Hard Assets', zu kaufen, anstatt finanzielle Vermögenswerte", erklärt der Stratege und fügt an: "Aber so einfach ist es nicht."

Anfälligkeit gegenüber Realrenditen und Inflationserwartungen nach Anlageklassen

Quelle: Ninety One
Quelle: Ninety One

Die begriffliche Unterscheidung zwischen realen oder harten Vermögenswerten und finanziellen Vermögenswerten sei verworren. Einige Investitionsanlagen haben zweifelsohne Ansprüche auf reale Vermögenswerte. Aktien zum Beispiel können materielle, physische Vermögenswerte besitzen. Auch ein börsengehandelter Fonds für physisches Gold oder ein Unternehmen, das Lizenzgebühren erhebe, sei eine Forderung auf zugrundeliegende physische Vermögenswerte oder Cashflows, die aus dem Verkauf dieser physischen Vermögenswerte resultieren.

In der Zwischenzeit können Investitionsanlagen wie inflationsgeschützte Wertpapiere das Vermögen real schützen, auch wenn keine physischen Vermögenswerte dahinterstehen. Die Unterscheidung zwischen materiellen und finanziellen Vermögenswerten sei wahrscheinlich ein Erbe einer Wirtschaftswelt, die an einen Goldstandard gebunden war. In der heutigen finanzorientierten Welt seien Sach- und Finanzwerte grundlegend miteinander verwoben, und es mache wenig Sinn, Vermögenswerte danach zu definieren, ob sie physisch unterlegt seien oder nicht.

Bei den Grundlagen bleiben

Investoren sollten skeptisch gegenüber historischen Analogien sein. "Uns steht nur ein sehr begrenzter Datensatz über die Renditen von Anlageklassen zur Verfügung – in der Regel handelt es sich um eine einstellige Anzahl von Daten aus mehreren Jahrzehnten", betont Mahtani. Insbesondere inflationsgebundene Anleihen, die als Indikator für reale Zinssätze herangezogen werden, gibt es erst seit 1981 (Grossbritannien), 1997 (USA) und 2006 (Deutschland) – in keinem dieser Zeiträume kam es zu grösseren Inflationsschüben. In der Zwischenzeit seien die Erwartungen seit den 1990er Jahren verankert worden.

Entscheidend sei, was die Inflation auslöst. In der Inflationsepisode der 1970er Jahre wirkte ein hohes Geldmengenwachstum mit knappen Ölressourcen zusammen, das durch Lohnsteigerungen aufgrund der Unnachgiebigkeit der Gewerkschaften in einigen Ländern noch verschärft wurde und die Inflationserwartungen in die Höhe trieb. Heute scheinen die Triebkräfte der Inflation eher in Unterbrechungen der Lieferketten zu liegen, und zwar mehr bei Erdgas als bei Erdöl sowie im Lohnwachstum aufgrund der sinkenden Erwerbsbeteiligung.

"Es könnte auch sein, dass wir uns nicht in einer Welt ständig steigender Inflation befinden, sondern in einer Welt mit höherer Inflationsvolatilität. Mit anderen Worten: Die Inflation weist grosse oder anhaltende Inflationsüberraschungen nach oben oder unten auf", erklärt Mahtani.

Eine zweifelhafte Unterscheidung

Eine konventionelle Antwort für Portfolios könne zum Teil durchaus Sinn machen. Staatsanleihen in den USA und Europa sind hoch bewertet, erwirtschaften feste nominale Renditen und könnten in einem inflationären Umfeld bei den derzeitigen Preisen ihren Wert nicht halten. Staatsanleihen in Asien hingegen könnten angesichts der niedrigeren Inflation und der höheren Anfangsrenditen dort attraktiv sein. Währungen, die entweder von Rohstoffpreisen profitieren oder Währungen von Gläubigernationen seien, stellen unter diesen Umständen ebenfalls eine vernachlässigte Anlagemöglichkeit dar, die sowohl Diversifizierung als auch Rendite biete.

Andere Teile der Unterscheidung zwischen "realen Vermögenswerten" und "finanziellen Vermögenswerten" bleiben jedoch zweifelhaft. So schneiden beispielsweise Immobilien-Investmentfonds in einem Umfeld steigender Inflationserwartungen schlecht ab. In Anbetracht der weltweit ausserordentlich hohen Ausgangsbewertungen, ganz zu schweigen von den durch die Pandemie ausgelösten Schwankungen der geografischen Lage der Wirtschaftstätigkeit, sei nicht klar, ob diese ein Eckpfeiler von inflationsgeschützten Portfolios sein sollten.

Bottom-up-Auswahl ist entscheidend

Bei Aktien bleibe der Schlüssel wohl unverändert: Unternehmen halten, die in der Lage sind, die Preise leicht zu erhöhen, selbst bei stagnierenden Produktionsmengen und nicht voll ausgelasteten Kapazitäten ohne Marktverluste befürchten zu müssen, und solche, die in der Lage sind, grosse Geschäftszuwächse mit nur geringem zusätzlichem Kapital zu bewältigen. Einige Softwareunternehmen, die in den Augen der Investoren nicht von einer höheren Inflation und höheren Zinssätzen profitieren, erfüllen diese Merkmale eher als einige der "Value"-Unternehmen, die in den Augen der Investoren üblicherweise von einem Inflationsschutz profitieren.

Wenn die Inflation in den nächsten Jahren über dem Zielwert liegen werden, sollten Investoren die einfachen Antworten aufgeben. Herkömmliche 60-40-Portfolios werden es wahrscheinlich schwer haben, insbesondere solche, die auf US-amerikanische und europäische Anleihen setzen. Einige reale Vermögenswerte wie Immobilien und bestimmte Rohstoffe seien aufgrund der hohen Ausgangsbewertungen möglicherweise ungeeignet. "Investoren sollten darüber nachdenken, was genau den Inflationsprozess antreibt und in Aktien investieren, die über Preisgestaltungsmöglichkeiten verfügen, aber nicht übermässig hoch bewertet sind", rät Mahtani.

Schliesslich werden die Zentralbanken in einer Welt höherer Inflationsvolatilität und hoher Anfangsbewertungen von Vermögenswerten auch in den kommenden Jahren eine wichtige Triebkraft für die Liquidität und damit für die Rendite von Vermögenswerten bleiben. Ihre neue Doktrin bedeute, dass sie länger auf das Gaspedal treten werden, wenn sie ihre Ziele verfehlen, aber auch schneller auf die Bremse treten, wenn sie sie erreichen. "Dies bedeutet, dass die statische Vermögensallokation zunehmend suboptimal werden könnte und eine dynamische Vermögensallokation immer notwendiger sein wird", meint Mahtani abschliessend.

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