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«Deutschland: Alles neu nach der Wahl?»

Nach dem kurzen Wahlkampf muss es in Deutschland nun auch schnell vorangehen. (Bild Achim Wagner/Shutterstock)
Nach dem kurzen Wahlkampf muss es in Deutschland nun auch schnell vorangehen. (Bild Achim Wagner/Shutterstock)

«Nach dem Sieg von Friedrich Merz bei der Bundestagswahl muss in Deutschland jetzt alles ganz schnell gehen», schreiben Patrick Barbe, Senior Portfolio Manager und Maximilian Korell, Senior Trader & Associate Portfolio Manager bei Neuberger Berman.

05.03.2025, 10:57 Uhr
Aktien | Anlagestrategie

Mit 82,5 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Angesichts der stagnierenden Wirtschaft, des Aufstiegs der extremen Rechten, des möglichen Endes des Ukrainekrieges – und vielleicht auch der 80-jährigen Sicherheitspartnerschaft mit den USA – wussten die Wähler, was auf dem Spiel steht.

Die ersten Äusserungen des designierten Bundeskanzlers zu Koalitionen und Staatsausgaben lassen vermuten, dass auch er sich des Ernsts der Lage bewusst ist. Der Markt hat bereits reagiert: Der Euro ist gestiegen, europäische Aktien und vor allem deutsche Verteidigungstitel haben zugelegt, und trotz des jüngsten Rückgangs der amerikanischen 10-Jahres-Anleihen fielen die Bundesanleihenrenditen nicht.

Grosse Koalition

Das Wahlergebnis hat den Markt laut den Experten wohl auf dem falschen Fuss erwischt. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) hat ihren Stimmenanteil zwar verdoppelt, aber viele Anleger schienen mit einem noch stärkeren Zuwachs gerechnet zu haben. Ausserdem schien man an den Märkten davon auszugehen, dass mindestens zwei oder drei kleine Parteien die 5 Prozent-Hürde nehmen und damit in den Bundestag einziehen. Am Ende schaffte es nur «Die Linke».

Das ist nicht unwichtig, weil Merz’ CDU/CSU zusammen mit den Sozialdemokraten (SPD) dadurch die Mehrheit hat. Bei der Steuer- und Ausgabenpolitik liegen sie nicht unbedingt auf einer Linie, aber eine Grosse Koalition der beiden Parteien der Mitte ist wahrscheinlich am unproblematischsten und ermöglicht schnell grössere Reformen.

Merz hat konstruktive, gute und zügige Verhandlungen mit der SPD versprochen. Wenn das Sondervermögen scheitert, wird die neue Regierung, wenn sie im Amt ist, wohl die Ausnahmeklausel der EU-Haushaltsregeln in Anspruch nehmen. Dann kann sie unter Verweis auf die stagnierende Wirtschaft mehr Geld ausgeben.

Schuldenbremse auf der Kippe

Wirklich glücklich wären europäische Investoren, wenn Deutschland die Schuldenbremse abschaffte, jene Grundgesetzergänzung von 2009, die das jährliche strukturelle Haushaltsdefizit auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt.

Das erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also die Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken. Alle vier Parteien sind sich einig, dass der Investitionsstau im Land mehr Flexibilität erfordert.

Am Anleihenmarkt achtet man nach wie vor vor allem auf die EZB und weniger auf die deutsche Politik. Dass die deutsche Zinsstrukturkurve zuletzt steiler wurde, lag vor allem an fallenden Kurzfristzinsen und nicht an steigenden Landfristrenditen. Grossen Teilen der europäischen Wirtschaft und vor allem dem französischen Dienstleistungssektor droht schliesslich noch immer eine Stagnation.

EZB dürfte nachlegen

Anfang Februar hat die EZB ihre neuen Schätzungen des neutralen Leitzinses veröffentlicht. Demnach könnten die Zinsen noch um weitere 50 bis 100 Basispunkte gesenkt werden. Am Markt erwartet man schon für die Ratssitzung in dieser Woche die erste Senkung um 25 Basispunkte. «Wir glauben aber, dass vor allem die neuen Konjunkturprognosen der EZB die Märkte bewegen werden, in die die wichtigen Lohndaten von Dezember und Januar einfliessen. Auch die Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde zur Bundestagswahl spielen eine Rolle», heisst es bei Neuberger Berman.

Eine grosse Koalition in Deutschland unter Führung des Europäers Friedrich Merz könne einer ukraine- und wachstumsfreundlichen Partnerschaft mit Emmanuel Macron in Frankreich, Giorgia Meloni in Italien und Ursula von der Leyen in der Europäischen Kommission den Weg bereiten. Diese Partnerschaft könnte für den dringend nötigen Fiskalimpuls sorgen, gerade jetzt, wo sowohl Frankreich als auch Italien sparen müssen.

«Wenn die EZB deshalb bald nicht mehr eine lockere, sondern eine neutrale Geldpolitik in Aussicht stellt, könnten der Euro aufwerten und die deutschen Anleihenrenditen deutlich steigen», so das Fazit.

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