27.11.2024, 10:30 Uhr
«Warum es bis zur Parität zwischen den beiden Währungen noch dauern kann und wo sich dabei bessere Einstiegszeitpunkte ergeben», erläutern Ashok Bhatia und Brad Tank, beide Co-Chief Investment Officer, Fixed...
In diesem Jahr werden die Vertreter von etwa der Hälfte der Weltwirtschaft zu den Wahlurnen gerufen, so viel wie noch nie. «Was könnte das für Wirtschaft und Investoren bedeuten?», fragen sich Nicole Vettise, Managing Director & Client Portfolio Manager und Niall O’Sullivan, Chief Investment Officer – Multi-Asset Class, EMEA bei Neuberger Berman.
Am Samstag dürfen gut 20 Millionen Wähler ihre Stimme bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Taiwan abgeben. Dies ist eine passende Art und Weise, das Jahr 2024 zu beginnen: eine der ersten Wahlen in einem beispiellosen Wahljahr, in einem Brennpunkt der aktuellen geopolitischen Auseinandersetzungen, im Epizentrum der Produktion wirtschaftlich wichtiger Halbleiter.
Es gibt kaum Zweifel daran, dass einige dieser bevorstehenden Wahlen Konsequenzen haben werden. Aber ist all dieses Politisieren, Wahlkämpfen und Wählen auch für Investoren relevant? Und wenn ja, inwiefern?
Die diesjährigen Wähler repräsentieren etwa die Hälfte des Welt-BIP und die Hälfte aller Erwachsenen weltweit. Bangladesch und Taiwan machen den Anfang. Die USA, Grossbritannien und Ägypten werden vermutlich das Superwahljahr abschliessen.
Dazwischen liegen Wahlen in Indien, der weltweit grössten Demokratie mit starkem Wachstum wie auch einer erfolgreichen Marktentwicklung, in Pakistan, Indiens altem Widersacher, in Südafrika, wo die seit Langem regierende Partei in einer schleichenden Krise steckt, und in Mexiko mit seinen komplexen Beziehungen zum Nachbarn im Norden.
Gewählt wird auch im Iran, wo es 2022 und 2023 zu schweren Unruhen kam und das jetzt im Mittelpunkt der Spannungen im Nahen Osten steht, in Südkorea, der ewigen Frontlinie des «neuen alten» Kalten Krieges, und im Europäischen Parlament, wo die Rechtspopulisten voraussichtlich viele Stimmen hinzugewinnen werden, was die Gestaltung der Politik – von der angestrebten Netto-Null und der Migration bis hin zur Festlegung des Haushalts und der Ukraine – komplizieren könnte. Sogar in Russland und der Ukraine finden Wahlen statt.
Schon die Länge dieser Liste deutet auf einen Grund hin, warum Wahlen heute mehr Einfluss auf die Wirtschaft und die Märkte haben könnten als noch vor 20 oder 30 Jahren: Aus der unipolaren Welt der 1990er-Jahre ist eine mit vielen unterschiedlichen Fronten geworden.
Und darüber hinaus sind wesentliche und einstmals disinflationäre Kräfte wie der technologische Fortschritt, die demografische Entwicklung, der Welthandel und die Energieerzeugung zunehmend zu politischen Brennpunkten geworden, die zu einer Inflation führen könnten. «Wie stark sollten wir die Macht grosser Technologieunternehmen eindämmen? Wie bringen wir die wirtschaftlichen Anforderungen von Alt und Jung unter einen Hut? Wie viel Protektionismus und Sicherheit brauchen wir in unseren Lieferketten? Wie schnell können wir unsere Volkswirtschaften dekarbonisieren? Es scheint, dass zumindest bei den letzten drei Themen der Druck steigt», schreiben die Autoren.
Bislang war die Marktdynamik für die Wertentwicklung wichtiger als Wahlergebnisse. Zudem sorgt ein Ereignis, das nur alle vier Jahre stattfindet, dafür, dass man nur schwer vom Lärm abstrahieren und die wirklich wichtigen Signale erkennen kann. Aber was kann man aus der Vergangenheit lernen?
Beispielsweise hat der US-Aktienmarkt seit den 1940ern immer positiv reagiert, wenn die Republikaner sowohl die Präsidentschaft als auch die Mehrheit im Kongress gewonnen haben. Wenn sie nur den Präsidenten stellten, sind die Aktien gefallen. Investoren haben es offenbar lieber, wenn ein demokratischer Präsident mit einem gespaltenen oder von der Gegenpartei dominierten Kongress regieren muss, als wenn in einem solchen Fall die Republikaner das höchste Amt im Staate besetzen.
Fast immer waren US-Aktien in US-Wahljahren etwas schwächer als im langfristigen Durchschnitt. Diversifikation und defensive Positionierung haben sich in der Regel ausgezahlt.
Insgesamt scheint es Investoren zwar nicht so wichtig zu sein, wer die Wahl gewinnt, aber sie mögen keine Unsicherheit und versuchen, ihr aus dem Weg zu gehen. Vor allem nach besonders schwer prognostizierbaren Wahlen folgt üblicherweise eine gute Aktienmarktperformance, weil dann die Unsicherheit ein Ende hat. Dies könnte gegen Ende des Jahres relevant sein.
Einige Marktbeobachter haben vor allem auf die Reaktionen der Zentralbanken geachtet. Möglicherweise könnte sich die Fed auf die Seite einer bestimmten Partei schlagen und sowohl Inflation als auch Wirtschaft in den Hintergrund stellen. Die Wahlen von 1972 werden hier häufig als Beispiel genannt.
Aber sowohl im Wahlkampf 1980 als auch 1988 klagten die Präsidenten über Zinserhöhungen. Manche sehen in der jüngsten milden Rhetorik der Fed Probleme, doch die einfachere Erklärung ist, dass die Zentralbank in ihrer Summary of Economic Projections die PCE-Inflation bis Ende 2024 auf etwa 2,0 bis 2,5 Prozent prognostiziert. Auf diesem Niveau könnte ein Festhalten an der aktuellen Fed Funds Rate auf eine erhebliche Straffung über die Realrenditen hinauslaufen. Dabei bleibe eine überraschende Entwicklung der Inflation ein Risiko, und zwar eines, auf das die Fed vermutlich reagieren würde, unabhängig davon, ob Wahlen anstehen oder nicht.
Was die Fiskalpolitik betrifft, werden Gesetze nicht über Nacht gemacht, selbst wenn eine der Parteien sowohl die Präsidentschaft als auch die Mehrheit im Kongress gewinnt. In der Vergangenheit wurde die Fiskalpolitik in Wahljahren lockerer und eher günstig für die Verbraucher, aber nicht in einem Umfang, den man erwarten würde, wenn man glaubte, dass die Politiker versuchen, «Stimmen zu kaufen».
Grundsätzlich bewegen grössere, strukturelle und zyklische Wirtschaftsfaktoren mehr als politische Veränderungen. Könnte dieses Jahr eine Ausnahme sein? Vielleicht, weil, wie bereits erwähnt, wichtige wirtschaftliche Trends jetzt zu politischen Brennpunkten geworden sind, und obwohl beide grossen politischen Parteien in den USA beim Thema Handel keinen Spass verstehen und die Ausgaben nur ungern kürzen, gibt es deutliche Unterschiede.
Eine Trump’sche Zoll- und Immigrationspolitik könnte die Inflationserwartungen wieder in die Höhe treiben. Die Steuersenkungen der letzten Trump-Administration dürften verlängert werden. Unter Biden würden die Steuern dagegen eher steigen. Und das Schicksal des Inflation Reduction Act wäre im Fall eines Doppelsieges der Republikaner sehr unsicher.
Oft war es sinnvoller, die Auswirkungen von Wahlen auf einzelne Sektoren und nicht auf die Gesamtwirtschaft zu betrachten. Schliesslich gibt es innerhalb des Marktes immer Performanceunterschiede, unabhängig davon, ob er insgesamt steigt oder fällt.
Beispielsweise haben 2016 die Investoren, die einen Sieg Clintons erwartet hatten, nach dem Sieg von Trump massenweise Small Caps und Finanzaktien gekauft, weil sie davon ausgingen, dass unter der «America-First-Administration» schnell Regulierungen aufgehoben, Steuern gesenkt und viel investiert werden würde.
Etwas Ähnliches könnte auch diesmal passieren. Wenn die Republikaner die Gelegenheit bekommen, Regulierungen und Gebührenkontrollen zu lockern, dürften Small Caps etwas aufholen. Auch regionale Banken und Finanzdienstleister für Privatkunden dürften profitieren. Aus vergleichbaren Gründen könnte ein Sieg der Republikaner auch für den Gesundheitssektor günstig sein. Im Technologiesektor würden Kartellvorschriften lockerer gehandhabt, und traditionellen Energie- und Rohstoffunternehmen käme eine Lockerung der Umweltgesetze zugute.
Elektrofahrzeuge und andere Sektoren, die vom IRA profitiert haben, könnten unter einer erneuten Trump-Administration dagegen leiden, aber es muss gesagt werden, dass ein grosser Teil der Investitionen im Rahmen des IRA in republikanische oder Swing-Staaten fliesst. Und anders als früher angenommen, unterliegt der Verteidigungssektor offenbar hohen Wahlrisiken. Für ihn wäre vermutlich eher ein Sieg der Demokraten besser, weil sich die USA dann international mehr einbringen und die Ukraine weiter unterstützen würden.
«Kurz gesagt, zeigt die Vergangenheit, dass die meisten Investoren vermutlich kaum dauerhafte Auswirkungen der Wahlen auf ihre Portfolios erleben werden. Viele der extremeren Verschwörungstheorien über Stimmenkäufe und politisierte Zentralbanken dürfte man ignorieren können. Aus unserer Sicht werden die Folgen der Wahlen eher auf Sektor- und Staatenebene spürbar sein, nicht aber in der US-Wirtschaft oder am Aktienmarkt insgesamt. Wenn aber einige Themen bis zu den Wahlen im Unklaren bleiben oder sogar noch danach umstritten sind, bereiten Sie sich auf die Rallye nach der Beseitigung der Unsicherheiten vor», so das Fazit bei Neuberger Berman.