Wie sich Peking gegen die Wachstumsschwäche stemmt

In Zentren wie Shenzen werden die Restriktionen für den Wohnungsbau gelockert. (Bild: Shutterstock.com/gyn9037)
In Zentren wie Shenzen werden die Restriktionen für den Wohnungsbau gelockert. (Bild: Shutterstock.com/gyn9037)

Nach dem Ende der Pandemie sollte es mit der chinesischen Wirtschaft wie gewohnt aufwärts gehen. Doch jetzt sind die Exporte im Juli um 14,5% eingebrochen – deutlich heftiger als erwartet. Mit einer Reihe von Massnahmen will die Regierung der schleppenden Konjunktur neuen Schwung verleihen. David Perrett von M&G kommentiert die Erfolgsaussichten.

08.08.2023, 18:57 Uhr

Redaktion: hf

"Nach dem Ende der Corona-Restriktionen einen kräftigen Konjunkturschub in China zu erwarten, war aus Anlegersicht etwas voreilig", hält der Co-Head of Asia-Pacific Equities vom britischen Asset Manager M&G Investments zu Beginn seiner Analyse fest. Im Gegensatz zu den meisten westlichen Volkswirtschaften war die chinesische Industrie nie vollständig zum Stillstand gekommen, wodurch der anschliessende Aufschwung schon rein rechnerisch viel gedämpfter ausfiel.

Bedeutender sei jedoch, dass der wichtige Immobiliensektor einen schmerzhaften Abschwung erlebt habe. "Das hat sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit und auf die Stimmung der Verbraucher ausgewirkt", erklärt David Perrett.

Regierung nimmt Lage ernst

In den letzten Monaten hätten sich Anleger daher zunehmend Sorgen gemacht, dass die politischen Entscheidungsträger den derzeitigen Gegenwind für die chinesische Wirtschaft nicht vollständig erfasst haben und das Risiko einer weiteren wirtschaftlichen Schwächephase steigt. Die Sitzung des Politbüros Ende Juli war deshalb ein wichtiges Signal, betont der M&G-Asien-Experte.

"Gegenüber früheren Erklärungen hat sich der Tonfall geändert: So wurde anerkannt, dass die Wirtschaft schwächer ist als erwünscht und dass die Politik darauf reagieren muss – besonders mit Blick auf den Immobiliensektor und die Binnennachfrage", erklärt er. Weil die Inflation in China kein ernsthaftes Thema ist und das Land einen hohen Leistungsbilanzüberschuss aufweist, verfügten die politischen Entscheidungsträger über zusätzlichen Spielraum für fiskalische und geldpolitische Anreize sowie für eine Lockerung der Vorschriften.

Zurzeit ziele das Konjunkturpaket vor allem auf die Steigerung der Binnennachfrage ab: Der Automobilsektor werde gestärkt. Zudem gibt es Steuererleichterungen und Subventionen für die Modernisierung und den Erwerb von Wohnraum. Diese Schritte hätten eine Art Neustart eingeleitet. Dabei versuche Peking, die Wirkung zu verstärken, indem die lokalen Behörden dazu ermutigt werden, die Immobilienpolitik zu "optimieren" und diese den Bedürfnissen regional vor Ort anzupassen.

Stimulus für den Wohnungskauf

In grossen Zentren wie Peking und Shenzhen sollen u.a. die Beschränkungen für den Kauf von Wohnungen gelockert werden und zuverlässige Kreditnehmer günstige Bedingungen für den Erwerb einer grösseren Immobilie erhalten. Auch werden Heimwerkerarbeiten gefördert, die Beschränkungen für den Besitz von Gebrauchtwagen aufgehoben und die Anreize für den Kauf von Elektroautos verbessert.

"All dies dürfte sich allmählich auf die Realwirtschaft auswirken, besonders, wenn die Anreize auf lokaler Ebene gut umgesetzt werden", erläutert Perrett. Ein breiter Nachfrageschub sollte längerfristig zu einer sich selbst tragenden Angebots- und Nachfragedynamik führen.

Zukünftig will China allerdings weniger abhängig vom Immobiliensektor werden. In der Halbleiterindustrie hinkt das Land zwar noch den Spitzenplätzen hinterher, "entwickelt sich bei zahlreichen umweltfreundlichen Technologien allerdings schon zum Weltmarktführer", fügt der M&G-Stratege an.

Impulse dank neuen Industrien

So ist China bereits heute der grösste Produzent von Erzeugnissen aus erneuerbaren Energien und führender Anbieter von Elektrofahrzeugen. "Diese Führungsrolle wird in den nächsten zehn Jahren spürbare Auswirkungen auf die globalen Märkte haben. Im Bereich des digitalen Lieferkettenmanagements revolutionieren chinesische Unternehmen bereits eine Reihe von globalen Einzelhandelsmärkten, darunter die Fast Fashion-Branche", so Perrett.

In den nächsten Monaten würden sich Anlegerinnen und Anleger auf weitere Einzelheiten zu den Konjunkturmassnahmen und die Auswirkungen der angepassten "Trickle-down-Politik" (angebotsorientierte wirtschaftspolitische Schritte) konzentrieren. "Wichtig ist", schliesst Perrett seine Analyse: "Die derzeitige Ausgangsbasis für die Bewertung chinesischer Aktien liegt grösstenteils auf einem sehr attraktiven Niveau."

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