04.04.2024, 12:40 Uhr
Per 1. April hat J.P. Morgan Asset Management Hermann Pfeifer zum Leiter für Deutschland, Österreich, Zentral- und Osteuropa sowie Griechenland ernannt. Er wird an Christoph Bergweiler berichten, der vor einem Jahr...
Der aktuelle Zyklus eines niedrigen Trendwachstums lässt sich nach Einschätzung von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan AM, mit einer alten Schildkröte vergleichen - es geht zwar stetig voran, aber sehr langsam.
Laut den Experten von J.P. Morgan Asset Management ist die aktuelle Kapitalmarktsituation vor allem durch zwei Trends geprägt: Schwache Produktivität und demographische Effekte wobei die Veränderungen in der Demographie die Produktivität zusätzlich negativ beeinflussen. Dies führt zu einem niedrigeren Trendwachstum: "Der aktuelle Zyklus lässt sich mit einer alten Schildkröte vergleichen es geht zwar stetig voran, aber sehr langsam", unterstreicht Tilmann Galler. Die mittelfristigen Wachstumsprognosen wurden bereits an dieses Umfeld angepasst und auch die Leitzinsprognosen der Marktteilnehmer sind sukzessive immer weiter gesunken. "Das niedrigere Trendwachstum bedeutet aber auch, dass jede temporäre Abschwächung des Wirtschaftswachstums zu Rezessionsängsten führt. Von einer wie Anfang des Jahres befürchteten Rezession sind wir jedoch noch etwas entfernt", so Galler.
Der Brexit-Effekt lässt auf sich warten
Ein Thema, das die Märkte noch weiter beschäftigen sollte, ist der Brexit. Laut Galler wird es allerdings noch dauern, bis sich die Auswirkungen der Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, niederschlagen. Bislang fallen die Daten eher uneinheitlich aus: Das Verbrauchervertrauen war nach dem Referendum eingebrochen, hat sich inzwischen jedoch wieder erholt. Die rechtliche Unsicherheit nach dem Referendum stellt vor allem für die Investitionstätigkeit der Unternehmen eine Bedrohung dar: Die Agent Surveys der Bank of England zeigen einen starken Einbruch der Investitionsvorhaben auf, insbesondere im Dienstleistungssektor. Die vierteljährliche Umfrage des CBI zum Geschäftsklima fiel nach der Abstimmung ebenfalls äußerst negativ aus. Bislang hat sich die Industrieproduktion jedoch weiterhin recht gut behauptet. Als Reaktion auf die uneinheitlichen Signale dieser Daten hat die OECD ihre Wachstumsprognose 2016 für Großbritannien unlängst von 1,7 auf 1,8 Prozent nach oben korrigiert. Die Prognose für 2017 wurde allerdings um die Hälfte von zwei auf ein Prozent gesenkt.
"Die Risiken durch die Unsicherheit werden weiterhin hoch bleiben, solange die langfristige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU nicht abschließend geklärt ist", unterstreicht Galler. Großbritannien müsse sich entscheiden, ob es den freien Personenverkehr einschränken oder weiterhin Zugang zum Binnenmarkt der EU haben will. Ein Freihandelsabkommen für Waren wäre dabei im Sinne der EU-Länder immerhin kaufen die Briten mehr Waren aus Europa als sie dorthin exportieren. "Allerdings ist Großbritannien sehr viel stärker vom Handel mit der EU abhängig als umgekehrt: Etwa 50 Prozent der britischen Waren werden nach Europa exportiert, während lediglich 16 Prozent der gesamten Warenausfuhr der EU nach Großbritannien geht", unterstreicht der Experte.
Für ihn sehen nach den letzten Pfund-Abwertungen britische Aktien interessant aus. Da außerhalb des Immobiliensektors, des Einzelhandels und der Versorger ein sehr hoher Anteil der Umsätze britischer Unternehmen aus dem Ausland stammt, sollten sie in den kommenden Monaten ein besseres Gewinnmomentum haben. Zudem dürfte die jüngste Stabilisierung wichtiger Rohstoffmärkte positive Impulse setzen. Und last but not least bieten britische Aktien eine attraktive Ertragsquelle, da die Dividendenrenditen mit rund 4 Prozent im Vergleich zu vielen anderen Märkten sehr hoch sind.
US-Wirtschaft sieht jenseits des Wahlgetöses weiterhin attraktiv aus
Die Vereinigten Staaten von Amerika stecken mitten in einem ungewöhnlichen Wahlkampf. Für die Märkte und die Wirtschaft dürften die Auswirkungen laut Galler jedoch deutlich schwächer ausfallen, als der Wirbel im Vorfeld der Wahlen nahelegt: Das US-amerikanische System der Gewaltenteilung stellt sicher, dass ein Präsident die eigenen politischen Ideen alleine nicht durchsetzen kann. Ein Wahlsieg Trumps würde die Anleger überraschen und zweifellos eine gewisse Volatilität an den Kapitalmärkten auslösen. Allerdings steht ihm ja ein Korrektiv durch die zwei Kammern des Kongresses entgegen. "Unabhängig davon, wer die Wahlen am Ende gewinnen wird, sollten sich Anleger unserer Ansicht nach darauf einstellen, dass die USA innerhalb der nächsten Regierungsperiode aufgrund der Reife des Konjunkturzyklus in eine Rezession abrutschen werden. Die Wirtschaftsindikatoren deuten derzeit allerdings noch auf eine konjunkturelle Stärke hin. Wir behalten jedoch mehrere wichtige Indikatoren im Auge, um eine Änderung der Lage frühzeitig zu erkennen", erläutert der Experte.
Ist die Schwellenländer-Rally nachhaltig?
Positiv überrascht haben in diesem Jahr nach einigen Jahren mit Gegenwind die Schwellenländer. In vielen Ländern hat sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts stabilisiert und die jüngste Erholung der Einkaufsmanagerindizes deutet eine Fortsetzung dieses Trends an. "Dies erfüllt zwar eines der Kriterien für eine fortgesetzte Rally, einige Länder haben jedoch nach wie vor mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen", betont Galler.
Bei der Bewertung des Wachstumspotenzials der Schwellenländer kommt vor allem China eine besondere Bedeutung zu. "Die Angst um eine mögliche harte Landung ist an den Märkten zwar noch nicht vollkommen abgeklungen, die von den chinesischen Behörden ergriffenen geld- und fiskalpolitischen Anreize haben jedoch dazu beigetragen, den Rückgang des Wachstums zu stoppen. Steigende Verschuldungsniveaus, ein rückläufiges Wachstum der Privatinvestitionen und Ineffizienzen in Sektoren, die durch staatliche Unternehmen dominiert werden, werfen jedoch Fragen bezüglich der mittelfristigen Aussichten auf", erläutert der Experte.
Laut Galler stellen Schwellenländeraktien jedoch aktuell eine der letzten Anlageklassen dar, die mit einem Abschlag gegenüber ihrem langfristigen Durchschnitt gehandelt werden. Grund hierfür sei die negative Anlegerstimmung, die vor allem auf eine schwache Ertrags-dynamik und die Aufwertung des US-Dollars zurückzuführen war. Bezüglich der Gewinnerwartungen konnten sich jedoch insbesondere die asiatischen Länder, die dem Rohstoffzyklus weniger ausgesetzt waren, besser behaupten. Der Experte betont, dass es in keiner anderen Region der Welt so viele Unternehmen gibt, die eine Dividendenrendite von mehr als zwei Prozent aufweisen. "Sobald sich die Risikoeinschätzung der Anleger verbessert, wird die Jagd nach Rendite auch wieder die Schwellenländer einbeziehen", ist sich Galler sicher.