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Zehnjährige US-Staatsanleihen wegweisend für Anlagejahr 2017

Bill Gross, Fondsmanager bei Janus Capital Group.
Bill Gross, Fondsmanager bei Janus Capital Group.

Gemäss Bill Gross von Janus Capital Group hängen Erfolg und Misserfolg im Anlagejahr 2017 unter anderem von der Entwicklung der zehnjährigen US-Staatsanleihen ab: "Wenn der Wert von 2,6 % gebrochen wird, also die Renditen höher klettern, dann setzt ein langfristiger Bärenmarkt für Anleihen ein."

13.01.2017, 08:04 Uhr

Redaktion: jog

Seit Anfang November dominiert das Glück die Risikomärkte, während die weltweiten Anleihemärkte von Verzweiflung geprägt sind. Die Hoffnung auf zunehmendes Wachstum durch mehr Fiskalpolitik, weniger Regulierung und eine Steuerreform unter der neuen republikanischen US-Regierung hat die Risikotoleranz gestärkt. Dass die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen im selben Zeitraum um 100 Basispunkte von 1,4 % auf 2,4 % gestiegen sind, ist auf die Möglichkeit einer höheren Inflation und von Zinserhöhungen durch die Fed zurückzuführen. Sind die Risikomärkte überbewertet und die Renditen der Staatsanleihen übertrieben? Das ist eine der zentralen Fragen für 2017.

Die Abschätzung des zukünftigen Wachstums und der damit verbundenen Risikoaufschläge ist natürlich noch unsicher. Der zukünftige US-Präsident Donald Trump äussert sich über Twitter, und die Märkte hören zunächst einmal auf ihn. Letztendlich hängt ihr Wert aber davon ab, ob die bei 2 % liegende reale BIP-Wachstumsrate der letzten 10 Jahre sprunghaft auf einen jährlichen Wert von über 3 % ansteigen wird. Ein Wachstum um 3 % führte in der Vergangenheit dazu, dass die Unternehmensgewinne einen Gang hochschalten konnten, weil die finanzielle und operative Hebelwirkung von höherem Wachstum abhängt. Ein Wachstum von 2 % oder darunter erstickt die Unternehmensgewinne. Somit ist die Differenz von einem Prozentpunkt zwischen 2 % und 3 % von entscheidender Bedeutung. Wir werden sehen, ob der orthodoxe Stil der Republikaner und des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump die bereits jetzt in mancher Hinsicht vollständig ausgelastete Wirtschaft stimulieren kann. Dazu wäre eine bedeutende Zunahme der Investitionsausgaben erforderlich, die bis jetzt zugunsten der Verwendung von Cashflow für Aktienrückkäufe sowie Fusionen und Übernahmen zurückstehen mussten.

Eher 2 statt 3 Prozent
Bill Gross steht den 3 % skeptisch gegenüber und erwartet eher 2 %. Die langfristigeren negativen Faktoren laut seiner "neuen Normalität" (New Normal) und laut Larry Summers "anhaltender Stagnation" (Secular Stagnation) sind vielleicht nicht mehr auf den Titelseiten der Wirtschaftsrubrik in der Financial Times und der New York Times zu finden, aber sie sind nie wirklich von der Bildfläche verschwunden – ganz unabhängig von Trump. Die nachteilige demografische Entwicklung durch eine alternde Bevölkerung, die hohe Verschuldung im Verhältnis zum BIP, die wegen der steigenden Zinssätze nun ein grösseres Risiko darstellt, der Ersatz von menschlichen Arbeitskräften durch die Technik und schliesslich die Verlangsamung bzw. der Rückgang der Globalisierung stellen eine ständige Bedrohung für die Produktivität und damit für das BIP-Wachstum dar. Die Politik von Trump mag in den nächsten Jahren einen zeitweiligen Aufschwung mit sich bringen, aber wahrscheinlich werden sich die 2 % als längerfristiger Standard etablieren, der das Wachstum der Unternehmensgewinne hemmen und den Wertzuwachs von Risikoanlagen verlangsamen wird.

Die entscheidende Frage nach den Zinssätzen und nach dem zukünftigen Renditeniveau der zehnjährigen US-Staatsanleihen ist genauso schwer zu beantworten. Während die Fed damit begonnen hat, nach der Aufgabe der geldpolitischen Lockerung vor mehreren Jahren ihre Zinspolitik zu straffen, giessen andere grosse Zentralbanken mit monatlichen Wertpapierkäufen im Wert von 150 Mrd. US-Dollar weiter Öl ins Feuer. Aufgrund der Festschreibung der Rendite von zehnjährigen japanischen Staatsanleihen auf nahe 0 % und der unter Draghi weitergeführten Niedrigzinspolitik der EZB deckelt die weltweite Arbitrage den US-Zehnjahreszins effektiv auf ein Niveau von 2,4 % bis 2,6 %. Währungsbereinigte Renditeaufschläge von 70 Basispunkten durch den Verkauf zehnjähriger japanischer Staatsanleihen oder deutscher Bundesanleihen und durch den Kauf von US-amerikanischen Staatsanleihen illustrieren die künstliche Preissetzung der zehnjährigen Anleihen – sogar bei steigender Inflation und wenn die kurzfristigen Zinssätze von der Fed in den nächsten zwölf Monaten einmal, zweimal oder dreimal angehoben werden.

Bei den zehnjährigen US-Staatsanleihen werfen somit mehrere Faktoren einen Schatten auf die rationale Schlussfolgerung, laut der die Renditen während Trumps erstem Amtsjahr zwangläufig steigen müssten. Angesichts dieser verwirrenden Fundamentaldaten könnten jedoch technische Indikatoren die Rettung sein, und in diesem Zusammenhang könnte ein drei Jahrzehnte dauernder Abwärtstrend bei den Zehnjahreszinssätzen der entscheidende Hinweis sein. Wie in der nachstehenden Grafik dargestellt, ist es für die meisten Beobachter offensichtlich, dass die Zehnjahreszinssätze seit dem langfristigen Spitzenwert in den frühen 1980er-Jahren fallen, und zwar relativ linear. Durchschnittliche Rückgänge um 30 Basispunkte in den letzten 30 Jahren haben zu einer Abnahme der Zehnjahresrendite von 10 % im Jahr 1987 auf aktuell 2,4 % geführt.

Trendlinie im Auge behalten
Jetzt könnte dieser extrem starke, oft auf die Probe gestellte Abwärtstrend allerdings sein Ende erreicht haben. Die derzeitige Obergrenze dieser Trendlinie beträgt 2,55 % bis 2,6 %, und in den letzten Wochen hielt sie sich oder wurde um vielleicht 15 Basispunkte unterschritten. ABER – und dies ist Gross' einzige Prognose für zehnjährige US-Staatsanleihen im Jahr 2017 – wenn der Wert von 2,6 % gebrochen wird, also die Renditen höher klettern, dann setzt ein langfristiger Bärenmarkt für Anleihen ein. Den Wert von 2,6 % sollte man im Blick behalten. Er ist viel wichtiger als die 20'000-Punkte-Marke des Dow Jones. Viel wichtiger als die 60-Dollar-Marke beim Rohöl. Viel wichtiger als die Parität des Dollar zum Euro. Er wird für das Niveau der Zinssätze und vielleicht für die Aktienkurse im Jahr 2017 entscheidend sein. Von ihm hängt ab, ob die Investitionen der kommenden 12 Monate Glück oder aber Verzweiflung bringen.

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