23.08.2017, 13:11 Uhr
Die Dividenden kletterten weltweit im 2. Quartal 2017 auf den höchsten je registrierten Wert. Die zwei grössten Dividendenzahler stammten aus der Schweiz.
Viele europäische Banken sind in einer sehr viel besseren wirtschaftlichen Verfassung als dies von Investoren wahrgenommen wird. Zu dieser Einschätzung kommt Carmel Wellso, Fondsmanagerin und Analystin beim US-Vermögensverwalter Janus in ihrem aktuellen Ausblick.
Die meisten Institute haben deutliche Fortschritte bei der Bewältigung ihrer Strukturprobleme gemacht und mit zum Teil harten Einschnitten ihre Kosten gesenkt, stellt Wellso fest. Vor allem die grossen Bankinstitute stehen daher vor einem Ertragssprung, der am Markt unterschätzt wird. Wellso zufolge hat sich die Finanzbranche allerdings noch nicht soweit erholt, dass man von einem Marktumfeld zu Zeiten vor der Finanzkrise sprechen könne. So ist das Volumen fauler Kredite im europäischen Bankensektor höher als vor der jüngsten Rezession. Aber es hat sich stabilisiert, wie Wellso betont, und das sehen wir eindeutig als positives Zeichen dafür, dass die Erholung voranschreitet. Dazu kommt, dass viele Häuser ihre Provisions- und Zinsmargen erheblich ausgeweitet haben. Das macht sie robuster gegenüber zukünftigen Kreditausfällen, glaubt die Janus-Expertin. Fast noch wichtiger ist es allerdings, dass abgesehen von einigen Grossbanken mit starkem Investmentbanking-Geschäft die meisten Institute die Kapitalanforderungen von Basel III erfüllen. Dazu kommen die in vielen Fällen gesunkenen Refinanzierungskosten vieler Häuser, die vom niedrigen Zinsniveau an vielen Kapitalmärkten der Euro-Zone profitieren.
In den Kursen haben sich diese positiven Faktoren jedoch bislang kaum niedergeschlagen. Von welcher Seite man es auch betrachtet: Europäische Bankaktien sind zurzeit unterbewertet, stellt Wellso fest. Das gilt sowohl gemessen am Gewinnwachstum als auch im Vergleich zu langjährigen Durchschnittswerten. Und selbst gegenüber asiatischen und amerikanischen Wettbewerbern sind europäische Finanztitel relativ gesehen günstiger zu haben, beobachtet die Janus-Expertin. Auch wenn sich die Wirtschaft in der Euro-Zone mittel- und langfristig gesehen wahrscheinlich nicht so dynamisch entwickeln wird wie etwa in den USA oder den Schwellenländern, preist der Markt bei europäischen Banken faktisch negative Wachstumsraten und höher als zu erwartende Kapitalkosten ein, erläutert die Janus-Expertin ihre Einschätzung. Zudem differenzieren die Investoren derzeit kaum zwischen den Geschäftsmodellen und der Ausrichtung einzelner Geldhäuser. Dabei haben vor allem Banken mit einem starken Standbein in den Emerging Marktes zukünftig hohes Wachstumspotenzial gibt Wellso zu bedenken. Und nicht jede Bank war oder ist auf staatliche Unterstützung angewiesen oder hat dringenden Kapitalbedarf.
Auch Befürchtungen über eine weitere staatliche Regulierung des Finanzsektors hält sie für unbegründet. Ich denke, die Bankenunion wird kommen und das wird dem Markt Vertrauen geben, prognostiziert die Janus-Analystin. Dennoch stehen viele Investoren aber auch Analysten den Wachstums- und Gewinnperspektiven vieler Institute immer noch sehr skeptisch gegenüber, obwohl einige ihre selbst gesteckten Ziele nun schon mehrere Quartale hintereinander eingehalten haben. Mit ihrer zögerlichen Haltung verpassen die Investoren jedoch zum Teil sehr gute Anlagechancen.