11.06.2020, 13:38 Uhr
Insight Investment hat ein neues Ratingsystem entwickelt, mit dem Emittenten anhand einer Reihe von proprietären ESG-Risikokennzahlen bewertet werden können. Damit soll die Entwicklung nachhaltiger Finanzmärkte...
Ulrich Gerhard von Insight Investment, eine Investmentgesellschaft von BNY Mellon Investment Management, spricht über die Chancen im High-Yield-Markt. Trotz drohender Rezession ist er der Meinung, dass ausgewählte Anleihen aufgrund der lockeren Geldpolitik ein attraktives Renditepotenzial bieten.
Der Konjunkturausblick trübt sich in vielen Regionen ein. Im Fall einer Rezession wären die Aussichten für den High-Yiel-Markt düster. Rechnen sie für die USA demzufolge mit steigenden Ausfallquoten?
Ulrich Gerhard: Das Wirtschaftswachstum lässt zwar offenbar nach, doch einen Absturz wie im Jahr 2008 halten wir nicht für wahrscheinlich. Die Märkte haben sich von der aggressiven Verkaufswelle Ende 2018 rasch erholt. Zudem gehen wir nicht davon aus, dass die USA in der zweiten Jahreshälfte in die Rezession rutschen. Durch das rekordverdächtige Refinanzierungstempo bei Anleihen und Krediten und ebenso durch kräftige Gewinne, sind die Unternehmensbilanzen solide aufgestellt. Wir erwarten daher, dass die Ausfallquoten bei Hochzinsanleihen und Krediten moderat bleiben dürften - und unter ihren langfristigen Durchschnittswerten.
Und in Europa?
In Europa sieht es ganz ähnlich aus. Bisher sind die Ausfälle auf dem europäischen Markt in diesem Jahr absolut im Rahmen. Unserer Ansicht nach dürften sie auch weiterhin verkraftbar ausfallen. Abgesehen davon erwarten wir eine leichte Zunahme gegenüber dem Vorjahresniveau, da der Markt mehrere notleidende Kapitalstrukturen aufweist.
In Europa haben sich manche Investoren aus dem Hochzinssegment zurückgezogen – unter anderem, weil sich die Credit Spreads im Investment-Grade-Segment geweitet haben. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Es trifft zwar zu, dass der Renditeabstand zwischen Investment-Grade- und High-Yield-Markt Ende 2018 grösser geworden ist, doch die Erholung im Jahr 2019 war beinahe ebenso stark. Es besteht stets die Gefahr von weiteren Volatilitätsschüben, doch unserer Ansicht nach bewegen sich die Spreads zum Investment-Grade-Segment auf angemessenem Niveau. Hinzu kommt, dass die Zentralbanken der Schwellenländer nicht mehr so stark zur Verschärfung der Geldpolitik tendieren. Eine neutralere Haltung scheint die Devise zu sein. Das dürfte Anleger – auch solche aus dem Investment-Grade-Segment – vermutlich dazu animieren, nach Investments mit höheren Renditen Ausschau zu halten. Mit anderen Worten, High Yield ist weiterhin attraktiv.
Und wie sieht es mit der Refinanzierung aus? Wie hoch ist das Volumen der Schuldtitel, die 2019 und 2020 fällig werden?
Das Gros der Hochzinsemittenten hat die in den letzten Jahren vorliegenden Rahmenbedingungen genutzt, um Fälligkeitsspiegel proaktiv zu steuern und Liquiditätsprofile besser in den Griff zu bekommen. Folglich sind nur sehr wenige Emittenten Refinanzierungsrisiken ausgesetzt. 2019 müssen lediglich rund 5% der Emittenten auf dem europäischen High-Yield-Markt auslaufende Anleihen refinanzieren. In den USA ist der Prozentsatz noch niedriger. Auch für nächstes Jahr scheinen die Refinanzierungsrisiken überschaubar. Manche Unternehmen befassen sich bereits mit Laufzeiten bis 2021 und 2022.
Hochzinsanleihen sind nicht besonders liquide. Kann das zum Problem werden, falls es zu Marktverzerrungen kommt?
Der High Yield-Markt kann in Belastungszeiten unter geringer wechselseitiger Liquidität leiden, wodurch sich Verkaufswellen verstärken können. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Anleger diesem Problem weitgehend aus dem Weg gehen können, indem sie sich auf kurz laufende Hochzinspapiere fokussieren. Diese sind in der Regel deutlich liquider und bieten dabei eine hohe Fälligkeitsfrequenz. Infolgedessen können sich Manager mit kurz laufenden hochverzinslichen Portfolios Stressphasen auf dem Markt flexibler zunutze machen. Wenn es auf den Märkten zum Ausverkauf kommt, können sie ihre Liquidität zum Einsatz bringen, um von Wertchancen zu profitieren.
Und was passiert, wenn gleich mehrere grössere Emittenten unvermittelt deutlich heruntergestuft werden?
Ende letzten Jahres erkannten wir, dass es durch eine grössere gesamtwirtschaftliche Abschwächung zu eine ganze Reihe von "Fallen Angels" kommen könnte, weil Unternehmen mit Investment Grade aus den USA und Europa ihre Bilanzen in den letzten zehn Jahren gehebelt haben. Eine Welle von Herabstufungen wäre für den High-Yield-Markt schwer zu bewältigen und dürfte erhebliche Verwerfungen auslösen. Doch unabhängig davon gab es – trotz der dadurch weiterhin bestehenden potenziellen Widerstände auf dem US-Markt – im ersten Quartal 2018 keine Herabstufungen im Hochzinsbereich. Ganz im Gegenteil: Wir nahmen einen ganzen Schwung aufgehender Sterne wahr, als im ersten Quartal Hochzinsanleihen im Volumen von 18 Mrd. US-Dollar auf Investment-Grade-Status hochgestuft wurden. Mit Blick auf die Zukunft sind wir der Überzeugung, dass Unternehmen mit BBB-Rating mehrheitlich in der Lage sein dürften, einen Zyklus zu überstehen.
Wo sollten Anleger derzeit in Hochzinsanleihen investieren beziehungsweise wo sind die Renditeerwartungen am höchsten?
Uns erinnert der aktuelle High-Yield-Markt an Pilze: Manche können giftig sein, andere harmlos. Es kommt darauf an, die richtigen zu finden. Ein Schlüsselfaktor bei der Auswahl ist die Laufzeit. In der heiklen Phase im Dezember 2018 hätten Anleger beispielsweise an kurzfristigen Hochzinsanleihen mehr verdient als an entsprechenden langlaufenden Emissionen.
Bei kurz laufenden Hochzins-Investments zahlt es sich unserer Ansicht nach aus, Mut zu beweisen und sich nicht durch eine Benchmark einschränken zu lassen. Finden Anleger einen Sektor verdächtig, sollten sie ihn komplett meiden. Ausserdem halten wir einen Bottom-up-Ansatz für unabdingbar – insbesondere einen, bei dem die Überwachung der Liquiditätsprofile, der freien Cashflows und der Geschäftsmodelle von Unternehmen Vorrang geniesst.