High Noon – Zeit sich zu entscheiden?

Guido Barthels, CIO und Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A.
Guido Barthels, CIO und Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A.

Die aktuellen Diskussionen um die Griechenland-Hilfen oder die Zinswende erinnern an Szenen eines Western-Films: Die Frist läuft ab und man muss sich entscheiden. Lesen Sie den Marktkommentar von Guido Barthels, CIO und Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A.

11.09.2013, 09:36 Uhr

"Im bekannten Westernfilm High Noon soll der Marshall einer Kleinstadt um zwölf Uhr Besuch von einem Killer bekommen und niemand will ihm zur Seite stehen. Er entscheidet sich für den Alleingang und besiegt letztlich die Bösen. Als ihn die Stadt als grossen Helden feiern will, zieht er jedoch von Dannen.
Setzt man nun den Marshall mit Griechenland gleich und zwölf Uhr mit dem 22. September, befinden wir uns auch heute im Wilden Westen. Das deutsche Fernsehduell von Kanzlerin Merkel und ihrem Herausforderer Steinbrück hätte eigentlich das Zeug dazu gehabt, Spannungen wie bei einem Revolverduell hervorzurufen. Stattdessen war es in langen Partien eher einschläfernd. Nicht nur Stefan Raab stellte sich daher die Frage, ob dort schon die Neuauflage der Grossen Koalition geprobt wurde.

Ein weiteres Beispiel für eine High Noon-Situation repräsentiert der gegenwärtige Status des Wirtschaftswachstums auf beiden Seiten des Atlantiks: Jeder Investor muss für sich entscheiden, ob wir die Zinswende bei längeren Anleihe-Laufzeiten bereits im Mai 2013 gesehen haben und auch, ob aktuell ein temporärer Höchststand bei eben jenen Renditen vorliegt. Quasi High Noon bei Renditen und Aktien – Zeit für Entscheidungen.

Zurück zu Griechenland: Während die Oppositionspolitiker über Griechenland als „Fass ohne Boden“ lamentieren, sieht die Realität ganz anders aus. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man den Primärsaldo, d. h. den Budgetsaldo von Primärausgaben und -einnahmen ohne Zinszahlungen, verschiedener Staaten vergleicht. Hier hat es Griechenland geschafft, sich von fast -11% in 2009 auf knapp über 0% Ende 2013 zu verbessern, und das in einer Zeit des fallenden Bruttoinlandsprodukts. Auch Italien hat übrigens in den letzten 15 Jahren, ohne die Zinszahlungen auf seine Schulden einzubeziehen, wesentlich mehr eingenommen als ausgegeben. Ein weiteres Beispiel ist Deutschland, wo sich der konjunkturelle Zyklus lehrbuchmässig direkt am Primärsaldo ablesen lässt. Der Verlauf des spanischen Saldos zeigt hingegen deutlich den Strukturbruch in 2007 und den mühevollen Weg zurück in Richtung Oberfläche, die aber selbst im optimistischen Fall der OECD-Prognose mit -4% im Jahr 2013 noch sehr weit entfernt ist. Ähnliches gilt für Portugal – ganz zu schweigen von Frankreich, das seit 2002 regelmässig ein Primärdefizit vollbracht hat.

Was die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Volkswirtschaften angeht, zeigt sich Griechenland ebenfalls ganz vorne. Nur äusserst drakonische Massnahmen konnten zu einem derartigen Erfolg beim Umbau der Wirtschaft verhelfen. Nicht zuletzt zeigen die Leistungsbilanzsalden, dass Griechenland seit der Krise konstant und mit Erfolg an einer Verringerung des Defizits arbeitet.

Wenn man also in diesem Kontext weitere Hilfen für Griechenland auf dem Altar des Wahlkampfs opfern würde – und sei es auch nur, um damit zu drohen –, täte man den Griechen und der europäischen Idee Unrecht und verfiele dem Populismus. Im Gegenteil sollte man einmal darüber nachdenken, Griechenland bei seinen Anstrengungen zu unterstützen und in der dortigen Volkswirtschaft zu investieren. Keiner sagt, dass Entscheidungen immer leicht fallen."

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