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Das Paradox des Fed-Modells

Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG
Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz) AG

Am 29. Juni wurde eine Computerdatei mit der vollständigen Beschreibung des wichtigsten makroökonomischen Modells der Fed – das FRB/US-Modell – versehentlich auf deren Webseite veröffentlicht. Nicht nur, dass weder Märkte noch Politik darauf reagieren, auch der Inhalt dieses Modells verblüfft, erklärt Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA.

24.08.2015, 11:12 Uhr

Redaktion: dab

In diesem Modell gibt es nämlich weder Geld noch Kredit noch ein Bankensystem. Keine der 375 Gleichungen bezieht sich auf eines dieser Konzepte. Es sei erwähnt, dass es sich nicht um irgendein Modell irgendeines Think-Tanks handelt, sondern um den Masterplan der amerikanischen Zentralbank, deren Hauptaufgabe die Geldpolitik ist. Somit drängt sich die Frage auf, wie es sein kann, dass geldpolitische Massnahmen auf der Grundlage eines Modells berechnet, bewertet und womöglich beschlossen werden, welches diese nicht vorsieht.

Daher hat auch Ben Bernanke, ehemaliger Präsident der US-Notenbank, nicht auf ein besseres Modell gewartet, um eine unorthodoxe Geldpolitik wie die quantitative Lockerung (QE) auf den Weg zu bringen. Jedoch war dies ohne vorherige Erfahrungswerte mit QE und ohne eine entsprechende Theorie ein ziemlich riskantes Experiment. Man muss ihm jedoch Folgendes zugutehalten: „Das Problem mit der quantitativen Lockerung ist, dass sie in der Praxis funktioniert, jedoch nicht in der Theorie.“1

Warum nun verwendet die mächtigste Zentralbank der Welt ein Modell ohne Geld? Es gibt zwei grundlegende Fragen, die von Ökonomen bislang noch nicht ausreichend beantwortet wurden, was es unmöglich macht, Geld in ein Modell aufzunehmen: Was ist eigentlich Geld? Und wie beeinflusst Geld die Wirtschaft? Diese Fragen sind allem Anschein zum Trotz schwer zu beantworten.

Wenn Geld nämlich allen Mitteln entspricht, mit denen eine Transaktion durchgeführt werden kann, dann sind die Panini-Sticker zur Weltmeisterschaft ebenfalls Geld, da man seinen Freunden damit ein Bier kaufen kann. Im weiteren Sinne trifft dies auch auf sehr liquide Finanzinstrumente zu, wie z. B. kurzfristige T-Bills mit begrenzten Durationsrisiken von sogar noch längeren Treasuries. Gleichermassen müssen auch Kredite in die Definition von Geld einbezogen werden – was tatsächlich der Fall ist, wenn von grossen Geldmengen wie M3 die Rede ist.

Noch rätselhafter ist die Frage, wie Geld die Wirtschaft beeinflusst. Das ist aber nur eine theoretische Frage. Denn derzeit besteht die allgemein anerkannte Annahme, dass Geld neutral ist. Diese Neutralität des Geldes ist ein relativ einfaches Konzept, das in alle klassischen Modelle eingebettet ist. Es verhält sich folgendermassen: Wenn sich der Bestand an Geld verdoppelt, verdoppeln sich schliesslich auch die Preise, sodass am Ende die Kaufkraft dieselbe bleibt. Mit anderen Worten: Geld ist neutral, da es weder Wert schafft, noch das Wachstum steigert oder die Arbeitslosigkeit verändert.

Diese ungelösten Fragen sind nichts anderes als ein Beweis dafür, dass die Ökonomie eine Sozialwissenschaft ist, deren Gesetze nicht in Stein gemeisselt sind. Sozialwissenschaftlern steht nur ein Versuchsraum zur Verfügung: die Geschichte. Des Weiteren treffen Ökonomen ihre Entscheidungen auch auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen, wie es Ben Bernanke eindrucksvoll gezeigt hat.

1 Ben Bernanke, 16.01.2014, The Brookings Institute, Washington, “The problem with QE is that it works in practice, but it doesn’t work in theory.“ Quelle: http://www.brookings.edu/~/media/events/2014/1/16%20central%20banking%20great%20recession/20140116_bernanke_remarks_transcript.pdf

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