Wachstumsprognosen: Die USA wieder im Rennen

Mathilde Lemoine, Group Chief Economist bei Edmond de Rothschild
Mathilde Lemoine, Group Chief Economist bei Edmond de Rothschild

Prognosen zufolge könnte das US-Wachstum 2018 um durchschnittlich bis zu 3 Prozent betragen. Mathilde Lemoine von Edmond de Rothschild analysiert die gesamtwirtschaftliche Entwicklungen der Jahren 2018 bis 2019 und erläutert, wieso die USA als einzige Nation ihre Wirtschaftstätigkeit erneut weiter ankurbeln könnte.

11.06.2018, 16:52 Uhr

Redaktion: ans

Mathilde Lemoine, Group Chief Economist bei Edmond de Rothschild, stellt in ihrem aktuellen Halbjahresbericht mit dem Titel "Zurück zur amerikanischen Vormacht?" ihre jüngsten makroökonomischen Prognosen für 2018 und 2019 vor. Die Expertin ist sich sicher, dass nachdem sich das Wachstum weltweit beschleunigt hat, einzig die Vereinigten Staaten ihre Wirtschaftstätigkeit 2018 erneut weiter ankurbeln könnten und sich damit wieder als feste Grösse des weltweiten Wachstums etablieren. Donald Trumps Plan, die USA wieder ins Rennen zu bringen, könnte somit aufgehen.

Edmond de Rothschild ist fest davon überzeugt, dass die amerikanische Steuerreform und das Auseinanderdriften der weltweiten Wachstumsraten die Zinsschwankungen und die Instabilität der Finanzmärkte noch weiter verstärken werden.

USA: Breit angelegte Steuerreform
Die Ende letztes Jahr verabschiedete US-Steuerreform sei nicht nur im Hinblick auf das Entlastungsvolumen beachtlich, so Lemoine. Sie verändere auch das amerikanische Steuersystem grundlegend. Erklärtes Ziel ist es, die amerikanischen Unternehmen zu Investitionen in den Produktionssektor zu bewegen und zugleich die Kreditkosten anzuheben. Vorliegenden Berechnungen zufolge könnten sich die Steuersenkungen auf netto 111 Milliarden Dollar belaufen und so die Investitionsbereitschaft von Unternehmen fördern. "Für die amerikanischen Haushalte indes dürften die Steuereinsparungen 2018 lediglich 17 Milliarden Dollar netto betragen. Das amerikanische Wachstumstempo könnte 2018 auf bis zu 3 % ansteigen, ohne einen allzu hohen Inflationsdruck auszulösen – Letzteres aufgrund der erwarteten mangelnden Dynamik des privaten Verbrauchs und des Fortbestehens eines Arbeitskräfteüberschusses", prognostiziert die Expertin.

Aufschwung im Euroraum schwächt ab
2018 dürfte sich das Wachstum auf 1,8 % und 2019 auf 1,6 % abschwächen, nachdem es 2017 noch 2,5 % betragen hatte. Zu den Ursachen zählen gemäss Lemoine eine steigende Trägheit im Bauwesen sowie die vorangegangene Euro-Aufwertung. Sie erläutert: "Die politische Risikoprämie könnte in den Jahren 2018 und 2019, nachdem im Zuge der Wahl des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Tiefpunkt erreicht wurde, wieder ansteigen, da der institutionelle Fortschritt in Europa angesichts der politischen Lage in Italien, aber auch in Spanien und Deutschland zum Stillstand kommen dürfte." Die meisten der Vorschläge, die Frankreich zur Konsolidierung der Gemeinschaftswährung vorgebracht hat, etwa bezüglich eines gemeinsamen Haushalts für den Euroraum, haben verhaltenen Zuspruch unter den anderen Mitgliedstaaten bekommen. Zudem könnte die von uns erwartete Verlangsamung des Wirtschaftswachstums den Reduktionsprozess der durchschnittlichen Staatsverschuldung im Euroraum unterbrechen. Diese lag Ende 2017 bei 86,7% des BIP im Gegensatz zu 89% des BIP Ende 2016 erreichte, ergänzt die Expertin.

Vor diesem Hintergrund wird die EZB Vorsicht walten lassen und versuchen, einen Anstieg sowohl der kurzfristigen, als auch der langfristigen Zinsen zu verhindern. Wie schon in der Vergangenheit oftmals geschehen und wie angekündigt, dürfte sie Massnahmen ergreifen, um die Zinsaufschläge für Italien und die weiteren Länder im Süden der Eurozone zu begrenzen. Die politische Instabilität und die deutsch-französischen Spannungen, die sich womöglich aus den Anhebungen bestimmter Zölle auf US-Importe ergeben, könnten einen Abwärtsdruck auf die Renditen deutscher Staatsanleihen bewirken.

Anhaltende Spannungen zwischen China und den USA
Die angedrohten und erfolgten Anhebungen von Importzöllen sind eher als Trümpfe im Verhandlungspoker denn als Auftakt für einen protektionistischen Handelskrieg zu verstehen. Tatsächlich bestehen einige der amerikanischen Hauptforderungen in der Steigerung der US-Exporte zur Verringerung des amerikanischen Handelsdefizits, der Achtung von Rechten am geistigen Eigentum und der Möglichkeit, auch ohne chinesischen Partner in China Geschäfte zu betreiben, um den Technologietransfer einzudämmen. Das Ziel der Vereinigten Staaten ist somit eine Intensivierung des Handels und nicht dessen Einschränkung. Allerdings dürfte die amerikanische Steuerpolitik zu einem Anstieg der Einfuhren und damit zu einem immer grösseren Handelsdefizit führen, was die Spannungen zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten weiter befeuern dürfte, so die Expertin.

Ungleiche Wachstumsraten: mögliche Quelle von Instabilität
Lemoine zeigt auf, dass die Verbesserung des weltweiten wirtschaftlichen Umfelds auf eine allgemeine Zunahme der Verschuldung zurückzuführen ist. Die Notenbanken intervenieren weiterhin massiv, um die Preise von Vermögenswerten zu manipulieren und die Verschuldung zu fördern. Dies erhöht das Risiko einer Instabilität der Finanzmärkte. Sie warnt vor einem Auseinanderdriften des weltweiten Wachstums als einer der Ursachen erheblicher Zinsschwankungen.

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