DWS sieht grösstes Aufwärtspotenzial bei Schwellenländern

Stefan Kreuzkamp, CIO, Global CIO, Head of Active and Passive, DWS
Stefan Kreuzkamp, CIO, Global CIO, Head of Active and Passive, DWS

Die DWS ist zuversichtlich für die Entwicklung der Weltwirtschaft und der Kapitalmärkte im kommenden Jahr. Während in den USA, dem Euro-Raum und China das Wachstum zurückgehe, lege es in den Schwellenländern zu, prognostizierte CIO Stefan Kreuzkamp beim Kapitalmarktausblick des deutschen Vermögensverwalters.

28.11.2019, 11:34 Uhr

Redaktion: rem

"Das Wachstum wird zwar in einigen Regionen deutlich schwächer ausfallen, eine globale Rezession steht aus unserer Sicht aber nicht bevor», sagte Chefanlagestratege Stefan Kreuzkamp am Dienstag beim Kapitalmarktausblick des Vermögensverwalters in Frankfurt. Kreuzkamp sah sich auch rückblickend auf den vorsichtig konstruktiven Ausblick für dieses Jahr weitgehend bestätigt. Vor einem Jahr hatten noch die politischen Risiken um einen weiter exkalierenden Handelskonflikt zwischen den USA und China/Europa sowie die Unsicherheiten um Italien und den Brexit die Aussichten eingetrübt. Auch lag der Schatten einer Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums sowie die Ankündigung einer strafferen Geldpolitik der Zentralbanken über den Marktaussichten.

Abgeschwächte politische Risiken

Zum optimistischem Ausblick für 2020 trügen jetzt die weiter akkommodierende Geldpolitik der Notenbanken sowie die abnehmenden politischen Unsicherheiten bei. Die Märkte hätten bereits vieles positiv eingepreist. DWS schätzt nun die Risiken dieser Markttreiber als geringer ein. Mit Blick auf den Handelskonflikt zwischen den USA und China prognostizierte der DWS-Chefanlagestratege ein baldiges Erstrundenabkommen zwischen beiden Ländern. Damit würden die Strafzölle auf dem gegenwärtigen Niveau eingefroren und eine Anhebung am 15. Dezember ausgesetzt. "Eine weitere Eskalation erwarten wir nicht, da bereits beide Volkswirtschaften schwerwiegende Folgen erlitten haben», sagte Kreuzkamp. So seien die chinesischen Exporte in die USA binnen Jahresfrist bereits um 53 Milliarden Dollar gesunken, was der stärkste Rückgang seit der Finanzkrise gewesen sei. Umgekehrt seien die Ausfuhren der USA nach China um 33 Milliarden Dollar gesunken. «Ungeachtet des erwarteten Erstrundenabkommens wird sich das Ringen beider Länder um die globale Technologieführerschaft aber fortsetzen», so Kreuzkamp.

Auch der politische Gegenwind aus Europa wird nach Kreuzkamps Einschätzung nachlassen. So erwartet er bis zum ersten Quartal des kommenden Jahres eine Einigung zwischen der EU und Italien auf ein Haushaltsdefizit von 2,2 Prozent für 2020 und die Vermeidung eines Defizitverfahrens gegen das Land. Mit Blick auf den Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich am 12. Dezember nannte er eine Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent für ein "Hung Parliament», also ein Ergebnis ohne absolute Regierungsmehrheit. Damit liege die Wahrscheinlichkeit, dass es gar nicht zu einem Brexit kommt, bei 45 Prozent, für einen "weichen Brexit» – beispielsweise mit EU-Zollunion oder Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum – bei 15 Prozent.

Keine weiteren Zinssenkungen der Fed und der EZB erwartet

Einen plötzlichen Anstieg der Inflation erwartet Kreuzkamp nicht, weshalb sowohl die Federal Reserve als auch die Europäische Zentralbank (EZB) die akkommodierende Geldpolitik fortsetzen und die Bilanzen anhaltend ausweiten könnten. "Weitere Zinssenkungen sehen wir aber von beiden Notenbanken nicht, da solche Schritte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Wirtschaft mehr haben dürften. Die Geldpolitik hat in dieser Hinsicht ihre Grenzen erreicht», sagte Kreuzkamp. Auch eine Gefälligkeitszinssenkung für Donald Trump vor den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr schloss er aus.

Das Wachstum der Weltwirtschaft werde 2020 voraussichtlich auf dem Vorjahresniveau von 3,1 Prozent stagnieren. Für die USA prognostizierte der Chefanlagestratege eine Verlangsamung der Expansion auf 1,6 von 2,2 Prozent. Für den Euroraum stellte er einen Rückgang auf 0,9 von 1,1 Prozent in Aussicht. Angesichts des Verschuldungsgrads der meisten Länder im gemeinsamen Währungsgebiet rechne man nicht mit wirkungsvollen Konjunkturprogrammen. Lediglich Deutschland könne sich solche Massnahmen leisten, mit steigenden Sozialausgaben und der teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags betreibe das Land gemessen an den eigenen Standards aber bereits eine expansive Wirtschaftspolitik, sagte Kreuzkamp.

In China erwartet er zwar stehe zwar keine "harte Landung", aber ein Rückgang des Wachstums auf 5,8 von 6,2 Prozent. Gegen diesen Trend sei in den Schwellenländern, auf die 2020 ein Anteil von 60 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entfallen werde, eine Beschleunigung des Wachstums auf 4,4 von 4,2 Prozent zu erwarten.

Anleihemärkte: Kaum Rendite ohne grössere Risiken

"Mit Blick auf die Anleihemärkte gehen wir davon aus, dass die Renditen länger niedrig bleiben werden und dass Anleger daher grössere Risiken eingehen müssen, um positive Erträge zu erwirtschaften», sagte der Chefanlagestratege der DWS. Risikoadjustiert seien derzeit vor allem Euro-Unternehmensanleihen von Emittenten mit Investment-Grade-Bonität besonders attraktiv. «Diese Papiere profitieren nicht nur davon, dass Investoren wegen der negativen Renditen bei Staatsanleihen Mittel in Schuldtitel von Unternehmen umschichten, sondern auch von der Nachfrage durch die Anleihekaufprogramme der EZB», sagte Kreuzkamp. Auch Unternehmensanleihen asiatischer Emittenten komme der gestiegenen Risikoappetit der Investoren zugute, zumal in diesen Papieren bereits sehr viel an Negativem eingepreist sei.

Für die Aktienseite prognostizierte Kreuzkamp eine Unterstützung der Kurse durch die erwartete nachlassende Intensität im Handelsstreit sowie durch die prognostizierte Erholung des Gewinnwachstums der Unternehmen. Für die USA stellte er für 2020 einen Anstieg des Gewinns je Aktie um fünf Prozent in Aussicht, für Europa eine Zunahme um sechs Prozent und für die Schwellenländer ein Plus von neun Prozent. Das grösste Aufwärtspotenzial verortete er dann auch an den Börsen in Europa und den Schwellenländern, da die Kurse dazu tendierten, dem Gewinnwachstum zu folgen.

Mit Blick auf einzelne Sektoren rät DWS, dass Anleger Aktien aus dem Immobilien- und Versorgersektor untergewichten sollten, Papiere aus dem IT- und globalen Finanzsektor hingegen übergewichten. Als einen Grund für die Empfehlung zur Untergewichtung der als anleiheähnlich geltenden Titel aus dem Versorgersektor nannte Kreuzkamp einen erwarteten leichten Renditeanstieg. Daneben stelle aber auch der Klimawandel ein Risiko für das Geschäftsmodell von vielen Unternehmen in diesem Sektor dar.

Nachhaltigkeit als Kern des Handelns

«Allerdings werden auch zehn Prozent der Versorger vom Klimawandel profitieren, etwa die Anbieter erneuerbarer Energien», ergänzte Petra Pflaum, Chefanlagestrategin für nachhaltiges Anlegen (environmental, social and corporate governance – ESG) und Co-Leiterin für Aktien in der EMEA-Region bei der DWS. Ein Investmentprozess, bei dem Unternehmen auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells überprüft werde, sei daher nicht nur dazu geeignet, Risiken zu vermeiden, sondern auch Chancen zu nutzen. Zwar werde bei bestimmten ESG-Strategien wie "ESG Best-in-class» das Universum der für Investments zur Verfügung stehenden Unternehmen teils deutlich verkleinert. "Die Vergangenheit hat aber klar gezeigt, dass die Wertentwicklung dadurch nicht niedriger und die Volatilität nicht höher wird», sagte sie. Vielmehr könne die durch einen Nachhaltigkeitsfilter gewonnene ESG-Information sogar als Frühwarnsystem für die Unternehmensgewinne dienen, weshalb die DWS immer mehr dieser Kriterien in ihren Investmentprozess integriere.

Darüber hinaus zeigte Pflaum auch die anstehenden Regulierungen auf, welche auf das Investment Management einschneidenden Einfluss nehmen werden. "Wir sind fest davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit kein Trend ist, der irgendwann wieder verschwinden wird, sondern Kern unseres Handelns, um auch in Zukunft erfolgreich für unsere Investoren zu sein», fasste Chefanlagestratege Kreuzkamp zusammen.

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