Keine eindeutigen Signale aus den USA und Europa

24.06.2008, 10:02 Uhr

Das internationale Konjunkturwachstum in der jüngsten Vergangenheit eindeutig an Schwung verloren. Allerdings fiel die Verlangsamung weniger drastisch aus, als vielerorts befürchtet wurde. Namentlich in den Schwellenländern ist das Wachstum noch immer kräftig. Während sich die Wirtschaftstätigkeit in der Euro-Zone nach wie vor positiv entwickelt, hat sie in den USA nachgelassen. Zu einem Einbruch ist es jedoch nicht gekommen. Sollte der Erdölpreis seinen Höhenflug fortsetzen, könnte er der Weltwirtschaft allerdings einen massiven Dämpfer aufsetzen. Aufgrund der zurückhaltenden Kreditvergabepolitik der Finanzindustrie ist das Risiko zusätzlich gestiegen. Anton Brender, Chefökonom von Dexia Asset Management, erläutert welche Faktoren die wirtschaftliche Entwicklung während den kommenden Monaten beeinflussen wird.

In den USA hat sich das Wachstum insbesondere aufgrund der schrumpfenden Wohnbauinvestitionen und einem nachlassenden Konsum abgeschwächt. Gründe dafür sind unter anderem der hohe Erdölpreis sowie Wertverluste im Immobilienbereich. Der tiefe Dollarkurs, der mit einem weiterhin kräftigen Wachstum ausserhalb der USA einhergeht, erlaubte jedoch ein rapides Wachstum der USExporte. Im Verlauf der kommenden Monate dürften die wirtschaftlichen Anreize, die seit Anfang Mai umgesetzt werden, die Konjunktur stützen und eine allzu drastische Verringerung des Konsums vermeiden. Ferner dürften die von der Fed und der Regierung getroffenen Massnahmen, d.h. die Bereitstellung neuer Re- Finanzierungsmöglichkeiten und die Lockerung der Auflagen für die beiden weltgrössten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac, einen dramatischen Einbruch der Kreditvergaben verhindern. In diesem Umfeld könnte das Wachstum 2009 erneut nahezu 2 Prozent erreichen. Sollte sich der Immobilienmarkt jedoch nicht stabilisieren, könnte eine so genannte L-Rezession unausweichlich werden. Damit ist ein heftiger Wirtschaftsabschwung gemeint, der mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte andauern kann. Dieses Szenario würde dann eintreten, wenn die Immobilienpreise weiter sinken und sich das Risiko verschärfen würde, dass immer mehr Haushalte ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können. Gleichzeitig nimmt der Wert der Immobilien ab, was negative Auswirkungen auf die Vermögen hat und die Ausgaben bremst. Wir halten dieses Szenario derzeit zwar nicht für sehr wahrscheinlich. Dennoch sorgen der stetig steigende Erdölpreis und die strafferen Kreditbedingungen der Banken dafür, dass es realistischer wird.

Die Euro-Zone zeigte sich bis im Frühjahr 2008 gegenüber den Finanzmarktturbulenzen erfreulich widerstandsfähig. Seit einigen Monaten ist bei den Unternehmerbefragungen aber eine Trendwende zu beobachten. Genau wie in den USA schmälern steigende Rohstoffpreise die Kaufkraft der Haushalte. Die nach wie vor deutlich wachsende Zahl neuer Stellen dürfte aber eine allzu starke Konsumverlangsamung verhindern. Insbesondere dürfte die in Deutschland erwartete Beschleunigung die Verlangsamung in Spanien kompensieren. Die Wachstumsunterschiede zwischen den einzelnen Euro-Ländern würden sich dadurch eindeutig verringern. Insgesamt würde damit sowohl 2008 als auch 2009 ein Wachstum von nahezu 2 Prozent ausgewiesen. Bei hoher Inflation und einem Wachstum in diesem Rahmen würde die EZB die Leitzinsen dieses Jahr unverändert belassen. Die wichtigste Unwägbarkeit dieses Szenarios betrifft die Entwicklung der Rohstoffpreise und des finanziellen Umfelds (insbesondere die Straffung der Kreditbedingungen der Banken). Gegenüber diesen Bedrohungen ist Europa nicht gut gewappnet, der monetäre und noch viel mehr der budgetäre Spielraum sind eng.

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