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Emotionen sagen mehr als Zahlen

Bild: Thomas Klauer, Pixelio
Bild: Thomas Klauer, Pixelio

Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Verhaltensökonom Richard H. Thaler beschäftigt sich mit der Frage, wie unlogische Entscheidungsfindung die Wirtschafts- und Finanzmärkte beeinflusst. Philippe Denef, Lead Portfolio-Manager Quantitative Strategies bei Degroof Petercam AM, erklärt, wie sich Anleger den Behavioral Finance-Ansatz zu Nutze machen können.

01.11.2017, 10:17 Uhr

Redaktion: elt

Bis in die 1970er Jahre dominierten mathematische Theorien unser Verständnis für wirtschaftliche Abläufe. Die Mathematiker vertraten eine normative Weltanschauung und versuchten, die Wirtschaft auf der Grundlage von Idealvorstellungen zu gestalten. Als erwiesen galt, dass wirtschaftliche Akteure allgemein und Anleger im Besonderen logisch denken, sich rational verhalten und eine Nutzenmaximierung anstreben.

Ende der 1970er Jahre fand ein Meinungswandel statt, im Rahmen dessen viele Verhaltenspsychologen zu einem neuen wirtschaftstheoretischen Ansatz übergingen. Ihren Beobachtungen zufolge sind die meisten Investoren nicht in der Lage, dem Prinzip einer perfekt rationalen Entscheidungsfindung zu folgen. Sind sie beispielsweise mit einer komplexen Situation konfrontiert, wenden sie häufig Faustregeln an, die zum grossen Teil fehlerhaft oder unvollständig sind. Folglich werden oft auch irrationale Anlageentscheidungen getroffen. Diese lassen sich im Rahmen von Behavioral Value-Strategien wiederum gezielt nutzen.

Anlagefehler erkennen und vermeiden
Degroof Petercam Asset Management (DPAM) positioniert sich seit 2001 als Pionier für Investmentansätze, welche auf die Behavioral Finance-Philosophie basieren. Diese Anlagephilosophie beschäftigt sich mit der Frage, wie und warum Anleger durch Emotionen und kognitive Fehler beeinflusst werden. Behavioral Finance veranschaulicht die Gründe für die Fehlbewertung von finanziellen Vermögenswerten und falsche Anlageentscheidungen. Der Ansatz zeigt zudem auf, dass das Anlegerverhalten tendenziell planbar und berechenbar ist.

Der DPAM-Anlageprozess zielt darauf ab, langfristig höhere Renditen zu erzielen, indem das Potenzial von Bewertungsverzerrungen und Verhaltensschwächen, die Anlageentscheidungen beeinflussen, systematisch ausgeschöpft wird. Im Fokus stehen dabei Wert- und Momentumanomalien wie Selbstüberschätzung, Überrekationen oder übermässige Extrapolation, die im menschlichen Verhalten fest verwurzelt sind. In der Praxis werden aus dem Anlageuniversum zunächst Titel ausgefiltert, die das Ergebnis potenziell negativ beeinflussen können. Als Grundlage dafür dienen die Kursdynamik, die durch eine Änderung des Gewinns pro Aktie verursacht wird, und eine Auswahl von ESG-Kriterien (z.B. Nichtbeachtung des Global Compact der Vereinten Nationen oder der Handel mit illegalen oder umstrittenen Waffen).

Übertriebene Reaktionen pendeln sich ein
Das von DPAM angewandte Modell zur Berechnung der voraussichtlichen Rendite geht von einer Rückkehr übertriebener Bewertungen zum Mittelwert aus und trägt dadurch dazu bei, Fehler wie übermässige Extrapolation zu vermeiden. "Wir berechnen für die jeweiligen Aktientitel in unserem Anlageuniversum die voraussichtliche Rendite und legen dieser Berechnung die Annahme zugrunde, dass der Markt die eine Rückkehr zur "Normalität" nicht korrekt bewertet. Anleger und Analysten neigen dazu, über zu lange Zeit zu hohe Extrapolationen für Veränderungen in der Vergangenheit anzustellen", erklärt Denef. Anleger und Analysten gehen also davon aus, dass vergangene Entwicklungen zu stark und zu lange in der Zukunft fortbestehen. Durch übertriebene Reaktionen auf veraltete Informationen entstehen Über- oder Unterbewertungen. "Fakt ist jedoch, dass übertriebene Bewertungen – sei es nach unten oder nach oben – in der Regel zu ihrem Mittelwert zurückkehren", sagt Denef.

Das Modell berücksichtigt zudem die aktuelle Kursdynamik wie beispielsweise Ertragsänderungen, da Märkte und Anleger tendenziell unzureichend auf neue Informationen reagieren. Auch dies ist auf Verhaltensverzerrungen, wie Selbstüberschätzung und übertrieben feste Standpunkte zurückzuführen. Die zusätzliche Berücksichtigung der Dynamik trägt zur Optimierung des Timing von Kauf- und Verkaufsentscheidungen bei.

Optimale Zeitspannen und Wachstumssektoren identifizieren
"Wir ermitteln für jeden Wirtschaftszweig optimale Zeitspannen für den Wertpapierkauf und -verkauf, während hinsichtlich der Portfolioverwaltung ein disziplinierter Ansatz verfolgt wird", meint Denef. Aktienverkaufspositionen werden konsequent durch Aktienkaufpositionen ersetzt. Durch den Einsatz von Qualitätsfiltern wird eine Anlage in potenziell notleidenden Unternehmen, zum Beispiel mit hohem Kreditrisiko, schwachen Bilanzen, niedrigem ESG-Rating und schlechter EPS-Dynamik vermieden.

DPAM führt eine Relative Value-Prüfung für jeden Sektor und jeden Wirtschaftszweig durch. Erklärtermassen werden so auch Anlagechancen in Wachstumssektoren wie Software, Pharmazeutika und Luxusgüter identifiziert. Das Spektrum von Gelegenheiten ergibt sich anhand des Umfangs von Bewertungsabweichungen, die derzeit im Markt vorhanden sind. Im letzten Jahr waren diese Abweichungen zwar tendenziell rückläufig, der Abweichungsgrad liegt jedoch weiterhin über dem langfristigen Mittelwert. Das Spektrum an Gelegenheiten wird lediglich kleiner, wenn Abweichungen extrem niedrig ausfallen, wie beispielsweise im Jahr 2006, als die Standardabweichung unter ihrem Mittelwert lag. "Derzeit liegen wir weiterhin weit über diesem Stand", berichtet Denef.

Behavioral Finance gewinnt an Bedeutung und Visibilität
Lange Zeit wurde der Behavioral Finance-Ansatz als kontrovers und als ein Randbereich der Wirtschaftsforschung erachtet. Heute ist das Gegenteil der Fall. Behavioral Finance und Verhaltensökonomie werden immer mehr zur Regel und ihre Akzeptanz erhöht sich. Da Behavioral Finance die Portfoliokonstruktion unterstützt und zur Aufdeckung von Anomalien beiträgt, ist Denef davon überzeugt, dass Anleger künftig vermehrt bereit sein werden, diese Theorie zu ihrem Vorteil zu nutzen.

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