Déjà vu oder das Ende der Friedensdividende?

Die Fed dürfte die Zinsen an der nächsten Sitzung anheben, trotz der aktuellen Krisensituation. (Bild: Shuttersthock.com/orhan_cam)
Die Fed dürfte die Zinsen an der nächsten Sitzung anheben, trotz der aktuellen Krisensituation. (Bild: Shuttersthock.com/orhan_cam)

Geschichte muss sich nicht immer wiederholen. Der russische Einmarsch in die Ukraine zeige aber Ähnlichkeiten zu historischen Ereignissen, die als Orientierungshilfe zur Einordnung der aktuellen Situation dienen können. Das treffe auch auf das Verhalten der Notenbanken zu, sagt Shamik Dhar von BNY Mellon Investment Management in einem Rückblick auf die Jahre 1989 bis 1991.

09.03.2022, 16:31 Uhr

Redaktion: maw

Ein starkes Wachstum der Weltwirtschaft, das sich verschärfende Zinsumfeld, der Beginn eines Krieges und Sanktionen gegen geopolitische Mächte: An was erinnern diese Ereignisse? Das geschah in den Jahren 1989-91. Die Weltwirtschaft war robust, der Golfkrieg stand kurz vor dem Ausbruch und die Welt verhängte Sanktionen gegen den Irak wegen seiner Invasion in Kuwait und gegen China nach dem Tiananmen-Massaker.

Heute hat der Russland-Ukraine-Konflikt die meisten grossen Nationen der Welt dazu gebracht, sich gegen einen brutalen Autokraten (wie gegen Saddam Hussein im Irak) zusammenzuschliessen. "Der Welthandel ist in Aufruhr", sagt Shamik Dhar, Chief Economist von BNY Mellon Investment Management. Die Energiepreise schiessen in die Höhe. Die Welt verhängt harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland (wie sie es gegen den Irak getan hat).

Was macht eine Zentralbank im Fall solch turbulenter Ereignisse? Die US-Notenbank wird am 16. und 17. März die nächste Sitzung abhalten. Erwartet werde, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) die Zinsen anhebt, um die Inflation abzuschwächen. "Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse sind die Chancen auf eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte, die noch vor wenigen Tagen als wahrscheinlich galt, nahezu verschwunden", so Dhar.

Der Golfkrieg der 90er Jahre löste in den Vereinigten Staaten eine kurze Rezession aus. Zwischen Juli 1990 und März 1991 sank das BIP um 1,5%, die Arbeitslosigkeit erreichte einen Höchststand von 6,8%, die Ölpreise stiegen 1990 sprunghaft an und der S&P 500 Index stürzte zu Beginn des Krieges um fast 18% ab. Es dauerte 189 Tage, bis der Markt seine Verluste wieder aufgeholt hatte. Das weltweite Wirtschaftswachstum ging ebenfalls von 3,7% im Jahr 1989 auf 1,5% im Jahr 1991 zurück. Erst 1997 erreichte es mit 3,7% wieder die Wachstumsrate von 1989.

Fed ohne Spielraum

Als der Irak in Kuwait einmarschierte, stand die US-Notenbank vor einem Dilemma: entweder die Inflation bekämpfen – die 1990 bei 6,1% lag, und damit 1,5 Prozentpunkte mehr als 1989 – oder eine drohende Rezession verhindern. Sie entschied sich für eine Anhebung des Leitzinses. Als die von den USA angeführten Streitkräfte am 17. Januar 1991 in den Krieg gegen den Irak zogen, hatte die Fed die kurzfristigen Zinsen bereits sechsmal gesenkt, und zwar von 8,25% auf 6,75%.

Sechs Wochen nach Beginn des Krieges, als es zum Waffenstillstand kam, machten die Aktienindizes die zuvor erlittenen Verluste wieder wett – bevor der Krieg für beendet erklärt wurde. Die Rohölpreise fielen bis April wieder auf das Vorkriegsniveau zurück.

Als Folge der achtmonatigen Rezession, die im Juli 1990 begann, senkte die Fed die Zinsen weiter. Damals hatte die US-Notenbank den notwendigen Spielraum; der Leitzins lag bei 8,5%. Heute kann die Fed das nicht mehr tun, weil die kurzfristigen Zinssätze bereits nahe null sind.

"Unserer Meinung nach wird die Fed die Zinsen anheben, weil die Inflationserwartung – bis Ende Februar – markant auf 7,5% gestiegen ist und noch weiter steigen könnte", betont der Chief Economist. Die Energiepreise klettern in die Höhe und die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts belasten die Weltwirtschaft.

Ende der Friedensdividende?

Die entscheidende Frage sei nun, wie es für den Rest des Jahres weitergeht. Die Märkte waren der Meinung, dass eine Reihe von Zinserhöhungen erforderlich sein würde, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. "Wir dachten, dass sich die kurzfristigen Realzinsen angesichts des Ausmasses des Inflationsschocks in den positiven Bereich bewegen müssten", sagt Dhar. Der Russland-Ukraine-Konflikt habe diese Debatte neu entfacht. Wenn man sich aber an das Verhalten in den Jahren 1989-91 zurückbesinne, dann könnte es sein, dass die Fed die Zinsen noch eine Weile anheben werde.

Es sei daran erinnert, dass die Jahre 1989-91 aus einer Reihe anderer Gründe von zentraler Bedeutung für die Weltgeschichte waren: Es war die Zeit des Berliner Mauerfalls und der deutschen Wiedervereinigung. Die Sowjetunion löste sich auf, ebenso der Warschauer Pakt. Eine direkte Folge der Volksaufstände der "samtenen" Revolutionen in Osteuropa (Polen, Ungarn, Tschechoslowakei usw.).

Geopolitisch gesehen begann 1990 eine intensive Phase der Globalisierung, und die Staatshaushalte profitierten von der Friedensdividende, da die Senkung der Rüstungs- und Verteidigungsausgaben als Folge der Abrüstungsverträge nach Ende des Kalten Krieges diese entlastete. "Das Jahr 2022 könnte nun das Ende dieser Friedensdividende einläuten", meint Dhar abschliessend.

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