16.12.2024, 16:34 Uhr
Die US-Wahl und die Ankündigung von Robert F. Kennedy Jr. als neuer US-Gesundheitsminister haben den Healthcare-Sektor aufgerüttelt. Während steuerliche Erleichterungen und regulatorische Lockerungen Innovationen...
Der chinesische Gesundheitssektor ist zu einer Schlüsselindustrie für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes aufgestiegen. Die Gesundheitsindustrie hat laut Remo Krauer von Bellevue seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie nochmals deutlich an Qualität gewonnen und sich noch stärker international ausgerichtet. Dadurch habe die Branche auch an Attraktivität für die Investoren gewonnen.
"Der chinesische Gesundheitssektor hat seine regulatorische Umgestaltung bereits seit Jahren hinter sich. Innerhalb der letzten sieben Jahre wurden die klinischen Studien und Zulassungsverfahren an internationale Standards angeglichen. Zugleich vergrössern die von den Regierungsbehörden zentralisierten Einkäufe bei Generika den finanziellen Spielraum bei den staatlichen Förderprogrammen für innovative Therapien. Der im letzten Jahr von der Kommunistischen Partei verabschiedete 14. Fünfjahresplan definiert ein innovatives Gesundheitswesen als Kernelement einer technologisch unabhängigen Volkswirtschaft", erläutert Remo Krauer, Senior Portfolio Manager des Bellevue Healthcare Asia Pacific Fonds.
Die Fakten untermauern seiner Ansicht nach, dass Chinas Gesundheitsindustrie zu einem ökonomischen Schlüsselfaktor geworden ist. Schätzungen gehen davon aus, dass der Sektor in den nächsten Jahren im Schnitt um 10% bis 12% und damit doppelt so stark wie das chinesische Bruttoinlandsprodukt wachsen wird. Eine treibende Kraft ist die demografische Entwicklung. Im Jahr 2050 wird sich der Anteil der über 60-Jährigen in China auf rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung erhöht haben.
Zeitgleich steigt mit dem Wohlstand der stark wachsenden Mittelschicht das Bedürfnis nach einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. "Um die Bevölkerung zufriedenzustellen, räumt die regierende Kommunistische Partei dem Ausbau einer unabhängigen und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung eine hohe Priorität ein. Entsprechende geld- und fiskalpolitische Stimuli fördern diese Entwicklung", so Krauer. Während die US-Notenbank mit drei Zinserhöhungen in diesem Jahr rechne, gehe China mit geldpolitischen Lockerungen aktuell den entgegengesetzten Weg.
Laut dem Portfolio Manager bedeuten die Aufholeffekte der Gesundheitsversorgung in China in der Praxis zweierlei: Zum einen bleiben der Zugang und die Bezahlbarkeit von Medikamenten und Dienstleistungen ein zentrales Element der Regierungspolitik. Zum anderen sorgen die verbesserten Rahmenbedingungen dafür, dass China bei der Entwicklung von innovativen Therapien gegenüber dem Westen und hier vor allem den USA immer stärker aufholt. So veröffentlicht China hinter den USA mittlerweile die meisten wissenschaftlichen Publikationen über Biotechnologie.
Krauer weist auf aktuelle Schätzungen von Bernstein Research und Evaluate Pharma hin, die für Chinas Medikamentenmarkt von 2018 bis 2023 ein jährliches Wachstum von im Schnitt 14% auf ein Gesamtvolumen von umgerechnet USD 166 Mrd. erwarten. Im selben Zeitraum wird sich der Anteil der Originalmedikamente mit Patentschutz am Gesamtumsatz von 40% auf 64% erhöhen. Diese Zahl verdeutliche am stärksten, dass China bei der Qualität der Medikamentenentwicklung den Wandel von "Wachstum zuerst" zu "Qualität zuerst" längst vollzogen hat.
"Hand in Hand gehe dieser Fortschritt mit den zunehmenden Kooperationen. Immer mehr werden chinesische Biotechfirmen für internationale biopharmazeutische Unternehmen zum Partner der Wahl für den Markteintritt in China, was die Entwicklung, Zulassung und Vermarktung von Arzneien angeht", sagt Krauer. So habe sich von 2018 bis 2021 die Zahl der an internationale Firmen auslizenzierten Wirkstoffe aus chinesischen Laboren von 37 auf 83 klinische Kandidaten erhöht. Im Gegenzug sei die Zahl der nach China einlizenzierten Substanzen von 3 auf 21 gestiegen. Verglichen etwa mit den Allianzen zwischen Firmen aus den USA und Europa seien das noch niedrige Zahlen. Die Richtung weise jedoch den Weg für dieses Jahrzehnt.
Werfe man einen Blick darauf, in welchen Krankheitsfeldern China mit aussichtsreichen klinischen Produkten am schnellsten aufgeholt hat, heben sich laut Krauer vier Indikationen ab: In der Krebsmedizin hätten chinesische Biotechs unter den neuen Therapieansätzen bei den Immuntherapien, bispezifischen Antikörpern und mit Chemoadjuvantien verstärkten Antikörpern (ADCs) Fortschritte erzielt. Dasselbe gelte für die Zell- und Gentherapien. In der Diabetesbehandlung, die in China zu einem immer grösseren medizinischen Problem werde, gewinnen lokale Anbieter Marktanteile. Und schlussendlich entwickelten und produzierten chinesische Firmen Impfstoffe, Antikörper und antivirale Therapien gegen Covid-19. Um die regulatorischen Auflagen für eine US-Zulassung zu erfüllen, gingen Firmen dazu über, neben chinesischen Patientendaten auch Daten aus internationalen klinischen Studien einzubeziehen, so Krauer.
Legend Biotech ist laut dem Portfolio Manager ein Paradebeispiel für eine chinesische Biotechfirma, die vor dem grossen internationalen Durchbruch steht. Am 28. Februar werde die Stellungnahme des FDA-Fachgremiums für die Zulassung einer zellbasierten CAR-T-Therapie bei multiplem Myelom erwartet. Aufgrund der in den klinischen Studien gezeigten hohen Wirksamkeit könnte das Präparat als erstes Produkt aus China zur Erstlinienbehandlung in dieser aggressiven Blutkrebsform avancieren, meint er.
Aus der zunehmenden Reife des chinesischen Gesundheitssektors ergeben sich nach Ansicht Krauers attraktive Anlageopportunitäten. Aktuell notieren die Bewertungen auf Tiefständen, denn ungeachtet der starken Fundamentaldaten bei den meisten Unternehmen sei der Sektor 2021 im Zuge des allgemeinen Ausverkaufs bei chinesischen Aktien mit in die Tiefe gezogen worden. Marktzulassungen wie möglicherweise bald bei Legend würden die chinesische Biotechindustrie in den nächsten Jahren immer stärker in den Blickpunkt der internationalen Investoren rücken, ist er überzeugt. "Mit unserer langjährigen Expertise in den Schwellenländern identifizieren wir für unsere Fonds in asiatischen Gesundheitsmärkten wie China frühzeitig die Gewinner von morgen", betont Krauer.