EZB-Anleihekaufprogramm noch auf Kurs?

Bild: Allianz GI/Fondstrends
Bild: Allianz GI/Fondstrends

Kann die EZB ihr Anleihekaufprogramm wie geplant umsetzen? Angesichts des jüngsten Renditeanstiegs scheinen Sorgen um eine Verknappung des erwerbbaren Staatsanleiheuniversums oberhalb des EZB-Einlagesatzes vorübergehend abgeklungen zu sein – die jüngste Korrekturphase erleichtert die technische Umsetzung des Kaufprogramms. Der jüngste QE-Monitor von Allianz Global Investors – eine regelmässige Analyse des Fortschritts des Anleihekaufprogramms der EZB unter Berücksichtigung des allgemeinen Marktumfelds – aber zeigt, dass Engpässe weiterhin möglich sind.

01.06.2015, 15:43 Uhr

Redaktion: dab

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine quantitative Lockerung (Quantitative Easing, QE) in beträchtlicher Grössenordnung auf den Weg gebracht. Das Kaufprogramm für Euro-Staatsanleihen soll mindestens so lange andauern, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Verbesserung der Inflationsentwicklung erkennt – in Einklang mit dem Ziel einer mittelfristigen Inflationsrate von knapp 2 %. Die EZB agiert dabei innerhalb selbst auferlegter Beschränkungen; die Kriterien für das PSPP (Public Sector Asset Purchasing Programme) umfassen:
1. Restlaufzeit von zwei bis zu 31 Jahren
2. Rendite oberhalb des Einlagensatzes der EZB (von aktuell -0,2 %)
3. Maximal 33 % der ausstehenden Schuldtitel eines Emittenten bzw. 25 % einer einzelnen Emission.

Gewisse Zweifel machen sich breit, ob die EZB ihr QE-Programm in seiner jetzigen Form bis September 2016 durchhält. Entweder könnte sich das programmfähige Anleiheangebot erschöpfen oder die bis dahin möglicherweise erzielten Erfolge im Hinblick auf Konjunkturbelebung und Inflationserwartungen werden vorzeitig erreicht. Bei Staatsanleihen hoher Bonität lässt die ultralockere Geldpolitik Negativrenditen zum „Normalfall“ werden. Ein Zehntel der PSPP-fähigen Staatsanleihen aus dem Euroraum weisen eine negative Rendite auf. Angesichts des jüngsten Renditeanstiegs scheinen Sorgen um eine Verknappung des erwerbbaren Staatsanleiheuniversums oberhalb des EZB-Einlagesatzes vorübergehend abgeklungen zu sein – die jüngste Marktkorrekturphase erleichtert die technische Umsetzung des Kaufprogramms.

Mauro Vittorangeli, CIO conviction fixed income Europe bei AllianzGI sagt: „Die Frage ist: handelt es sich hierbei um eine temporäre Korrektur oder um einen nachhaltigen Renditeanstieg? In den USA werden wir wahrscheinlich im September die erste Leitzinsanhebung nach sieben Jahren Nullzinspolitik sehen. In der Eurozone liegen die Dinge jedoch anders. Die letzten Wochen haben gleichwohl gezeigt, dass der Einfluss von QE keine Einbahnstrasse ist. In diesem Umfeld ist es für einen Anleihen-Portfoliomanager enorm wichtig, im Hinblick auf die Duration flexibel und selektiv agieren zu können.”

Wird die EZB zum Opfer des eigenen Erfolgs?
Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die monatlichen Anleihekäufe der EZB in der Realwirtschaft ankommen:

  • steigende langfristige Inflationserwartungen,
  • schwächerer Euro-Wechselkurs,
  • allmähliche Belebung der Kreditvergabe ausgehend von niedrigen Niveaus.


Vittorangeli sagt: „Aktuell hat die EZB keinen Grund, das QE-Programm zu verändern. Allerdings könnte sich die Diskussion über Anpassungen des Programms intensivieren, wenn der Konjunkturaufschwung unerwartet kräftig ausfällt oder sich die Inflationserwartungen besser als erwartet entwickelt. Je mehr sich in den kommenden Monaten der Trend zu positiven Inflationsraten verfestigt, desto mehr dürften sich die Marktteilnehmer darüber Gedanken machen, ob das Anleihekaufprogramm reduziert werden könnte (Tapering). Wir halten jedoch zum jetzigen Zeitpunkt jegliche Veränderung des Programms für verfrüht, und EZB-Präsident Draghi hat sich sehr eindrücklich dazu geäussert. Unser Basisszenario bleibt, dass die EZB unverändert an ihren Planungen bis September 2016 festhält. Die Ratssitzung am 3. Juni dürfte die EZB dazu nutzen, noch einmal zu betonen, dass die jüngsten makroökonomischen Prognosen auf Basis einer vollständigen Umsetzung aller seit Juni 2014 entschiedenen Massnahmen berechnet wurden.”

Achtung: Anleihe-Angebot
Aktuell stehen wachsender Konjunkturoptimismus, steigende Inflationserwartungen und die nahende US-Leitzinswende als Renditetreiber einem Nachfrageüberhang im Umfeld des EZB-Ankaufprogramms gegenüber. Ann-Katrin Petersen, Global Investment Strategist bei AllianzGI und Autorin des QEMonitors, erläutert, dass es zu Engpässen in der Umsetzung des EZB-Programms kommen kann: „Am Repo-Markt spiegelt sich das wachsende Missverhältnis von geringem Angebot und hoher Nachfrage nach hochwertigen Sicherheiten wie z.B. Bundesanleihen jedoch nach wie vor wider. So rutschten die Repo-Zinssätze zuletzt sogar noch tiefer in den negativen Bereich. Auch wenn die EZB die Möglichkeit der Wertpapierleihe eingeführt hat, um dem entgegen zu wirken, könnten diese Knappheiten den Anstieg der Renditen von Euro-Staatsanleihen behindern. Und wer will überhaupt an die EZB verkaufen? Der EZB dürfte es schwerfallen, jeden Monat Staatsanleihen im Wert von 40-45 Mrd. Euro zu erwerben, wenn die die Märkte zunehmend illiquider werden und immer weniger Marktteilnehmer bereit sind zu verkaufen. PSPP verleitet Marktteilnehmer eher dazu, programmfähige Anleihen zu halten und nicht zu verkaufen (z.B. im Verbindlichkeitsmanagement von Versicherungsunternehmen). Gerade Banken, die eine wichtige Investorengruppe darstellen, dürften aufgrund von regulatorischen Gründen oder zur Stabilisierung ihres Liquiditätspuffers (Liquidity Coverage Ratio) tendenziell an ihren Papieren festhalten.”

Vorbereitungen für einen trockenen Sommer
Auch wenn der Markt für Euro-Staatsanleihen derzeit anfällig für höhere Schwankungen scheint, dürfte eine Rückkehr zu Anleiherenditen nahe der nominalen Wachstumsraten in nächster Zeit unwahrscheinlich sein. Die immensen Anleihekäufe der EZB verzerren die Preise am gesamten Euro-Rentenmarkt. Insbesondere deutsche Bundesanleihen bewegen sich auf ambitionierten Bewertungsniveaus. Die Bewertungsproblematik spiegelt sich in erster Linie in den niedrigen bzw. teilweise sogar negative Renditen am Geld- und Rentenmarkt wider. Die EZB dürfte von ihrem Spielraum innerhalb des QE-Programms Gebrauch, eine Änderung des Programms selbst scheint dagegen unwahrscheinlich. In diesem Kontext ist die Strategie der EZB zu sehen im Vorfeld der illiquiden Sommermonate Anleihekäufe vorzuziehen und somit saisonale Besonderheiten im Marktverhalten abzufedern.

Über den AllianzGI QE-Monitor
Der QE-Monitor von AllianzGI untersucht regelmässig den Fortschritt des Anleihekaufprogramms der EZB unter Berücksichtigung des allgemeinen Marktumfelds. „Ko-Investments in Anlehnung an die Zentralbank gleichen einer ‘Reise nach Jerusalem‘. Es empfiehlt sich daher, die Entwicklung der Ankäufe weiterhin genau im Auge zu behalten, um frühzeitig tatsächliche Knappheitsprobleme bei programmfähigen Anleihen identifizieren und Hinweise auf eine Rückführung oder ein vorzeitiges Ende der Käufe (Tapering) antizipieren zu können”, sagt Ann-Katrin Petersen.

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