22.08.2022, 11:16 Uhr
Abrdn-CEO Stephen Bird hat angekündigt, mehr als 100 "nicht zum Kerngeschäft gehörende, untergeordnete oder doppelte" Fonds zu schliessen oder zusammenzulegen. Das kündigte er letzte Woche an einer...
Die deutsche Wählerschaft hat entschieden: Ampel und Jamaika sind die wahrscheinlichsten Koalitionen, rot-rot-grün ist vom Tisch. Anlageexperten rechnen mit überschaubaren Marktbewegungen ohne extreme Ausschläge.
Die Deutschen haben gewählt. Nicht extrem, sondern eher mittig. Doch was sie genau bekommen werden, wird noch lange unklar bleiben, auch wenn sich die Regierungsoptionen auf die Ampel (SPD, Grüne, FDP); Jamaika (CDU/CSU, Grüne, FDP) und den Fortbestand der grossen Koalition (GroKo) verengt haben. "Unserer Meinung nach dürfte die Ampel die grösste Wahrscheinlichkeit auf Erfolg haben, jedoch nicht allzu weit gefolgt von Jamaika. Der Fortbestand der GroKo halten wir für relativ unwahrscheinlich", sagt Martin Moryson, Chefsvolkswirt Europa von DWS. Leicht dürften die Koalitionsverhandlungen zwischen drei, oder gar vier Parteien (CDU und CSU getrennt gezählt) allerdings nicht verlaufen.
Die Anlegerinnen und Anleger dürften das Wahlergebnis leicht positiv, aber auch etwas zwiespältig aufnehmen. Einerseits mögen sie keine Unsicherheit. Und die Unsicherheit, welcher Kanzler und welche Koalition Deutschland in den nächsten vier Jahren regieren wird, könnte einige Monate anhalten. Andererseits dürften die Anleger auch beruhigt sein, dass die äusseren Ränder des Parteienspektrums zum Teil deutlich verloren haben (Die Linke minus 4,3%, die AfD minus 2,3%).
Eine von den Aktienmärkten sicherlich kritisch beäugte rot-rot-grüne Koalition ist damit vom Tisch", sagt Moryson. Es reiche auch nicht für eine Koaltion der bürgerlichen Mitte aus Union und FDP, was eventuell von den europäischen Anleihenmarkt mit gewisser Erleichterung aufgenommen werden dürfte, da dieser Konstellation die geringste Ausgabenfreude und Schuldentoleranz, auch hinsichtlich Europa, attestiert worden wäre.
Mit Blick auf die wahrscheinlicheren Koalitionen überlgt sich Moryson Folgendes: "Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden Grüne und FDP an der Regierung beteiligt sein, was unserer Meinung nach zumindest für gewisse politische Veränderungen sorgen könnte." Keine der beiden Parteien stehe für ein "Weiter so". Der Klimawandel dürfte das Kernthema für die kommenden Jahre sein. Mit den Grünen wäre dann eine Partei an der Macht, die dieses Thema gross gemacht habe. Ein Zurückfallen hinter die vereinbarten Ziele wäre wohl ausgeschlossen.
Den ökologischen Wandel auch ökonomisch vernünftig voranzutreiben, könnte sich die FDP auf die Fahnen schreiben. Laut Stephanie Kelly, Senior Political Economist von Abrdn (vormals Aberdeen Standard Investments) besteht die grösste Herausforderung darin, die politischen Differenzen zwischen den Grünen und der FDP in Fragen wie der Schuldenbremse, Steuererhöhungen und Staatsausgaben zu überwinden. "Während sie sich bei den Kernthemen wie Digitalisierung und grüne Investitionen einig sind, müssen sie einen Mittelweg finden, wie die Regierung die Ausgaben tätigt und finanziert. Der Teufel steckt also im Detail eines jeden Koalitionsabkommens", so die Expertin.
Von der Erleichtung über das Ausbleiben eines extremen Wahlergebnisses abgesehen, könnte das Wahlergebnis vor allem dann für Nervosität sorgen, wenn es zu einer Häufung von Krisenmomenten kommt, die auf ein Machtvakuum in Berlin stossen würde. Dass dürfte vor allem aus der Perspektive von ausländischen Investoren gelten, die mit monatelangen Koalitionsverhandlungen fremdeln dürften, während Angela Merkel vielerorts als Garant von Stabilität gesehen wurde.
"Ansonsten sollten die Reaktionen der einzelnen Anlagenklassen aufgrund der Ungewissheit und der wahrscheinlich ohnehin nur graduellen Veränderungen sich sehr im Rahmen halten", meint Moryson von DWS. Auch die deutschen Finanzmärkte dürften schon bald wieder ihre Impulse vom Weltgeschehen, das vor allem von den USA und China bestimmt werde, dominiert werden. Im Anleihenmarkt dürfte der Grundtenor der Kontinuität, der vom Wahlergebnis ausgeht, bestenfalls zu einer leicht positiven Lesart führen.
Lale Akoner, Senior Marktstrategin von BNY Mellon Investment Management sieht das ähnlich wie Moryson: "Eine Ampelkoalition könnte zu einer wesentlichen Änderung des politischen Regimes und zu höheren Haushaltsausgaben führen – eine deutliche Abweichung von Merkels sparsamer Ära."Der Bundesanleihemarkt habe in den letzten fünf Wochen stark auf die Ampelkoalition gesetzt. Die Rendite 10-jähriger deutscher Staatsanleihen ist von -0,50% am 20. August auf -0,23% am Freitag, 24. Septmeber gestiegen. "Andererseits erwarten wir im Falle einer grossen Koalition – CDU/CSU + SPD – keine so bedeutenden Veränderungen wie in der Ära Merkel", so Akoner. Das gelte auch für eine Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP. "Wir gehen davon aus, dass die Anleihemärkte weiter steigen werden, wenn diese beiden Ergebnisse in Zukunft wahrscheinlicher werden."
Die Erleichterung über die Vermeidung extremerer Optionen dürfte, wenn überhaupt, sich im Aktienmarkt positiv niederschlagen. Insbesondere, wenn sich eine Entwicklung in Richtung einer Jamaika Koalition andeuten würde. Zusammen mit der jüngsten Erweiterung des Dax auf 40 Mitglieder ergäbe sich hieraus noch am ehesten so etwas wie ein frischer Impuls.
Für die deutsche Immobilienwirtschaft könnte es aber einen deutlichen Unterschied machen, ob Ampel oder Jamaika das Rennen machen, da SPD und Grüne gleichermassen mit einer weiteren Regulierung des Wohnungsmarktes liebäugeln. "Es wird sich zeigen müssen, ob dies bei der FDP als Verhandlungsmasse gesehen wird, wovon wir jedoch nicht ausgehen", sagt Moryson. Beim Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit habe die nächste Regierung aufgrund des starken Abschneidens der Grünen ein starkes Mandat einen weiteren grossen Schritt nach vorne zu machen.