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Weniger defensiv, dafür selektiv anlegen

Die Weltwirtschaft stehe unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken in einzelnen Ländern gegenüber. (Bild: Shutterstock.com)
Die Weltwirtschaft stehe unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken in einzelnen Ländern gegenüber. (Bild: Shutterstock.com)

Andrew Milligan von Aberdeen Standard Investments setzt im Jahr 2020 auf globale Aktien und globale Immobilienanlagen. In einen Umfeld von Niedrigzinsen bieten die beiden Anlageklassen die attraktivsten Renditen. Der Experte erwartet in den nächsten zwei Jahren eine Beschleunigung des Umsatzwachstum bei Unternehmen.

20.12.2019, 15:01 Uhr

Redaktion: maw

2019 hat sich bislang als gutes Jahr für die Aktien- wie auch die Anleihenmärkte erwiesen. Mit Blick auf die Zukunft dürften einige Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkte in den kommenden beiden Jahren attraktive Erträge erzielen, meint Andrew Milligan, gloabl Head of Strategy bei Aberdeen Standard Investments. Daher sollten Investoren ihre Barbestände anlegen und Umschichtungen aus defensiven Anlagen vornehmen, dabei aber selektiv vorgehen.

Ein sinnvoller Ausgangspunkt seien Bewertungserwägungen. Vor allem gelte dies für Aktienanleger. Die Aktienmärkte haben sich seit dem letzten Winter, als es infolge von Sorgen über den Handelsstreit zu einer vorübergehenden Verkaufswelle kam, schrittweise erholt. Die Schwellenländer und die paneuropäischen Märkte bleiben so lange attraktiv bewertet, wie die Anleger angesichts der Cashflows davon überzeugt sind, dass die Dividenden aufrechterhalten werden können. Für die meisten Staatsanleihenmärkte stellen die Bewertungen hingegen eine Belastung dar, sofern es nicht zu einer unerwarteten Rezession oder einem anderen wesentlichen Schock kommt, der umfassende Änderungen im Inflations- und Zinsumfeld nach sich zieht.

Niedrige Zinsen halten Wirtschaftsrisiken in Schach

"Was die wirtschaftlichen Risiken anbelangt, denen sich die Weltwirtschaft gegenübersieht, so blicken wir zunächst auf die unterschiedlichen Belange und Ungleichgewichte in den einzelnen Ländern", sagt Milligan. Zweifelsohne bereiten einige Faktoren Sorgen, darunter die Haushaltslage sowie die Verschuldung auf der Ebene des Staats und der Lokalregierungen in China, die Verschuldung der US-Unternehmen, die Schuldensituation in einigen Schwellenländern, die Immobilienmärkte in den Industrieländern, das von der Enge an den Arbeitsmärkten ausgehende Inflationsrisiko und der Margendruck bei kleineren Unternehmen. "Insgesamt halten wir diese Probleme aufgrund der sehr niedrigen Zinsen jedoch selbst angesichts des langsamen Wachstums für beherrschbar", so der Experte. Die Cashflows der Unternehmen seien weiterhin entscheidend, ebenso wie die Bereitschaft der Zentralbanken und Regierungen, bei Auftreten von Spannungen rasch zu reagieren.

Tatsächlich scheinen die makro- und geldpolitischen Risiken zum Jahreswechsel ausgewogener als noch im Sommer. Es könne zwar zu politischen und geopolitischen Schocks in Bezug auf den Brexit, den Handel zwischen den USA und China oder die Spannungen im Nahen Osten kommen. Positiv anzumerken sei aber, dass vor allem in Europa und Japan Anzeichen für eine potenziell expansivere Fiskalpolitik in den Jahren 2020-2021 auszumachen sind. Zentralbankvertreter wie Lagarde gingen sogar noch einen Schritt weiter und warnen vor der relativen Ineffektivität der Geldpolitik.

Cashflows als Haupttreiber

Eine Nebenwirkung der jüngsten geldpolitischen Lockerungsmassnahmen in den USA und vor allem in Europa betreffe den dadurch resultierenden Schwerpunkt auf "Renditen" als Faktor bei der Zusammenstellung erfolgreicher Portfolios, so Milligan. Versicherer und Pensionsfonds sehen sich mit den Auswirkungen negativ rentierender Anleihen im Umfang von 12 Billionen USD konfrontiert. Die Haushalte in Europa erleben negative Zinsen für ihre Bankeinlagen. Die Beweggründe für Equity-Income-Anlagen, Unternehmensanleihen und Immobilieninvestments seien offensichtlich – es werde ein Ertragszuwachs angestrebt, solange die künftigen Cashflows als ausreichend gelten, erläutert der Experte.

Die lockerere Fiskalpolitik stelle nur eine mögliche Antwort der Regierungen auf den populistischen Druck dar, der in zahlreichen Ländern zu beobachten ist – eine verstärkte Regulierung, Handelsprotektionismus, Verstaatlichung und nationale Champions sind weitere Lösungen, die weithin propagiert werden. Der Populismus resultiere aus Jahrzehnten mit schwachem Einkommenszuwachs, Sparzwang bei den öffentlichen Ausgaben und rückläufiger Arbeitsplatzsicherheit.

"2020 könnten sich dadurch weitere politische Turbulenzen in den Industrie- wie auch den Schwellenländern ergeben. Vorgezogene Neuwahlen in Deutschland und Italien sowie der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wären nur einige Beispiele. Eine offensichtliche Folge könnten vorübergehende Abschwünge an den Aktienmärkten von 10% oder mehr sein. Bedauerlicherweise sind die verschiedenen Anlageklassen in Zeiten erhöhter Risikoaversion stark miteinander korreliert. Daher kommt der Portfoliozusammensetzung eine immer grössere Bedeutung zu", betont Milligan.

Abgesehen von der Politik stellen die Cashflows der Unternehmen 2020 nach wie vor den Haupttreiber dar. "Wir gehen davon aus, dass die Gewinne hoch genug ausfallen werden, um die Dividendenerwartungen zu erfüllen, den Anstieg der Ausfallquote bei Unternehmensanleihen zu begrenzen und den von den meisten Immobilienanlegern geforderten Renditeaufschlag zu realisieren."

Besseres Umsatzwachstum für die nächsten beiden Jahren

Milligans Konjunkturprognosen sprechen für ein etwas besseres Umsatzwachstum im nächsten und eine weitere Beschleunigung im darauffolgenden Jahr. Dem spätzyklischen Margendruck dürfte mit Kostensenkungen, Produktivitätssteigerungen sowie Fusionen und Übernahmen zur Generierung von Skaleneffekten begegnet werden. Vereinfacht ausgedrückt bedeuten die in diesem Jahr vorgenommenen und für 2020 erwarteten geld- und fiskalpolitischen Lockerungsmassnahmen, dass sich das Rezessionsrisiko in Grenzen hält. Allerdings dürfe dieses auch nicht vernachlässigt werden, da die Gefahr politischer Fehler, wie zum Beispiel ein neuerlicher ausgewachsener Handelskrieg, bestehe.

"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir ein diversifiziertes Portfolio mit folgenden Merkmalen bevorzugen: Übergewichtung bei globalen Aktien - aufgrund der Wachstumsaussichten vor allem in den Schwellenländern und Japan-, Engagements bei globalen Immobilienanlagen angesichts der relativ attraktiven Rendite, insbesondere bei Büro-, Logistik- und Spezialimmobilien - aber nicht im Einzelhandelssegment, das in der Regel strukturellem Druck ausgesetzt ist - und ein selektives Vorgehen bei Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern sowie aus dem Investment-Grade- und Hochzinsbereich, worin der zunehmende Druck in einigen Ländern oder Sektoren wie Automobile und Energie zum Ausdruck kommt. Mit wachsendem Vertrauen in die Zukunft geben wir Schwellenländeranlagen sowohl im Aktien- als auch vor allem im Anleihensegment einen massvollen Vorzug vor Papieren aus den Industrieländern", fasst Milligan zusammen.

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