13.09.2021, 14:55 Uhr
Die Offenlegung von ESG-Informationen der chinesischen Unternehmen ist häufig unzureichend – gerade was die sozialen Aspekte betrifft. Das muss aber nicht heissen, dass keine soliden Prozesse und Massnahmen...
Die Fokussierung auf makroökonomische und politische Turbulenzen trübt für Investoren das Potential europäischer Aktien. Ben Ritchie von Aberdeen Standard Investments argumentiert, dass Investoren mehr Gewicht auf die unternehmensspezifische Performance legen sollten.
Internationale Investoren zogen 2018 mehr als 50 Milliarden Euro aus europäischen Aktien heraus, als sie auf die sich abschwächenden Wirtschaftsdaten auf dem gesamten Kontinent, die Unsicherheit über Brexit und die Sorgen um italienische Banken reagierten, so Ben Ritchie, Stellvertretender Leiter Europa, Europäische Aktien, Aberdeen Standard Investments (ASI). Die Anlegerpositionierung in Europa sei heute so untergewichtet wie seit der Eurokrise. Es sei verständlich, dass die Investoren vor einem möglichen wirtschaftlichen Abschwung zurückschrecken. In Zeiten wie diesen könne die europäische, politische und kulturelle Komplexität dazu beitragen, vorsichtig Gestimmte abzuschrecken, meint Ritchie. In einer Zeit, in der die US-Wirtschaft relativ robust bleibe und die Begeisterung für die Emerging Markets zunehme, würden sich viele Investoren dafür entscheiden, europäische Aktien als "zu schwierig" abzutun. Der Experte argumentiert jedoch, dass Anleger, die sich auf der Grundlage makroökonomischer Prognosen und politischer Bedenken für eine Untergewichtung europäischer Aktien entscheiden, Gefahr laufen, etwas zu verpassen.
Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der europäischen Aktienmärkte und dem Wachstum des EU-BIP sei geringer als erwartet, meint Ritchie. "Wenn man sich die Branchen- und Unternehmensebene ansieht, gibt es viele Unternehmen, die nur sehr begrenzt von der lokalen Wirtschaftsleistung abhängen. Unsere Analyse legt nahe, dass weniger als 25% der Aktienmarktrenditen der Eurozone durch das BIP erklärt werden können, während insgesamt weniger als 50% der Einnahmen börsennotierter Unternehmen aus der EU stammen." Betrachte man einzelne Branchen und Unternehmen, könne die Korrelation weiter sinken.
Die Aussichten der Sektoren, in denen Europa über viele weltweit führende Unternehmen verfügt, wie Gesundheitswesen, Technologie und Grundnahrungsmittel, stehen in einem sehr begrenzten Zusammenhang mit der inländischen Nachfrage, behauptet Ritchie. Stattdessen seien die Aussichten der Sektoren viel enger mit strukturellen Trends wie der Digitalisierung, einer alternden Weltbevölkerung oder dem steten Aufstieg der Mittelschicht verbunden. "Bei einem Unternehmen wie dem dänischen Novo-Nordisk, das weltweit führend in der Diabetesbehandlung ist, wird die finanzielle Performance nicht von kurzfristigen Wirtschaftsdaten bestimmt, sondern von der Bewältigung einer Gesundheitskrise, die durch langfristige Lifestyle-Trends verursacht wird."
Ritchie sieht die scheinbare Komplexität Europas als Markt für den erfahrenen Stock-Picker, der unterbewertete und übersehene Chancen erkennen kann, als grossen Vorteil. Denn in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit würden die Anleger oft zusätzlich vor der Komplexität des europäischen Marktes zurückschrecken. Verständlicherweise meint er, denn mit fast 20 Ländern in der Benchmark, viele mit ihrer eigenen Sprache, jedes mit seinen eigenen Kulturen, Gesetzen und labyrinthischen politischen Prozessen, habe der europäische Markt das Potenzial, noch mehr zu verwirren. Europa bleibe jedoch einer der tiefsten und liquidesten Aktienmärkte der Welt, und sein BIP ist in seiner Grösse nach China das zweitgrösste. Für erfahrene Bottom-Up-Aktienselektoren, die bereit seien, die makroökonomischen Verallgemeinerungen zu analysieren und nach divergierenden Erkenntnissen zu suchen, biete Europa eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die Komplexität, die andere abschreckt, berge das Potenzial für Fehlpreisbildung und attraktive Überrenditen, argumentiert Ritchie.
Ein aktives, fokussiertes Portfolio erlaube es nur solche Unternehmen zu besitzen, die eine überzeugende Rendite bieten. Der Experte erklärt: "Nur eine kleine Teilmenge des Marktes muss man besitzen, nicht den gesamten Index; eine Teilmenge aber, die Renditen liefern kann, die sich von der Benchmark deutlich unterscheiden." Die Bereitschaft, konzentrierte und wirklich aktive Portfolios zu betreiben, sei entscheidend, um sich auf eine fokussierte Bottom-up-Aktienauswahl zu konzentrieren und zu ermöglichen, dass die potenziellen Renditen noch weiter vom europäischen BIP und den europäischen Aktienmärkten abweichen. Ritchie ist der Überzeugung, dass im derzeitigen Umfeld ein besonderer Fokus auf Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen, starken Bilanzen und gut gemanagten Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken von Bedeutung sein wird.