13.09.2021, 14:55 Uhr
Die Offenlegung von ESG-Informationen der chinesischen Unternehmen ist häufig unzureichend – gerade was die sozialen Aspekte betrifft. Das muss aber nicht heissen, dass keine soliden Prozesse und Massnahmen...
Martin Gilbert, Chairman von Aberdeen Standard Investments, geht davon aus, dass wir uns an ein Umfeld mit geringerem Wachstum gewöhnen werden müssen, eine globale Rezession erwartet er aber nicht.
Der IWF hat in seinem jüngsten Bericht die Wachstumsprognose für 2019 auf 3% und damit auf den niedrigsten Stand seit der globalen Finanzkrise gesenkt. In den Industrieländern wird dieses Jahr ein Wachstum von 1,7% erwartet, nachdem 2018 noch +2,3% erreicht worden waren. Selbst für die von Martin Gilbert, Chairman von Aberdeen Standard Investment, favorisierte Region Asien wird lediglich ein Wachstum von 5% prognostiziert – der niedrigste Wert seit der globalen Finanzkrise. Asien bleibt aber dennoch die wachstumsstärkste Region weltweit und stellt mehr als zwei Drittel des globalen Wachstums. "Eine gebremste Wirtschaftsaktivität bleibt zweifellos nicht ohne Wirkung auf die Aktienerträge. Die Volatilität wird ebenfalls zunehmen, da der Effekt der geldpolitischen Stimulierungsmassnahmen – niedrige Zinsen und quantitative Lockerung –, welche die Marktpreise in den letzten zehn Jahren allgemein gestützt haben, nachlässt", sagt er.
Mit der Verlangsamung des Wachstums werden die Märkte laut Gilbert auch störungsanfälliger. Die Erschütterungen an den Börsen, die nach dem Angriff auf die grösste Ölraffinerie Saudi-Arabiens zu spüren waren, haben gezeigt, wie fragil die Stimmung ist. Bei einem Weltwirtschaftswachstum von 4% wären die Anleger wohl zuversichtlicher, dass ein Anstieg der Ölpreise zu verkraften ist, meint er. Bei einem Wachstum von 3% nehmen die Zweifel diesbezüglich zu. In den kommenden Monaten muss mit weiteren Turbulenzen dieser Art gerechnet werden. Für Gilbert ist klar: "In diesem Umfeld können aktive Manager ihr Können und ihren Wert unter Beweis stellen. Fundamentales Research und die richtige Titelauswahl gewinnen wieder an Bedeutung."
Ein besonderes Augenmerk muss auf etwaige Verwerfungen und den Einfluss neuer Marktakteure in den verschiedenen Branchen gelegt werden. Gilbert meint, dass Platzhirsche, die bislang floriert hätten, möglicherweise nicht in der Lage seien, die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Auch besteht für ihn das Risiko, dass die Unternehmen angesichts der niedrigen Kreditkosten eine gewisse Sorglosigkeit an den Tag legen.
Für Anleger wird es immer interessanter, sich unter Qualitätsunternehmen mit kleinerer Marktkapitalisierung umzuschauen, die zu den erfolgreichen Blue Chips der Zukunft avancieren könnten. Auch hier wird deutlich, wie wichtig ein intensives Research und ein langfristiger Blickwinkel sind. "Unternehmen mit stabilen oder steigenden Dividenden werden ebenfalls an Bedeutung gewinnen, denn bekanntermassen kann die Wiederanlage der Dividenden die langfristigen Erträge erheblich steigern", ist er überzeugt. Am britischen Markt liegt die Aktienkursrendite seit 2010 bei 35%. Rechnet man wiederangelegte Dividenden hinzu, ergibt sich eine Rendite von 90%.
In den letzten zehn Jahren war laut Gilbert bei vielen Emerging Markets (EM-)Unternehmen ein echter Sinneswandel zu beobachten, wenn es darum geht, Dividenden an Anleger auszuschütten. Bedingt durch die zugrunde liegenden Cashflows und steigende Auszahlungsquoten zieht zudem das Dividendenwachstum in den Schwellenländern erheblich an. Ausserdem führt die Umsicht der EM-Unternehmen zu gesünderen Bilanzen und einer im Vergleich zu ihren Pendants aus den Industrieländern geringeren Verschuldung.
Abschliessend rät Gilbert: "Anleger sollten sich demnach in den kommenden Jahren nicht zu sehr von schwachen Wachstumszahlen verunsichern lassen. Es wird sicherlich Höhen und Tiefen geben, aber auch Chancen auf langfristige Erträge."