«Wir wollen einen regulierten, wertstabilen digitalen Franken»

Pascale Bruderer setzt sich am  Digital Finance Forum  in Vaduz für einen breit zugänglichen digitalen Franken ein. (Bild pd)
Pascale Bruderer setzt sich am Digital Finance Forum in Vaduz für einen breit zugänglichen digitalen Franken ein. (Bild pd)

Die ehemalige Schweizer Politikerin Pascale Bruderer setzt sich für einen breit zugänglichen digitalen Franken ein, um Innovationen im Finanzbereich voranzutreiben. Am Digital Finance Forum am 30. Januar in Vaduz spricht sie darüber, wie sie Partner aus der Real- und Finanzwirtschaft für ihr Projekt gewinnen will.

15.01.2024, 15:32 Uhr

Interview: Corina Vogt-Beck für Wirtschaftregional

Pascale Bruderer, waren Sie schon in Liechtenstein?
Pascale Bruderer: Ja, mehrmals, und ich habe Freundschaften geschlossen, die bis heute anhalten.

Liechtenstein ist stark verbunden mit der Schweiz, unter anderem haben wir den Schweizer Franken.
Ja, auch für die Entwicklung eines digitalen Schweizer Frankens ist der ganze Währungsraum wichtig. Schon vor zwei Jahren, während meiner konzeptionellen Arbeit und Recherche, habe ich mit liechtensteinischen Vertretern gesprochen. Jetzt ist ein idealer Moment für mich, ans Digital Finance Forum zu kommen, denn 2024 wird mit Sicherheit ein entscheidendes Jahr sein. Weltweit setzen sich 92 Prozent der Zentralbanken mit der Digitalisierung ihrer Währung auseinander. Die Schweiz und auch Liechtenstein sind aufgerufen, Fragen zu beantworten wie: Wird es einen digitalen Franken geben? Wer wird ihn herausgeben? Wer ist die Zielgruppe? Wenn die Antworten positiv ausfallen, könnte im Jahr 2025 der Startschuss sein.

Also wird es auch in Liechtenstein einen digitalen Schweizer Franken geben?
Für mich liegt das auf der Hand. Wir orientieren uns mit unserem Vorhaben nicht an der Landesgrenze, sondern an der Währungsraumgrenze. Dabei sehe ich das gleiche Konzept wie in der Schweiz als erfolgversprechend für Liechtenstein an.


Wo knüpfen Sie an? Bei den Banken, bei den Wirtschaftsvertretern?
Wir haben eine zweiseitige Zusammenarbeit, einerseits mit der Finanzindustrie, andererseits mit der Realwirtschaft, denn der grosse Vorteil dezentraler Technologie ist die direkte Vernetzung ohne kostentreibende Intermediation. Daraus ergibt sich ein Mehrwert sowohl punkto Kosteneffizienz als auch neuer Funktionen.
Zur Zusammenarbeit mit der Finanzindustrie: Wenn Sie Schweizer Franken in digitale Schweizer Franken wechseln, dann geht das nur, wenn Sie Kunde oder Kundin einer regulierten Bank sind, denn wir möchten, dass von Anfang an alle Risiken, die in der «alten» Welt abgesichert sind, auch in der «neuen» Welt abgedeckt sind. Wir wollen einen regulierten, eins zu eins hinterlegten und wertstabilen digitalen Franken. Also keine Experimente. Wir nehmen den Banken keine Kundinnen oder Kunden weg, denn wir sind selbst keine Bank, wir bieten den Banken ein Angebot für ihre Kundinnen und Kunden an. Wir brauchen die Banken auch für die Hinterlage. Ziel ist dabei, im Sinne einer vollständigen Besicherung einzig zu gewährleisten, dass man den digitalen Franken wieder zurücktauschen kann. Unsere erste Partnerbank ist die Postfinance, wir sind aber offen für die Zusammenarbeit mit weiteren Banken. Beim Digital Finance Forum werden wir den Vertreterinnen und Vertretern der Finanzindustrie aufzeigen, wie unser Konzept ist und sie zu einem Dialog einladen.

Und wo wird man den digitalen Franken nutzen können? In Geschäften?
Auch. Wir wollen vor allem für die Realwirtschaft einen Nutzen schaffen. Dabei geht es beim digitalen Franken immer um den Zahlungsverkehr mittels einer dezentralen Technologie. Der digitale Schweizer Franken ist kein Investment-Instrument, es wird nichts im Hintergrund gemacht, es ist nicht interessant, darin zu investieren. Man braucht es für Zahlungsabwicklungen, dort, wo die bisherige Infrastruktur nicht tauglich oder zu teuer ist. Die elektronischen Zahlungen sind heutzutage, vor allem für kleinere Gewerbe, sehr teuer. Der Profit bleibt zudem nicht in unserer Wertschöpfung, er geht zu grossen Teilen an internationale Zahlungsdienstleister wie Visa und Mastercard. Unsere Ambition ist es, für Transaktionen innerhalb der Schweiz und Liechtenstein eine günstigere und digital funktionale Zahlungsinfrastruktur anzubieten.

Wie würden Sie als Swiss Stablecoin AG profitieren, wenn Sie sagen, dass es keine Gebühren geben würde?
Eine sehr berechtigte Frage, weil es sich in der Tat um eine Infrastruktur handelt. Wir gehen relativ weit in unserem Anspruch, so günstig wie möglich zu werden. Wir könnten uns sogar vorstellen, dass der Kern dieser Infrastruktur nicht gewinnorientiert ist, weil im Gegenzug rundherum ein innovatives wirtschaftliches Ökosystem mit neuen Geschäftsmodellen entsteht. Es gibt ein relevantes und wachsendes Potenzial für programmierte, in digitalisierte Prozesse direkt eingebundene und dank unmittelbarer Finalisierung sichere Zahlungen. Hier mit einem regulierten digitalen Franken eine Alternative zu unregulierten Kryptowährungen zu bieten, ist eine grosse Chance. Unsere Ambition ist es, damit echten Mehrwert für Handel und Industrie, aber auch für die öffentliche Hand zu schaffen. Unsere Hoffnung ist es, auch angesichts der heftigen Debatten um einen digitalen Euro, der von der Europäischen Zentralbank herausgegeben wird, in der Schweiz bald eine ordnungspolitisch korrekte, privatwirtschaftliche Lösung mit Mehrwert für die Wertschöpfung in der Schweiz und Liechtenstein zu haben.

Und wie sieht es für mich als Privatkundin aus? Wie läuft dies ab? Ich kenne vor allem Karten wie Revolut, die ähnlich funktionieren.
Wir prüfen im Moment verschiedene Varianten. Karten haben den grossen Vorteil, dass die Menschen sich daran gewöhnt haben. Beim Bezahlen ist die Gewohnheit das Wichtigste. Für die Benutzerin soll sich möglichst wenig ändern. Der Vorteil, und das müssen wir schaffen, liegt beim Gewerbe, indem sie weniger Gebühren bezahlen und mehr Funktionen haben, zum Beispiel direkte Programmierbarkeit.

Swiss Stablecoins wolle «die geldpolitische Souveränität unterstützen». Können Sie dies erklären?
Als ich aus dem Parlament zurücktrat, wurde ich von Libra/Diem, einer Stablecoin-Initiative von Facebook, für den Verwaltungsrat angefragt. Die Idee war es, weltweit eine neue digitale Währung einzuführen. Als ich das Projekt genauer anschaute, habe ich gemerkt, dass man zwar viel davon lernen kann, es aber wahrscheinlich nie zustande kommen wird, weil – und jetzt komme ich zum Souveränitätsgedanken –, die Zentralbanken niemals zulassen werden, dass ein Unternehmen mit einer solchen Marktmacht eine Digitalwährung über alle Währungsräume hinweg einführt. Das Projekt wurde nie lanciert. Mir war aber auch klar, dass ein neues Zeitalter angefangen hat. Es gab gute Gründe dafür, dass ein internationaler Anbieter auf die Idee kam, aus unserem Land heraus ein solches Projekt zu lancieren.


Weil die Schweiz offensichtliche Vorteile hat – Stabilität, Innovationskraft.
Ja. Meine Ambition war es, nicht darauf zu warten, bis globale Giganten unsere Vorteile nutzten, sondern uns zu überlegen, wie wir selbst unsere Stärken ausspielen könnten. Wir sollten bei den internationalen Diskussionen, wie man Währungen digitalisieren kann, unbedingt mitreden. Denn es geht nicht nur um Innovationskraft, sondern auch um geldpolitische Souveränität. Heute ist den Zentralbanken weltweit klar, dass sie sich um dieses Thema kümmern müssen. Ich teile diese Haltung und bin ebenfalls sehr skeptisch gegenüber Kryptowährungen, hinter denen keine echten Werte stehen. Die Idee, diese zu regulieren, ist absolut richtig, aber schwierig. Warum geht man nicht den umgekehrten Weg? Warum nimmt man nicht die regulierten Währungen und fügt die Funktionalität der digitalen Welt hinzu? Das geht nämlich, das ist meine Überzeugung.

Das heisst, Sie wollen das Bargeld nicht abschaffen?
Richtig. Ich glaube sogar, dass wir mit dem Bargeld Vorteile verknüpfen, die man auch in der digitalen Welt nicht aufgeben darf. Wir sind nicht zuletzt deshalb seit zwei Jahren in einem konstruktiven Dialog mit allen relevanten Behörden. Für mich ist es ganz klar: Der Schweizer Franken ist ein öffentliches Gut, die Weiterentwicklung des Schweizer Frankens geht nicht ohne die Nationalbank, nicht ohne das Verständnis und die Akzeptanz der Behörden.

Und wie wollen Sie es schaffen, die Menschen mitzunehmen, ihnen verständlich zu machen, was Sie wollen?
Es ist genau das, was mich interessiert und mir wichtig erscheint, die Leute achtsam auf diesem Weg zu begleiten. Die Diskussion ist ja auch international gerade erst am Anlaufen, und das hilft natürlich. Bis vor wenigen Jahren kannte man bei digitalen Währungen nur Kryptowährungen, und jetzt passiert etwas Spannendes, dass nämlich die Bevölkerung – nicht zuletzt aufgrund der EZB und des digitalen Euro – abgeholt wird in dieser Diskussion. Mein Team und ich, wir sind alle motiviert vom Gedanken, dass man eine Innovation in die breite Bevölkerung tragen kann. Wir müssen alles dafür machen, dass verstanden wird, worum es geht. Darum wollen wir auch mit Unternehmen und Institutionen arbeiten, welche die Menschen kennen und breites Vertrauen geniessen. Das sind Themen, die Zeit benötigen, gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Schweiz nicht zu viel Zeit verlieren sollte, konkret ein eigenes Projekt zu starten.


Sie wollen durch die Tür, die jetzt geöffnet ist, als Erste hindurchgehen.
Unser Land darf meines Erachtens die Digitalisierung des Schweizer Frankens nicht internationalen Anbietern überlassen. Mit einem eigenen Angebot können wir die Tür für dieses Risiko sozusagen schliessen. Es ist kein Zufall, dass im Moment auf der ganzen Welt Pilotprojekte lanciert werden. Wir müssen zeigen, dass die Schweiz ebenfalls ein souveränes Angebot bieten kann, will und wird.

Wir schliessen den Kreis: Sie waren Politikerin, sind zurückgetreten, argumentieren jetzt jedoch wie eine Politikerin.
Ich bin nach wie vor beseelt von der Idee, die Stärken und das Erfolgsrezept der Schweiz in die Zukunft zu führen. Das durfte ich zwei Jahrzehnte lang als Politikerin, aber meine Überzeugung war es schon immer, dass man diese Verantwortung nicht nur an die Politik delegieren kann. Ich habe zwar meine Funktion gewechselt, aber meine Motivation ist immer noch dieselbe: Dem Land bestmöglich zu Erfolg und Mehrwert zu verhelfen und dabei die Menschen mit auf den Weg zu nehmen.

Weitere Informationen: www.digital-finance.li


Zur Person:
Pascale Bruderer ist Gründerin und Verwaltungsratspräsidentin der Swiss Stablecoin AG. Sie war Ständerätin für den Kanton Aargau und Nationalrätin für die SP. Im Amtsjahr 2009/2010 war sie Nationalratspräsidentin. 2019 wechselte sie in die Wirtschaft und übernahm Verwaltungsratsmandate bei TX Group/Tamedia und Galenica. Im Frühling 2022 gründete sie die Swiss Stablecoin AG. Ferner ist Pascale Bruderer Mitinhaberin des IT-Startups Crossiety. Sie wurde 2009 zum «Young Global Leader» des WEF ernannt.

Pascale Bruderer verfügt über einen Master in Political Science der Universität Zürich sowie das «Global Leadership and Public Policy»-Diplom der Kennedy School an der Harvard University. Sie studierte an der Universität Zürich und in Växjö (Schweden) Politologie, Staatsrecht sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sie hat zwei Töchter.

Stablecoins sind Kryptowährungen, deren Wert an den Wert einer anderen Währung, Ware oder eines anderen Finanzinstruments gekoppelt oder gebunden ist. Stablecoins sollen eine Alternative zur hohen Volatilität der beliebtesten Kryptowährungen, einschliesslich Bitcoins, bieten und sind dadurch besser für gängige Transaktionen geeignet.

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