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Die Blockchain-Technologie könnte zahlreiche Wirtschaftssektoren revolutionieren. Charles-Edouard Bilbault von Rothschild & Co erläutert im Interview ihre Funktionsweise, die konkreten Anwendungen und wie der neu in der Schweiz registrierte R-co Thematic Blockchain Global Equity Fund investiert.
Blockchain ist in aller Munde und Rothschild & Co hat soeben einen eigenen Blockchain-Fonds in der Schweiz aufgelegt. Warum ist diese Technologie revolutionär?
Charles-Edouard Bilbault: So wie das Internet den Informationsaustausch verändert hat, kann die Blockchain den Austausch von Vermögenswerten und die Übertragung von Eigentum revolutionieren und gleichzeitig die Sicherheit von Transaktionen gewährleisten. Diese Technologie wird zum Fundament für die nächsten Generation digitaler Infrastrukturen, da sie komplexe Wertschöpfungsketten vereinfachen, Prozesse optimieren und Kosten senken kann. Sie flankiert die Entwicklung grundlegender technologischer Trends wie die Tokenisierung, bei der physische Vermögenswerte mit einem digitalen Eigentumsnachweis verknüpft werden. Die Entstehung des «Web 3.0», einer dezentralisierten Version des Internets, mit der Nutzer an die Stelle der grossen Technologiekonzerne treten und die Kontrolle über ihre digitale Identität wieder in die Hand nehmen, dürfte durch diese Technologie ebenfalls gefördert werden. Unternehmen und Institutionen haben seit einigen Jahren bereits die Vorteile der Blockchain erkannt und entwickeln Lösungen für sich selbst und für ihre Kunden.
Wie funktioniert die Blockchain-Technologie?
Die Blockchain-Technologie ist mit einem verteilten dezentralen Register vergleichbar, in dem das Eigentum aller Nutzer jederzeit festgestellt werden kann und Transaktionen ohne Einschaltung vertrauenswürdiger Vermittler durchgeführt werden können. Die besonderen Charakteristika dieses digitalen Registers bzw. dieser Datenbank sind Verteilung, Dezentralität und Unveränderlichkeit. Die Nutzer werden in einem Netzwerk zusammengefasst, in dem jedes Mitglied über eine Kopie des gesamten Registers verfügt, so dass Sicherheit und Transparenz der Daten sichergestellt sind. Keine zentrale Kontrollinstanz muss die Richtigkeit und Gültigkeit der Daten zertifizieren. Alle neuen Daten können nach ihrer Validierung durch den Konsens unverzüglich in das Register jedes Betreibers aufgenommen und sodann nicht mehr geändert oder gelöscht werden.
«Die Blockchain hat das Potenzial, den Austausch von Vermögenswerten zu revolutionieren»
Obwohl bestimmte Blockchains wegen ihrer vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten besonders beliebt sind, wie z.B. die Netzwerke Ethereum oder Solana, gibt es praktisch für jede Anwendung eine Blockchain. Und diese Besonderheit unterscheidet die Blockchain-Technologie vom Internet: Sie beruht nicht nur auf einer einzigen Infrastruktur. Einige Blockchains sind zwar sicherer, aber dafür etwas langsamer, während andere auf eine schnellere Ausführung oder mehr Speicherkapazität setzen. Die Möglichkeiten werden durch die Konzeption bestimmt. Gleichzeitig gibt es mehrere Konsens-Algorithmen, und nicht alle Blockchain-Technologien sind auf Mining aufgerichtet. Die Blockchain war für das Mining von Bitcoins gewählt worden, weil sie seinerzeit eine der wenigen bekannten Konsenstechnologien war, mit der ein dezentrales Modell funktionieren konnte. Die Rechenleistung sollte damals die Sicherheit des Netzwerks gewährleisten.
Welche konkreten Anwendungen gibt es?
Zahlreiche Unternehmen, etwa aus der Nahrungsmittel-, der Rohstoffindustrie oder dem Gesundheitswesen, investieren in Blockchain-basierte Tools, um ihre operative Effizienz zu steigern und die Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte, Ressourcen oder Kohlenstoffemissionen zu garantieren. Auch Lieferketten nutzen sie für die logistische Rückverfolgung von Sendungen, die Verbesserung ihrer CO2-Bilanz und die Erstellung von Audit Trails in Echtzeit. Im Finanzsektor revolutioniert die Blockchain Geldtransfers, Zahlungslösungen und den Austausch von Vermögenswerten durch Tokenisierung, wodurch Fintechs ein riesiges Betätigungsfeld eröffnet wird. Versicherer nutzen die Blockchain seit fast einem Jahrzehnt dank Smart Contracts, also Verträgen, die automatisch ausgeführt werden, sobald bestimmte, zuvor festgelegte Bedingungen erfüllt sind. Auch institutionelle Nutzer wie Zentralbanken haben bereits mit der Umsetzung von Strategien für den Ersatz physischer Währungen begonnen. Diese digitalen Währungen können die Brokergebühren senken, eine bessere Rückverfolgbarkeit der Kapitalströme sicherstellen, die finanzielle Inklusion vorantreiben und auch der Wirtschaft gezielt Schub verleihen. Generell kann die Blockchain-Technologie Lösungen für alle Probleme liefern, die mit der Verwaltung von Zahlungsflüssen oder – physischem oder geistigem – Eigentum verbunden sind.
Werden Unternehmen ihre eigene Blockchain entwickeln?
Einige Unternehmen haben bereits eine eigene Blockchain entwickelt. So nutzt IBM beispielsweise das Open-Source-Modell ‚Hyperledger‘ für die Zusammenarbeit mit einigen Kunden – eine private Blockchain, in der die Mitglieder des Netzwerks und die Betreiber, die Blöcke, Knoten oder Transaktionen validieren, ausgewählt werden. Auch unternehmensinterne Netzwerke können vollständig auf der Blockchain-Technologie beruhen. Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft sind auf verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungskette aktiv: Cloud-Strukturierung, Datenspeicherung, digitale Assets oder Zahlungssysteme.
«Das Blockchain-Ökosystem beschleunigt die Entstehung einer neuen Generation von Unternehmen»
Die Nike-Gruppe hat ein französisches NFT-Unternehmen namens RTFKT übernommen, um bestimmte Produkte der Marke in einem Metaversum zu vermarkten. Diese Marketingstrategie zeigt die Innovationsfähigkeit des Unternehmens und seine Fähigkeit zur Gewinnung von Neukunden. Man kann sich durchaus vorstellen, dass der Kauf eines Produkts in einigen Jahren den Erwerb eines NFT ermöglicht. Und NFT haben den Vorteil, dass sie im Laufe der Zeit unverändert erhalten bleiben. Für das Geschäftsmodell von Nike könnten neue Einnahmequellen erschlossen werden, da mit NFT in der Regel Lizenzgebühren verbunden sind. Bei jedem Weiterverkauf könnte ein Teil des Betrags an da Unternehmen zurückfließen.
Das Blockchain-Ökosystem könnte eine neue Generation von Unternehmen hervorbringen, die Wertschöpfungsmodelle und das Dienstleistungsangebot vieler Branchen überdenken und innovative Lösungen entwickeln. Die Anleger erkennen allmählich die mit diesem Thema verbundenen Marktchancen, doch die Auswirkungen und die disruptive Fähigkeit zur Zerstörung der etablierten Ordnung zu antizipieren, ist kein leichtes Unterfangen. Die Blockchain ist in der Tat nur ein Vektor für Innovationen. Die Zahl der Akteure, die neue Anwendungen für die Blockchain entwickeln wollen, dürfte in den kommenden Jahren wohl zunehmen, zumal sich die Technologie selbst weiterentwickeln wird.
In welche Sektoren ist der neu in der Schweiz registrierte R-co Thematic Blockchain Global Equity Fund hauptächlich investiert?
Der R-co Thematic Blockchain Global Equity Fund ist neu in der Schweiz zum Vertrieb zugelassen. Mehr Informationen zum Blockchain-Fonds von Rothschild & Co erhalten Sie bei .
Ein wichtiges Investitionsthema ist der Bereich Digitale Assets und Fintech. Bei Geldtransfers, Zahlungslösungen und dem Austausch von Vermögenswerten ist eine Revolution im Gange, insbesondere durch die Tokenisierung. Der R-co Thematic Blockchain Global Equity Fund investiert in Fintech-Unternehmen wie Coinbase Global oder Silvergate Capital. Dann sind Unternehmen interessant, die physische Infrastrukturen und Computernetzwerke für die Blockchain-Technologie betreiben oder Industrieunternehmen, die sich auf die Blockchain verlassen, um ihre betriebliche Effizienz zu steigern. Im Transportsektor eröffnen sich neue Möglichkeiten, wie z.B. die Verbesserung der Logistikverfolgung, die Optimierung der CO2-Bilanz oder eine Vereinfachung der Zollabwicklung, während im Web 3.0 und Metaversum die Dezentralisierung von Webanwendungen, sozialen Netzwerken und Online Communities zum neuen technologischen Standard werden.