«Diese fünf Schlüsselthemen prägen das Jahr 2024»

Marc Brütsch, Chefökonom bei Swiss Life über die wichtigsten Themen 2024. (Bild pd)
Marc Brütsch, Chefökonom bei Swiss Life über die wichtigsten Themen 2024. (Bild pd)

2023 brachte in Europa keine neuerlichen Überraschungen von der Teuerungsfront mit sich. «Es ist im Gegenteil erstaunlich, dass die Konsensuserwartung zur mittleren Teuerungsrate in Deutschland, Frankreich und der Schweiz bereits zum Jahresanfang 2023 dem schliesslich realisierten Wert sehr nahekam», schreibt Marc Brütsch, Chefökonom bei Swiss Life.

18.01.2024, 14:51 Uhr

Chinas Inflationsrate 2023 überraschte dagegen sehr. Allerdings in die entgegengesetzte Richtung: Im Januar 2023 lag die Konsensuserwartung zur mittleren Jahresteuerung 2023 für China noch bei 2,3 Prozent, zum Jahresende befand sich China an der Schwelle zur Deflation. Dies hatte Rückwirkungen auf die stark exportorientierten Volkswirtschaften in Europa, da deflationäre Tendenzen einen Nachfragerückgang mit sich bringen. Gegenüber dem Vorjahr sanken 2023 die Exportvolumina Deutschlands und der Schweiz nach China. Damit erfüllten sich die Hoffnungen im Anschluss an die Aufgabe der Zero-Covid Policy der chinesischen Regierung zu Ende des Jahres 2022 nicht.

Positiv überraschten hingegen die Wirtschaftsdaten aus den USA und auch aus Frankreich. Kräftige Impulse der Fiskalpolitik sorgten dafür, dass diese Volkswirtschaften trotz gestiegener Finanzierungskosten bisher einer Rezession entgehen konnten.

2024 wird unserer Meinung nach von fünf Schlüsselthemen geprägt sein:

1. Die Weltwirtschaft lässt die zyklische Talsohle im Jahresverlauf hinter sich.
Auch Deutschland und andere europäische Volkswirtschaften, welche aktuell am Rande einer Rezession stehen, werden von einem Aufschwung profitieren. Diese Belebung der konjunkturellen Dynamik wird hauptsächlich von der Tatsache getragen, dass die realen verfügbaren Haushaltseinkommen im Jahresverlauf erstmals seit 2021 wieder steigen werden.

2. Die Inflationsziele der Zentralbanken rücken wieder in Griffweite.
In der Schweiz liegt die Inflationsrate wieder innerhalb des von der SNB angestrebten Zielbands von 0 bis 2 Prozent. Auch für die Eurozone ist absehbar, dass die Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte 2024 unter 2 Prozent sinken wird. Unsere Erwartung zur mittleren Inflationsrate liegt für die Schweiz bei 1,7 Prozent und für die Eurozone bei 2,1 Prozent. Der Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus liegt also hinter uns. Es besteht am Markt die übereinstimmende Meinung, dass die führenden Zentralbanken im laufenden Jahr ihre Geldpolitik wieder lockern werden. Günstigere Finanzierungskosten werden den Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte zusätzlich stützen.

3. Die Winde drehen bei Geld- und Fiskalpolitik.
Damit erfährt die Weltwirtschaft Rückenwind von der Geldpolitik. Projektentwickler und langfristig orientierte Investoren erhalten Klarheit zur künftigen Ausrichtung der Geldpolitik. Die absehbare Normalisierung der Zinsstrukturkurve bringt die ersehnte Planungssicherheit zurück. Auf der anderen Seite wird die Fiskalpolitik in geringerem Mass stimulierend sein als in den Vorjahren. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird unter dem langfristigen Potential ausfallen, was den Teuerungsdruck zusätzlich mindert.

4. Geopolitik: Neue globale Unordnung.
Noch nie wurden in der Geschichte in so vielen Ländern so viele Menschen zu Wahlen gerufen, wie dies 2024 der Fall sein wird. Dabei beansprucht die Präsidentschaftswahl in den USA die grösste Aufmerksamkeit an den Finanzmärkten. Urnengänge auf anderen Kontinenten bergen aber ebenfalls Potenzial, die globale geopolitische Unordnung zu verstärken. Diese Tendenz dürfte den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken aufrechterhalten und langfristig auch die Attraktivität der Schweiz als Einwanderungsland weiter verstärken. Neben der Vielzahl an Urnengängen sorgen weiterhin der Ukrainekrieg und erneut wieder der Nahostkonflikt für Verunsicherung. Die Gefährdung der Transportroute durch den Suezkanal ruft das Risiko unterbrochener Lieferketten wieder in Erinnerung.

5. China fällt als Wachstumsmotor aus.
Die Nachfrage aus China tritt auf der Stelle. Anders als nach der grossen Finanzkrise nimmt China nicht mehr die Rolle der Wachstumslokomotive für die Weltwirtschaft ein. In gewissen Bereichen, wie beispielsweise der Entwicklung und Herstellung von alternativ angetriebenen Fahrzeugen, wird China zudem mehr und mehr zum Konkurrenten führender westlicher Hersteller. Die Exporte schweizerischer Waren nach China werden im Jahresverlauf nur zögerlich ansteigen, die Besucherzahlen chinesischer Gäste in Europas Tourismusdestinationen werden weiterhin unter den Zahlen vor der Pandemie verharren.

Bondmärkte

Wie wird sich der Trend zu tieferen Leitzinsen auf die Obligationenmärkte auswirken? Von den heutigen Niveaus erwarten wir leicht tiefere Zinsen auf Staatsanleihen mit Laufzeiten von zehn Jahren in den USA und einen Rückgang in Europa. Hauptgrund dafür ist die aktuelle Konjunkturschwäche. ​In der Schweiz sind die Zinsen bereits stärker gefallen und dürften daher im Jahresverlauf seitwärts tendieren.

Die Aussicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung und ein günstigeres Zinsumfeld bedeutet, dass Investoren sich in diesem Szenario bereithalten sollten, um im Laufe des Jahres wieder vermehrt in riskantere Anlageklassen zu investieren.

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