Vorsorge: Welche Säule bietet den grössten Mehrwert?
Die Schweizer Bevölkerung befindet sich in der privilegierten Position, dass sie ihre Altersvorsorge auf drei Säulen abstützen kann. (Bild: Shutterstock.com/Lola1960)
Die 2. und 3. Säule weisen laut einer Analyse der UBS ein ähnlich starkes künftiges Renditepotenzial auf. Und sie können dank dem "dritten Beitragszahler" höhere Renten für geringere Beiträge längerfristig finanzieren als die 1. Säule. Letztere leiste jedoch einen wichtigen Beitrag zur Existenzsicherung. Insgesamt unterstreiche dies den Mehrwert von drei unabhängigen Säulen, die aber alle Reformbedarf haben.
22.06.2022, 05:00 Uhr
Redaktion: rem
Die Erwartung an ein Vorsorgesystem war und ist, dass die Versicherten im Verlauf des gesamten Ruhestands über genügend finanzielle Mittel für ein würdiges Leben verfügen. Dabei sollten die höchstmöglichen Rentenzahlungen mit den geringsten Einzahlungen oder Kosten generiert werden. Die Schweiz löst diese Aufgabe mit drei unabhängigen, aber komplementären Säulen. UBS hat die häufig gestellte Frage untersucht, ob eine dieser Säulen die Erwartungen besser erfüllt als die anderen beiden und damit ein verstärkter Fokus auf diese eine Säule den Wohlstand der Gesellschaft steigern würde.
Das Renditepotenzial
1. Säule: In einem umlagefinanzierten Rentensystem, wie der staatlichen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), wo die Beiträge der Erwerbstätigen sofort als Renten an die jetzigen Empfänger ausbezahlt werden, gibt es theoretisch keine Kapitalmarktrendite. Praktisch hat die AHV historisch etwa 1,2% Nettorealrendite pro Jahr erzielt. In Zukunft erwarten die UBS-Ökonomen mit 1% leicht weniger, dies primär als Folge der demografischen Entwicklung.
2. Säule: In einem kapitalgedeckten Rentensystem, wie der schweizerischen beruflichen Vorsorge (BV), spart jeder Versicherte für sich selbst und die Rendite entspricht im Durchschnitt dem Ertrag, den die Vorsorgeeinrichtungen auf das angesparte Altersguthaben erwirtschaften. Die Anlageallokation des Pensionskassenvermögens hierzulande ist gewissen Beschränkungen unterworfen. Seit 1985 berechnet die Bank Pictet einen Index, der als Richtmass für die Renditeentwicklung von Pensionskassenportfolios unter den geltenden Bestimmungen gilt. Gemäss dem Pictet BVG Index 2015 mit 40% Aktienanteil betrug die durchschnittliche Rendite seit Gründung des BVG-Gesetzes 6,25%. Bereinigt um die Inflationsrate und Gebühren beträgt die durchschnittliche reale jährliche Kapitalmarktrendite seit 1985 4,75%. In Zukunft erwartet UBS etwa 2,1% Nettorendite pro Jahr basierend auf den UBS-Kapitalmarktannahmen und dem durchschnittlichen Pensionskassenportfolio.
3. Säule: In der freiwilligen Vorsorge 3a entspricht die Rendite dem erwirtschafteten Ertrag, der durch Zinsen auf das Konto oder durch Investitionen in dafür zugelassene Fonds generiert werden kann. Anders als in den ersten beiden Säulen kann ein Vorsorgesparer in der 3. Säule selbst bestimmen, wie das Kapital investiert sein soll. Damit kann ein höheres Risiko mit einer höheren Renditechance gewählt werden. Die eigenen Entscheidungen beeinflussen die Rendite mehr als in der AHV und der BV.
Historische und erwartete Rendite der drei Säulen des Schweizer Vorsorgesystems
Quellen: BFS, Pictet, UBS
Die historische Betrachtung zeigt, dass die Rendite der AHV selten negativ war und innerhalb einer geringen Bandbreite fluktuierte, allerdings auch insgesamt ein eher geringes Aufwärtspotenzial bestand. Die Renditen der 2. Säule und teilweise auch der Säule 3a weisen deutlich mehr Schwankungen in einzelnen Jahren auf, sind aber im Durchschnitt über einen Marktzyklus hinweg positiv und höher als die der 1. Säule.
"In Zukunft weisen die berufliche und die private Säule ein grösseres Renditepotenzial auf als die staatliche Vorsorge, auch wenn dieses geringer sein dürfte als in der Vergangenheit und volatiler sein sollte als geglättete durchschnittliche Annahmen in der Grafik bis 2050 aufzeigen", so die UBS-Ökonomen. Betrachte man die vergangene Rendite und das künftige Potenzial sowohl der umlagefinanzierten als auch der kapitalgedeckten Rentensysteme, scheinen letztere klar im Vorteil. Die Finanzmarktweisheit, dass höheres Risiko auch erhöhte Ertragschancen biete, scheine bestätigt.
Die Analyse
Die UBS-Ökonomen Jackie Bauer und James Mazeau haben in ihrer Analyse primär das Renditepotenzial jeder Säule, aber auch deren Risiko, Leistungsversprechen und Nachhaltigkeit der Verteilung untersucht.
Weniger Risiken bei Umlagefinanzierung
Das umlagefinanzierte Rentensystem birgt gemäss der Analyse trotz geringerer erwarteter Rendite auf Rentenbeiträge aus einer risikoadjustierten Sichtweise gewisse Vorteile. Da die Beiträge sofort an die Rentner ausbezahlt werden, besteht im Gegensatz zum kapitalgedeckten Rentensystem kein Risiko, dass das angesparte Kapital durch Kriege, Inflation, Börsencrashs oder Enteignung verloren geht.
Hingegen führen solche Ereignisse durch einen Wirtschaftseinbruch und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einer deutlichen Reduktion der durch das Umlagesystem finanzierbaren Renten. Das grössere Risiko des Umlagesystems ist laut UBS der zu lange ignorierte demografische Wandel. Dieser zeigt sich in einer tiefen Geburtenrate, einer höheren Lebenserwartung und einer tieferen Netto- Migration von Personen im Erwerbsalter.
Das Leistungsversprechen geht nicht mehr auf
Die Betrachtung des Renditepotenzials und auch des Risikos sagt noch nichts über die gesprochenen oder erwarteten Leistungen aus. Logisch scheint, dass versprochene Leistungen auch langfristig finanziert sein müssen und somit das Beitrags- und Renditepotenzial im Zusammenhang mit dem Leistungsversprechen stehen. In der 1. Säule besteht heute laut den Expertinnen und Experten jedoch kein direkter Zusammenhang mehr und auch in der 2. Säule ist er nicht mehr eindeutig – Stichwort Umwandlungssatz von 6,8%. In beiden Säulen werden höhere Renten versprochen, als diese auf der Basis der heutigen Gesetzgebung in der Lage sind zu leisten. Somit wird das Ungleichgewicht zunehmend auf den zukünftigen Generationen lasten.
Bewährtes Drei-Säulen-System
Die Zahlen der Analyse der UBS sprechen laut den Ökonomen eine deutliche Sprache: Eine Kombination aus AHV, betrieblicher Vorsorge und eigenverantwortlichem, privatem Vorsorgesparen zahle sich aus. Setze man hingegen nur auf ein einzelnes Standbein, könnte eine ausreichende Altersrente stark ins Wanken kommen.
"Die Schweizer Bevölkerung befindet sich jedoch in der privilegierten Position, dass sie ihre Altersvorsorge auf drei Säulen abstützen kann und so die Chance hat, von jedem System zu profitieren. Damit das Drei-Säulen-System auch in Zukunft funktioniert und die folgenden Generationen davon profitieren können, müssen wir jetzt Reformen und gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen und uns auf ein ausgeglichenes Vorsorgesystem besinnen", kommentieren Jackie Bauer und James Mazeau.
Ihrer Meinung nach sollten diese Reformen nicht nur darauf hinarbeiten, die Säule mit dem grössten Renditepotenzial zu fördern, sondern auch die Solidaritäts-, Risiko- und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, die wichtig sind, um nicht nur höchstmögliche, sondern auch langfristig finanzierbare Renten zu versprechen. Letztendlich sei das System als Ganzes aber am effizientesten, wenn die drei Säulen sich ergänzen und nachhaltig genutzt werden – zum Wohle des Einzelnen, aber auch unserer Nachkommen, so ihr Fazit.
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