Märkte im Übergang

Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management.
Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management.

Seit Mai diesen Jahres befinden sich die Märkte in einer Übergangsphase. Den Anlegern ist klar, dass die Federal Reserve ihre seit Jahren verfolgte, unorthodoxe Politik jetzt langsam beenden wird. Langsam aber sicher werden sich die Zentralbanken aus ihrer Rolle als wichtige Wachstumsstützen zurückziehen. Lesen Sie den Marktkommentar von Valentijn van Nieuwenhuijzen, ING Investment Management.

06.12.2013, 09:03 Uhr

Redaktion: dab

Seit einigen Jahren werden die Märkte in beträchtlichem Umfang durch das umfangreiche Liquiditätsangebot getrieben. Assetklassen, in die viel Liquidität geflossen ist, wurden daher im Mai und Juni durch die Aussicht stark in Mitleidenschaft gezogen, dass der Geldhahn allmählich zugedreht werden könnte. Vor allem die Märkte für Schwellenländerpapiere (und Schwellenländeranleihen) waren davon betroffen.

Nachdem die Fed eine Reduzierung ihres Anleihekaufprogramms im September überraschend verschob, haben die Märkte den Beginn des „Tapering“ für das kommende Jahr eingepreist. Allerdings war der Tonfall der Fed etwas aggressiver als erwartet, und die makroökonomischen Daten (ISM, Beschäftigung) fielen im Oktober besser als prognostiziert aus. Daher könnte die Fed durchaus beschliessen, ihr Anleihekaufprogramm nach der am 18. Dezember anstehenden Sitzung zurückzufahren. Wir halten März 2014 aber immer noch für den wahrscheinlichsten Zeitpunkt, zumal im Dezember auch Haushaltsverhandlungen anstehen.

Ganz gleich, ob die Fed in diesem oder im nächsten Jahr mit dem „Tapering“ beginnt – die Auswirkungen auf die meisten Finanzmärkte dürften geringer sein als im vergangenen Mai oder Juni. Ein wichtiger Unterschied besteht in der Ausgangssituation. Als im Mai zum ersten Mal über ein „Tapering“ gesprochen wurde, lagen die 10-Jahres-Renditen noch unter 2%. Seither sind sie um 80 – 90 Basispunkte angestiegen, so dass wir das Risiko eines ähnlich kräftigen Anstiegs in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum für sehr viel geringer halten als im Mai und Juni.

In der Zwischenzeit wurde das „Tapering“-Risiko zum grössten Teil eingepreist, und die Märkte scheinen den Unterschied zwischen „Tapering“ und einer Straffung der Geldpolitik (d.h. Zinsanhebungen) besser zu verstehen. Unter der neuen Fed-Vorsitzenden Janet Yellen dürfte das Prinzip der „Forward Guidance“ weiter verfeinert werden, und mit Zinsanhebungen ist wohl zumindest in den kommenden beiden Jahren nicht zu rechnen. Wenn der Beginn des „Tapering“ die Anleger nicht mehr dazu veranlasst, deutlich stärkere und/oder frühere Zinsanhebungen zu erwarten, dürfte der Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen sehr viel geringer ausfallen. Damit sollten auch die negativen Auswirkungen auf riskantere Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien im Vergleich zum Mai und Juni diesen Jahres deutlich schwächer sein.

Auch wenn die Zentralbanken weltweit weiterhin eine akkommodierende Politik verfolgen dürften, werden die Märkte künftig nicht mehr hauptsächlich von der Liquidität, sondern vom Wirtschaftswachstum und der Entwicklung der Unternehmensgewinne getrieben werden. Wir rechnen mit einer Fortsetzung der Konjunkturerholung, die zu höheren Gewinnen beitragen sollte. Auch die Wahrnehmung systemischer Risiken an den Märkten sollte weiter zurückgehen. Dies könnte zu niedrigeren Risikoprämien für Aktien beitragen. Die Kapitalströme spielen weiterhin eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die von grossen, globalen Geldverwaltern ausgelösten Ströme zwischen den einzelnen Assetklassen werden von grosser Bedeutung sein. Unseres Erachtens wird sich die Umschichtung von Barmitteln und „sicheren“ Anleihen in Aktien und riskantere Anleihen auch 2014 fortsetzen.

Aktien sind weiterhin unsere bevorzugte Assetklasse, wenngleich es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass 2014 ähnlich hohe Renditen erzielt werden wie in diesem Jahr. Unseres Erachtens sind die Chancen in Europa am grössten. Im Euroraum bleibt das Wachstum zwar schwach, aber die Peripherieländer sollten aufholen. Dasselbe gilt für die Unternehmensgewinne, die sich von einem niedrigen Niveau aus deutlich erholen könnten. Bei Staatsanleihen der Peripherieländer könnten sich die Spreads weiter einengen. Die Schwellenländer sind dagegen anfällig. Sie haben seit dem Beginn der bisher einmaligen Liquiditätsmassnahmen der Fed so viel ausländisches Kapital angezogen, dass durchaus das Risiko einer Umkehr der Kapitalströme besteht.

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