Ist Obamas Wahlsieg gut für die Aktienmärkte?

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag
Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag

Die Aktienmärkte reagierten zunächst leicht positiv auf Obamas Wahlsieg. Die zuweilen sehr kurzfristig orientierten Anleger schienen dieses Mal die langfristigeren Aussichten im Blick zu haben. Sie lassen die „fiskalische Klippe“ ausser Acht und sind eher an der Zeit danach interessiert, wenn die Zentralbank weiterhin Konjunkturimpulse geben dürfte. "Ist dieser Optimismus gerechtfertigt?", fragt sich Ad van Tiggelen von ING Investment Management.

08.11.2012, 11:31 Uhr

Redaktion: sek


Im restlichen Jahresverlauf könnten Unternehmensnachrichten und Zentralbankverlautbarungen weniger Einfluss auf die Finanzmärkte haben als normalerweise. Politische Nachrichten aus den USA, möglicherweise auch noch aus Griechenland und/oder Spanien, dürften stattdessen im Mittelpunkt stehen. Wenn der US-Kongress nicht bis zum 1. Januar Massnahmen ergreift, wird die US-Wirtschaft im Jahr 2013 fiskalische Entzugseffekte in Höhe von 600 Mrd. US-Dollar hinnehmen müssen, wodurch sie in eine Rezession geraten könnte. Gründe sind das Auslaufen einer Reihe von Steuersenkungen, die noch von der Regierung Bush erlassen wurden, und automatische Kürzungen von Verteidigungs- und sonstigen inländischen Ausgaben. Das Verfahren wird dadurch erschwert, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus und die Demokraten im Senat eine Mehrheit haben. Die Anleger rechnen wohl mit gutem Grund damit, dass zahlreiche steuerliche Erleichterungen im Jahr 2013 fortgeschrieben werden. Allerdings könnten sich die Diskussionen über dieses Thema als langwierig und schwierig erweisen und zum Jahresende hin zu Volatilität an den Aktienmärkten führen.

Demokratischer Wahlsieg erfreulich für Finanzmärkte
Abgesehen von diesem Thema dürfte der Wahlsieg der Demokraten in den USA ein erfreuliches Ergebnis für die Finanzmärkte sein. In einer Zeit, in der in den USA und in Asien Anzeichen für eine zaghafte Konjunkturerholung zu erkennen sind, ist es ganz besonders wichtig, dass das noch frische Vertrauen der Anleger in eine langfristig stimulierende Politik der Zentralbank gewahrt wird. Da Romney angedeutet hatte, dass er nach dem Ende der Amtszeit von Fed-Präsident Ben Bernanke im Januar 2014 jemand anderes auf diesem Posten installieren könnte, hätte dieses Vertrauen Schaden nehmen können.

Auch wenn sich die bevorstehenden Diskussionen im US-Kongress über den Umgang mit der fiskalischen Klippe schwierig gestalten könnten, wird sicherlich eine Lösung gefunden werden. Dann wird den Anlegern und den Unternehmen endlich klarer werden, wie die Aussichten für die US-Wirtschaft im Jahr 2013 sind. Dies ist dringend notwendig, zumal der Aufschwung vor allem deshalb noch anfällig ist, weil die Unternehmen noch nicht zu umfangreichen Investitionen bereit sind. Obwohl die US-Verbraucher durchaus ausgabefreudig sind, der Immobilienmarkt sich belebt und die Kreditvergabe der Banken sich erholt, zögern die amerikanischen Unternehmen, in die Zukunft zu investieren. Dieses Zögern könnte zumindest zum Teil ein Ende haben, wenn mehr Klarheit über die Fiskalpolitik unter Obama herrscht. Dazu sollten auch anhaltende Impulse seitens der Fed unter Bernanke beitragen.

Zeit für Reformen nötig
Die Wirtschaftsdaten in den USA und Asien haben sich zuletzt gerade in einer Zeit verbessert, in der die Konjunktur in Europa aufgrund der Belastungen durch Sparprogramme und politische Unsicherheiten lahmt. Diese Situation dürfte sich im Jahr 2013 nicht ändern; nur Deutschlands exportbedingte Stärke verhindert Schlimmeres. Ohne das moderate Wachstum ausserhalb Europas fiele die Eurokrise noch sehr viel ernster aus. Europa benötigt Zeit für Reformen, und diese Zeit kann ihm nur durch ein pro-aktives Handeln der EZB und ein kräftiges Wachstum der Weltwirtschaft verschafft werden.

Fazit: Wenn die mögliche Volatilität infolge der Diskussion über die fiskalische Klippe vorüber ist, dürfte der Wahlsieg Obamas eine Fortsetzung der Fiskal- und Geldpolitik sicherstellen, die für die Finanzmärkte in den vergangenen Jahren günstig war und auch 2013 wieder gut für sie sein könnte.

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