ING: Blick zurück in die Zukunft

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag
Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag

Obwohl Investmentbanken berufsmässig zum Optimismus neigen, klingen ihre jünsten Prognosen für 2012 ungewöhnlich verhalten. Angesichts der Eurokrise und des voraussichtlichen Rückgangs der Unternehmensgewinne ist das Anlageumfeld zweifellos schwierig. Doch bei Gewinnen auf Rekordstand und überaus soliden Bilanzen bieten Aktien weiterhin attraktive Chancen.

07.12.2011, 08:09 Uhr

Redaktion: sek


Das Jahr 2011 war vor allem davon geprägt, dass die Finanzmärkte wirtschaftspolitische Entscheidungen zunehmend mittragen, anstatt einfach nur auf sie zu reagieren. Insofern steht zu erwarten, dass sie auch eine tragfähigere Lösung der Eurokrise aktiv durchsetzen werden und damit einen politischen Prozess beschleunigen, der andernfalls Jahre dauern würde. Ein Auseinanderfallen der Eurozone wäre fatal, bleibt aber ein Risiko, das Investoren weder ignorieren noch begrüssen sollten. Letztlich ist diese Gefahr lediglich ein weiterer Grund zur Diversifikation, die in jedem Fall geboten ist.

Um die Chancen für 2012 zu begreifen, müssen wir zunächst die richtigen Lehren aus 2011 ziehen:

- Die Finanzmärkte sind nach wie vor unersättlich, wenn es um Wachstum geht (ähnlich wie die Konsumenten in den USA).

- Um die Wachstumsentwicklung aufrechtzuerhalten, sind die Märkte bereit, ein ungeheures Mass an Fremdfinanzierung in Kauf zu nehmen – solange sie ein Land oder Unternehmen als wettbewerbsfähig und flexibel einschätzen und sich das betreffende Land bzw. Unternehmen ausreichend Liquidität verschaffen kann.

- Gerade hier müssen die Zentralbanken zunehmend ihre Funktion als glaubwürdiger „Lender of Last Resort“ wahrnehmen – und vor allem als solcher wahrgenommen werden. Andernfalls würden die Geldmärkte zufrieren und es käme zu einer Abwärtsspirale, die schliesslich auch die Solvenz bedrohen würde.

Zeit ist dringend erforderlich
Daher ist Liquidität auf kurze Sicht das dringlichste Problem. Die Renditen britischer Langläufer liegen mittlerweile auf einem ähnlichen Niveau wie die vergleichbarer Bundesanleihen – trotz der weitaus besseren Rahmendaten in Deutschland. Grund ist die bessere Liquiditätsversorgung in Grossbritannien. Im Gegensatz zur EZB gilt die Bank of England nämlich als zuverlässiger Lender of Last Resort. Mit Liquidität kauft man Zeit. Und Zeit ist dringend erforderlich, damit Südeuropa Probleme wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität wirksam angehen kann – unter den wachsamen Augen von Markt und Aufsichtsbehörden.

Je nachdem, wie erfolgreich die politischen Entscheidungsträger mit der Konzipierung von Lösungen für die Liquiditätsklemme in der EWU sind, wird die Eurozone sich einer schweren oder lediglich einer leichten Rezession gegenübersehen. In den USA sind die Weichen für eine Fortsetzung der staatlichen Konjunkturförderung in 2012 bereits gestellt. Damit können die USA eine Rezession wahrscheinlich abwenden, auch wenn das Wachstum sehr bescheiden bleibt. Die Schwellenländer scheinen immer noch in guter Verfassung zu sein; ein langsameres Wachstum wird hier womöglich durch sinkende Zinsen ausgeglichen.

Begrenztes Aufwärtspotenzial bei Aktienkursen
Das oben skizzierte Szenario, bei dem es an den meisten entwickelten Märkten zu moderaten Gewinnrückgängen und an einigen Emerging Markets zu Gewinnzuwächsen kommt, spiegelt sich in den Aktienbewertungen bereits weitgehend wider. Angesichts der geringen Erwartungen hält sich die Wahrscheinlichkeit positiver oder negativer Überraschungen die Waage. Vor diesem Hintergrund weisen die Aktienkurse ein nur begrenztes Aufwärtspotenzial auf; insofern steigt die Bedeutung von Dividenden als Ertragsfaktor insgesamt.

Was empfehlen wir also? Wir setzen auf internationale Grossunternehmen mit gutem Zugang zu den Kapitalmärkten, Wachstum und auskömmlichen Dividendenrenditen. Das heisst: Energieaktien (vor allem Erdölkonzerne), Pharmakonzerne und Lebensmittelhersteller wegen der Dividenden und führende Technologieunternehmen wegen ihrer Wachstumsdynamik. Die hohen Dividenden europäischer Telcos und Versorger sollten mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden, denn hier mag es bei der Nachhaltigkeit hapern. Finanzwerte und Zykliker würden am stärksten von einer entschlossenen Lösung der Eurokrise profitieren; hier rechnen wir jedoch mit einem eher uneinheitlichen Verlauf.

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