Glas halb voll oder halb leer?

Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management
Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management

Entsprechend hat ING IM – erstmals in diesem Jahr – ihre Rohstoffposition übergewichtet. Bei Aktien bleiben sie über- und bei Staatsanleihen untergewichtet. Die aktuellen Einschätzunen von Valentijn van Nieuwenhuijzen, ING IM zeigen auf, ob man nun das Glas halb voll oder halb leer sehen soll?

16.09.2013, 09:14 Uhr

Redaktion: dab

"Seit Mario Draghi vor einem Jahr seine berühmte „Whatever it takes“-Rede hielt, haben die Märkte nach und nach ihre Ängste abgeschüttelt. Da die Gefahr eines kurzfristigen Luftangriffs auf Syrien vorerst gebannt zu sein scheint und die Ölpreise dementsprechend fallen, hellt sich auch die Stimmung an den Finanzmärkten wieder auf. Davon profitieren (generell) die risikoreicheren Werte. Belastend ist die Entwicklung indes weiterhin für Anleihen: Hier scheint sich der Aufwärtsdruck auf die Staatsanleiherenditen rund um den Globus kontinuierlich zu verstärken.

Es bleibt die Frage, wie stark die Zinsen noch steigen können, bis sie Wachstumserwartungen und Risikoappetit der internationalen Anlegerschaft beeinträchtigen. Wenn auch die Märkte in den vergangenen beiden Monaten gelegentlich verschreckt reagierten, so bietet die Weltwirtschaft doch ausreichend konjunkturellen Schwung, um sowohl die Kurse von Risikowerten als auch die Anleiherenditen – bis auf Weiteres – gleichzeitig anzuheben.

Dabei darf man nicht vergessen, dass unsere allzu menschliche Neigung, uns auf die möglichen Negativrisiken zu konzentrieren, bereits ein Risiko an sich darstellt. Insofern laufen wir ständig Gefahr, bei aller Fokussierung auf das sprichwörtliche „halb leere Glas“, mögliche Chancen zu übersehen. Für Investoren kann sich der Hang zum Pessimismus als kontraproduktiv erweisen, wenn im Entscheidungsprozess nicht gegengesteuert wird.

Zudem ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Versuchung gross, sich von den Schlagworten „Syrien“, „Tapering“ und „EM-Schuldenkrise“ suggerieren zu lassen, dass eine defensive Anlagestrategie zumindest taktisch Sinn macht. Es kann daher nicht genug betont werden, dass Faktoren wie die zunehmend synchron verlaufende Erholung in den entwickelten Ländern, Indizien für ein Erreichen der Talsohle in China und anhaltende Produktionslücken in den meisten Industrieländern ein erhebliches Aufwärtsrisiko für unser Basisszenario eines zwar moderaten, aber stetigen Aufschwungs darstellen.

Doch der globale Wachstumstrend geht nicht so rapide aufwärts, dass er die Marktbefürchtungen im Hinblick auf eine breiter angelegte Schuldenkrise in den Schwellenländern oder eine ernste politische Krise in Washington im Zuge der nächsten Verhandlungsrunde zum Thema Schuldengrenze völlig zerstreuen würde. Dieses Aufwärtsrisiko muss nun von den Märkten eingepreist werden; vorerst dürfte der Markttrend für risikoreiche Assets indes günstig bleiben.

Wir haben daher die Gelegenheit wahrgenommen, die freundlichere Marktstimmung zur Anpassung unserer Asset-Allokation an die globalen Wachstumstrends zu nutzen. Entsprechend haben wir – erstmals in diesem Jahr – unsere Rohstoffposition übergewichtet. Bei Aktien bleiben wir über- und bei Staatsanleihen untergewichtet.

Festverzinsliche

Bei Spreadprodukten sind High Yield (HY) und Senior Loans (SL) weiter unsere präferierten Übergewichte. Ertragsdynamik, Kapitalströme und die konjunkturelle Entwicklung in den USA sind für diese Fixed-Income-Werte günstig. Ferner gewichten wir auch Titel von der Euro-Peripherie sowie „Aaa“-geratete Euro-ABS-Papiere über, da freundlichere Konjunkturdaten und EZB-Massnahmen die systemischen Risiken deutlich gesenkt haben. Im Übrigen war die EMD-Untergewichtung wieder insgesamt ausgeglichen: Während die EM-FX-Position von einer moderaten zu einer geringen Untergewichtung ausgebaut wurde, haben wir EMD HC und Zinsprodukte von neutral auf eine geringfügige Untergewichtung heruntergefahren.

Aktien

Wir bleiben bei unserer zyklischen Sektorallokation. Bei Grundstoffen setzen wir wegen der günstigeren Metallpreise und besserer Konjunkturdaten aus China auf Übergewichtung. Hinzu kommt, dass die Anlegerschaft hier überwiegend untergewichtet positioniert ist. Zyklische Sektoren ausserhalb des Rohstoffsegments bleiben übergewichtet. Grund sind die Erholung am US-Wohnimmobilien- und Arbeitsmarkt sowie der erwartete Anstieg der Investitionstätigkeit. Auch bei Sektoren mit stabilen Zuwachsraten halten wir an einer Untergewichtung fest, da sie nach wie vor zu populär und damit zu teuer sind. Was geografische Regionen betrifft, bevorzugen wir Japan und Europa. In puncto Wirtschaftspolitik, Konjunkturdaten, Ertragsdynamik und Kapitalströme ist Japan weiterhin gut aufgestellt. Europa profitiert wiederum von geringeren Tail Risks, freundlicheren Daten aus China, einem verbesserten relativen Return Momentum sowie anhaltendem Anlegerpessimismus im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Euro. Daraus ergeben sich interessante Chancen.

Immobilien

Bei Immobilienaktien bleiben wir neutral. Die steigenden (realen) Renditen an den entwickelten Märkten belasten diese stärker fremdfinanzierte Anlageform in höherem Masse. Die im Vergleich zu anderen Assetklassen hohen Dividendenrenditen sowie bessere Wohnimmobiliendaten in den USA, Grossbritannien und China liefern ebenfalls positive Impulse. Aus Bewertungsgründen gewichten wir die Eurozone über.

Rohstoffe

Rohstoffe sind jetzt übergewichtet. Die weltweite Konjunkturerholung und die nachlassenden Risiken in China wirken sich hier günstig aus. Weitere Positivfaktoren sind die niedrigeren Lagerbestände sowie die Angebots-Nachfrage-Situation bei Metallen (stärkere Nachfrage aus China) und landwirtschaftlichen Produkten (widrige Witterungsbedingungen). Last but not least hat sich die Ertragsdynamik kurzfristig verbessert."

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