23.12.2024, 08:37 Uhr
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Aktienanlagen können immer für Überraschungen sorgen. Das gilt laut Vera German von Schroders umso mehr in den Schwellenländern. Sie erläutert aus ihrer Perspektive als Value-Anlegerin die drei wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Jahr.
Zwölf Monate an den Finanzmärkten gelten gemäss Vera German, Fund Managerin bei Schroders, normalerweise nicht als lange Zeit. Der Ansatz von Value-Anlegern sei sehr langfristig ausgerichtet: Bevorzugt würden lange statistische Datenreihen unter Berücksichtigung von mehr als 100 Jahren Finanzgeschichte. Aber wie Lenin einmal sagte: "Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und es gibt Wochen, in denen Jahrzehnte passieren.» Man könne mit Sicherheit behaupten, dass in den vergangenen zwölf Monaten sehr viel geschehen sei.
Drei Lektionen habe das Jahr Value-Anlegern in den Schwellenländern gelehrt. Zum einen müsse man vom eigenen Ansatz überzeugt sein. Als Fondsmanager müsse man an das glauben, was man tue. Ein Zitat, das oft Alexander Hamilton, einem der Gründerväter der USA, zugeschrieben werde, lautet: "Wer für nichts steht, fällt auf alles herein." Disziplin und Entschlossenheit sei bei vielen Gelegenheiten auf die Probe gestellt worden. So habe es vor einem Jahr Schwierigkeiten gegeben, Anlageideen in Lateinamerika zu finden.
Mexiko und Chile, deren Entwicklung am weitesten fortgeschritten sei, gehören zu den Bestandteilen des MSCI Emerging Markets (EM) Index. Die beiden Länder verfügen nach Aussage von Vera German über robuste inländische Pensionsfonds, die als Käufer der letzten Instanz fungieren und eine Bewertungsuntergrenze bieten, was diese Märkte strukturell teuer macht.
Brasilien, die andere grosse Komponente des lateinamerikanischen Universums, habe sich sehr gut entwickelt und biete für Value-Anleger nur begrenzte Möglichkeiten. Die Schwellenländer entwickeln sich nach Aussage der Fondsmanagerin jedoch ständig weiter, und das Blatt sollte sich in Chile und Brasilien schon bald wenden. In Brasilien ordnete Präsident Bolsonaro die Absetzung des CEO von Petrobras, der staatlichen Ölgesellschaft, an und ersetzte ihn durch einen Mann aus dem Militär ohne Erfahrung im Management oder Öl- und Gasgeschäft. Dies habe dazu geführt, dass der brasilianische Aktienmarkt im Februar 2021 um rund 10% nachgab.
Eine weitere Lektion seien politische Umwälzungen gewesen. Später im Jahr sei es in Chile nach Beobachtung der Schroders-Expertin zu einigen der bedeutendsten politischen Umwälzungen seit Jahrzehnten gekommen. "Die Wahlen für die verfassunggebende Versammlung hatten ein von den Markterwartungen stark abweichendes Ergebnis. Plötzlich winkte die Aussicht auf eine umfassende Verfassungsänderung", so German. Chile sei ein Markt, den einige Indexanbieter als Industrieland und nicht als Schwellenland einstufen. Allerdings sei niemand auf diese plötzliche Ungewissheit vorbereitet gewesen, sodass der lokale Index innerhalb weniger Tage um 12% fiel. Dadurch ergaben sich jedoch auch Chancen, da sich gute Anlagemöglichkeiten ausfindig machen liessen, wie qualitativ hochwertige Unternehmen – unter anderem eine Bank, ein Getränkekonzern und ein Versorgungsunternehmen.
Und zu guter Letzt gebe es kein Allheilmittel. So schütze Bewertungsdisziplin nicht vor Fehlern, zum Beispiel, wenn es um staatliche Unternehmen oder auch State-Owned Enterprise (SOEs) gehe. Die Frage, wie Staatsunternehmen zu behandeln seien, werde bei Investitionen in Schwellenländern oft diskutiert. Viele Anleger seien der Ansicht, dass man in ein Unternehmen, wenn es sein Schicksal nicht selbst bestimme, nicht mehr investieren könne. So stelle sich die Frage, ob Anleger von SEOs die Finger lassen sollten.
Vera German ist überzeugt, dass ein undifferenzierter Schwarz-Weiss-Ansatz in diesem Fall – oder bei Schwellenländern im Allgemeinen – nicht hilfreich ist und die Gefahr besteht, dass eine komplexe Realität zu stark vereinfacht wird. "Deep-Value-Anleger sollten in der Lage sein, die von Staatsunternehmen ausgehenden Risiken auszuhalten, sofern sie dafür entschädigt werden", sagt sie. Die vergangenen Monate erinnerten zudem daran, dass man nicht im Besitz des Staates sein müsse, um diesem Risiko ausgesetzt zu sein.
So könne die Aufsichtsbehörden gegen Technologieunternehmen in China jederzeit durchgreifen. Bei diesen Unternehmen handle es sich durchweg um Privatunternehmen. "Bis vor kurzem galten sie als unangreifbar. Sie spielten eine entscheidende Rolle in Chinas neuer Ökonomie, die sowohl bei ihren Akteuren als auch bei Investoren sehr beliebt ist", so die Fondsmanagerin. Es sei jedoch zu einer dramatischen Kehrtwende gekommen, als der Staat verdeutlichte, dass er jederzeit eingreifen könne, ob die Unternehmen nun SEOs seien oder nicht. Diese Situation zeige ganz deutlich, dass Themen wie der staatliche Einfluss in Schwellenländern sehr komplex seien, und eine differenziertere Sichtweise, anstatt eine grobe Unterteilung des Universums in SOEs und Privatunternehmen, gefragt sei.
Das vergangene Jahr sei zweifelsohne ereignisreich gewesen und gelernten Lektionen dürften für die kommenden zwölf Monate und darüber wertvoll sein.