Die stagflationäre Gemengelage vollzieht sich in den grossen Wirtschaftsblöcken der Welt aus völlig unterschiedlichen Gründen. (Bild: Shutterstock.com/Dmitry Demidovich)
Die hochansteckende Omikron-Variante, die von Angebotsknappheiten befeuerte Inflation und damit der Druck auf die Zinspolitik der Zentralbanken sowie die Invasion Russlands in der Ukraine haben den Anlegern ein bisher ausgesprochen unerfreuliches Jahr an den Kapitalmärkten beschert. Martin Lück von BlackRock über die Sorgen der USA, Europas und Ostasiens.
18.05.2022, 11:24 Uhr
Redaktion: rem
"Eines der Kernprobleme für Anleger besteht darin, dass nicht einfach, wie so oft in vergangenen typischen Konjunkturzyklen, zwischen Aktien und Anleihen substituiert werden kann. Wenn etwa in früheren Jahren eine Wachstumsschwäche die Zentralbanken bewegt hätte, die Zinsen zu senken, um eine sich abzeichnende Rezession abzumildern bzw. zu verhindern, bot dies Anlagepotenzial in Anleihen. Klassischerweise konnte damit der Anleiheteil des Portfolios einen Teil der Verluste bei Aktien wettmachen. Im Niedrigzinsumfeld des letzten Jahrzehnts funktionierte dies aber bestenfalls anekdotisch", sagt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.
Der Grund sei bekannt: Wenn Zinsen schon an ihrem absoluten Tiefpunkt seien, könnten sie kaum noch weiter fallen, was aber notwendig wäre, um einen Kursanstieg der Anleihen zu ermöglichen und damit einen Teil der Aktienverluste abzupuffern. Anleihen verloren also im Niedrigzinsumfeld ihre Ballastwirkung.
Stagflationäre Gemengelage
Nun komme im gegenwärtigen schwierigen Umfeld noch hinzu, dass der globale Konfliktcocktail Wachstums- und Inflationsrisiken gleichzeitig produziere. Diese stagflationäre Gemengelage vollziehe sich in den grossen Wirtschaftsblöcken der Welt zwar zeitgleich, aber in unterschiedlich ausgeprägtem Masse und interessanterweise aus völlig unterschiedlichen Gründen, so Lück. So ergäben sich Wachstumsängste in den USA vor allem aus der Befürchtung, die Fed könne die Zinsen bis zu einem Niveau anheben, bei dem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage abgewürgt wird. Und den Grund hierfür liefere eine Inflation, die inzwischen bei 8,3% liegt und sich immer weiter im Warenkorb ausbreite.
"Ganz anders in Europa: Hier droht keine Lohn Preis-Spirale, die Inflation ist vor allem energiepreisgetrieben und kaum jemand erwartet, dass die EZB die Zinsen über das neutrale Niveau hinaus anhebt", betont der Kapitalmarktstratege. Dagegen drohe aber konkrete Rezessionsgefahr vom Krieg Russlands gegen die Ukraine her, in Gestalt von Kaufkraftverlust durch steigende Energiepreise und dem lähmenden Stimmungseffekt, den ein derart schrecklicher Krieg direkt vor der Haustür mit sich bringt.
In Asien schliesslich sei es vor allem die Covid-Pandemie, welche mit wochenlangen neuerlichen Lockdowns das Wachstum massiv belaste und damit globale Stagnationsrisiken verstärke sowie über unterbrochene Lieferketten Angebotspreise weiter treibe. "Richtet sich also in den USA die Hauptsorge auf die Zentralbank, so hadert Europa mit Russlands Angriffskrieg und Asien mit den Covid-Folgen, ergänzt durch unzählige weitere Schattierungen und Kombinationen dieser Risikofelder in den sonstigen Volkswirtschaften der Welt", bringt es Lück auf den Punkt.
Grosse Wirtschaftsräume schauen wieder mehr auf sich selbst
Dass die Triade aus den USA, Europa und Ostasien jeweils auf andere Sorgen konzentriert sei, biete einen Blick in die Zukunft auf das, was aktuell gern als Zeitenwende bezeichnet werde, in Wirklichkeit nach Lücks Meinung vermutlich aber eine Kombination verschiedener Zeitenwenden sei: "Nämlich dass sich im Zuge der Globalisierung 2.0 die für die Weltwirtschaft wichtigsten Teile wieder mehr auf sich selbst konzentrieren werden. Der Versuch, unabhängiger zu werden, dürfte künftige Wachstums- und Zinszyklen wieder asynchron werden lassen. Das muss nicht immer schlecht sein, erschwert aber etwa die Bewältigung grosser globaler Aufgaben wie etwa der Energiewende."
BlackRock bleibt trotz der schwierigen Konstellation aus komplexen Problemfeldern und einer kaum kalkulierbaren Eskalation dessen, was die Experten noch vor kurzem geopolitisches Risiko genannt hätten, für globale Aktien übergewichtet. Hierfür gebe es vor allem drei Gründe: "Erstens dürfte ein Grossteil der erwarteten Wachstumsschwäche eingepreist sein. Zweitens dürften sich Zinsängste bezüglich Fed und EZB auf Sicht als übertrieben erweisen und zum Teil wieder ausgepreist werden. Und drittens bleiben die Realzinsen wohl im historischen Vergleich niedrig, was für ein Übergewicht realer Anlagen spricht", so Lück. Klar sei aber, dass die Aktienpreise volatil bleiben dürften. Innerhalb der Anlageklasse Aktien könnte daher eine eher risikominimierende Positionierung, etwa in Minimum-Volatilitäts- oder Qualitätsaktien, eine erfolgversprechende Strategie sein.
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