Bantleon: Aktien und Rohstoffe bleiben unter Druck

Dr. Harald Preissler, Chefökonom von Bantleon
Dr. Harald Preissler, Chefökonom von Bantleon

Viele Analysten sehen die Schuldenkrise als Ursache für die Schwäche bei Aktien und Rohstoffe und rechnen schon bald wieder mit steigenden Notierungen bei diesen Assetklassen. Das sieht Bantleon Chefökonom Dr. Harald Preissler anders: Die Wachstumsabschwächung in vielen Ländern dürfte auch in der zweiten Jahreshälfte 2011 die Kurse belasten.

01.09.2011, 13:08 Uhr

Redaktion: mak

Herr Dr. Preissler, was spricht gegen steigende Notierungen von Aktien und Rohstoffen in den nächsten Monaten?

Dr. Harald Preissler: Viele Analysten gehen davon aus, dass die jüngsten Einbrüche bei Aktienkursen und Rohstoffpreisen ausschliesslich mit der Schuldenkrise zusammenhängen. Das stimmt aber nicht. Vielmehr hat die Schuldenkrise die Abwärtsbewegung nur verstärkt, weil viele Anleger in dem unsicheren politischen Umfeld risikobehaftete Anlagen verkauft haben. Selbst wenn die Schuldenkrise abebben würde, blieben Aktien und Rohstoffe unter Druck.

Was steckt dann dahinter?

Nahezu alle relevanten Frühindikatoren in sämtlichen Weltregionen befinden sich seit Februar/März dieses Jahres wieder auf Tauchstation. Unsere Frühindikatoren haben die Trendwende der internationalen Stimmungsbarometer sogar schon im Herbst 2010 angekündigt, sie kommt deshalb nicht überraschend. Trotzdem wurde diese Entwicklung lange Zeit von den Finanzmärkten ignoriert oder als temporär und damit irrelevant abgetan. Das hat sich nach den jüngsten heftigen Rücksetzern in wichtigen US-amerikanischen und europäischen Stimmungsbarometern grundlegend geändert. Jetzt herrscht Rezessionsangst.

Woher rührt diese Schwäche?

Ausschlaggebend ist ein ganzes Bündel von Faktoren. Erstens ist die Geldpolitik in den Industrienationen längst nicht mehr so expansiv wie in den Jahren 2010 und 2009; massgeblich hierbei sind nicht die immer noch niedrigen Leitzinsen, sondern der fehlende Nachschub an monetären Impulsen. Strukturell stark belastete Volkswirtschaften wie die von zu hohen Schulden gepeinigten Industrieländer fallen deshalb ohne neue stützende Hilfen zurück in die Agonie. Zweitens sind auch die fiskalischen Impulse kein schiebender Faktor mehr, sondern ein bremsender, denn unter dem Druck hoher Schulden fahren die meisten Länder ihre Ausgabenprogramme zurück oder lassen sie auslaufen. Drittens entfalten die kräftig gestiegenen Rohstoffpreise allmählich ihre zersetzende Wirkung. Solange die konjunkturelle Dynamik ständig zunimmt, sind höhere Preise für Vorprodukte und Komponenten leicht wegzustecken. Lässt aber der Rückenwind von der Nachfrageseite nach, wird der Druck auf die Gewinnmargen schnell schmerzhaft – mit negativen Folgen für das Investitionsklima. Viertens sind die grossen Schwellenländer – mit China, Indien und Brasilien an der Front – wegen der hohen Inflation auf einen restriktiven Kurs eingeschwenkt, der eine spürbare Abschwächung des Expansionstempos zur Folge haben dürfte. Fünftens ist die Staatsschuldenkrise für sich ebenfalls ein Belastungsfaktor. Das gilt nicht nur für die Verunsicherung, die aus einer möglichen Kettenreaktion an den Finanzmärkten resultiert, sondern auch für die konjunkturschädliche Wirkung der enorm hohen Zinsen, die Staaten und Unternehmen aus der EUR-Peripherie schultern müssen.

Was folgt daraus für die Renditeentwicklung von Staatsanleihen?

Vor der jüngsten Eskalationswelle pendelten 10-jährige deutsche Bundesanleihen um 3,0 Prozent, derzeit liegen sie bei etwa 2,2 Prozent. Aus fundamentaler Sicht sollte der konjunkturelle Abschwung die Renditen innerhalb der nächsten acht Monate bis auf 2,0 Prozent drücken, sie dürften also weiter sinken, wenn auch im Ausmass nicht mehr ganz so drastisch wie zuvor. In den Peripheriestaaten werden die Risikoprämien gegenüber Bundesanleihen wohl vorerst hoch bleiben oder sogar weiter steigen – wenn die konjunkturellen Sorgen dort zunehmen. Mit Blick auf Schweizer Eidgenossen gehe ich aus denselben Gründen von neuen Renditetiefstständen aus, 10-jährige Anleihen dürften dort unter der 1,0-Prozent-Marke verharren. Mit einer Umkehr der gegenwärtigen Markttrends rechne ich nicht vor dem Frühjahr 2012, sofern bis dahin das Konjunkturtal durchschritten wurde.

Und wie werden Covered Bonds und Unternehmensanleihen sich entwickeln?

Bei Covered Bonds, die zuletzt wegen der anziehenden Geldmarktsätze und der generell gestiegenen Risikoaversion gegenüber Bankentiteln jedweder Art unter Druck standen, sehen wir durchaus Chancen. Ich erwarte keine weiteren Leitzinserhöhungen mehr, sodass die Geldmarktsätze nach unten drehen sollten. Das spricht für sinkende Risikoprämien bei Covered Bonds innerhalb der nächsten zwölf Monate. Bei Unternehmensanleihen ist das Ertragspotenzial hingegen beschränkt. Denn eine Begleiterscheinung der nachlassenden Konjunkturdynamik ist der wachsende Druck auf die Gewinnmargen, der sich negativ auf die Finanzkraft der Unternehmen auswirkt. Perspektivisch dürften hochqualitative Staatsanleihen sich deshalb besser entwickeln als Unternehmensanleihen.

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