Anleihen wieder im Mittelpunkt

Hans Stoter, Global Head of Credit Investments & Lead Portfolio Manager Global High Yield bei ING Investment Management
Hans Stoter, Global Head of Credit Investments & Lead Portfolio Manager Global High Yield bei ING Investment Management

Mit Renditen deutscher Bundesanleihen auf Rekordtief und der Aussicht auf rückläufige und dabei volatilere Aktienerträge sollten Anleger ihre Allokationen überdenken, meint Hans Stoter von ING Investment Management.

22.06.2012, 10:46 Uhr

Redaktion: sek

Traditionell bilden Staatsanleihen den Kern institutioneller Portfolios, abgerundet von risikoreicheren Aktienpositionen im Rahmen der strategischen und taktischen Asset-Allokation. Ziel ist die Erhöhung der Portfolioerträge insgesamt. Retail-Investoren gehen ihre Portfolios dagegen oftmals von der anderen Seite an: Aktien im Kern und Staatsanleihen zur Ergänzung, falls die Aktienmärkte negativ tendieren.

Allokationen überdenken
Im Ergebnis haben diese traditionellen Herangehensweisen an die Asset-Allokation zu Portfolios geführt, in denen Aktien und sichere Werte hohe Gewichtungen aufweisen. Doch mit Renditen deutscher Bundesanleihen auf Rekordtief und der Aussicht auf rückläufige und dabei volatilere Aktienerträge (infolge der schwächelnden Weltwirtschaft) sollten Anleger ihre Allokationen überdenken.

Die Gewichtung von Rentenwerten orientiert sich im Allgemeinen an aggregierten Indizes, die die verschiedenen Unterformen festverzinslicher Werte, wie Staats- oder Unternehmensanleihen, nach Marktkapitalisierung gewichten. Im Ergebnis kommt es zu einer hohen Allokation von Papieren, die eine hohe Gewichtung in der Benchmark aufweisen (wie Staatsanleihen), während jene Festverzinslichen, die in den aggregierten Indizes nicht vertreten sind (zum Beispiel High-Yield-Unternehmensanleihen und EM-Schuldtitel), wenn überhaupt nur sehr gering gewichtet werden. Wann immer Investoren ihr Portfoliorisiko senken möchten, sind es eben diese letztgenannten Werte, die zuerst abgestossen werden.

Ende des Bullenmarktes für Anleihen
Bislang waren die Erträge, die mit einer solchen an der Marktkapitalisierung orientierten Allokationsstrategie zu erzielen waren, recht gut. Günstig erwies sich hier der langfristig rückläufige Zinstrend, der seit Anfang der 1980er Jahre zu beobachten ist. Doch bei Zinssätzen, die in Richtung 1 Prozent steuern, nähert sich jetzt das Ende des dreissigjährigen Bullenmarktes für Anleihen. Der Aufbau von Positionen in Staatsanleihen mag im Hinblick auf das Kreditrisiko immer noch als risikofreie Option gelten, allerdings mit der Aussicht auf immer niedrigere Erträge und sogar der Gefahr negativer Renditen, wenn die Zinsen erst einmal wieder steigen. Damit haben Staatsanleihen aus Sicht der Asset-Allokation allerhand an Attraktivität eingebüsst.

Im Gegensatz zur ausschliesslichen Allokation in Fixed Income werden Aktienpositionen mit dem Ziel höherer Renditen aufgebaut. Dabei wird die höhere Volatilität dieser Anlageform im Vergleich zu Fixed Income solange als selbstverständlich hingenommen, wie die Erträge dieses zusätzliche Risiko ausgleichen. Bei traditionellen Allokationskonzepten beruht die Gewichtung von Aktien auf soliden historischen Erträgen, die über längere Zeiträume verfolgt werden. Die Finanzkrise löste indessen einen massiven Kursrutsch aus, der vom vierten Quartal 2007 bis zum ersten Quartal 2009 anhielt. Damit war das Anlegervertrauen in die Fähigkeit von Aktien, anhaltend attraktive Renditen abzuwerfen, nachhaltig erschüttert.

Die Renditeerwartungen der meisten Asset-Allokations-Modelle erwiesen sich als zu optimistisch. Seit sie im März 2009 die Talsohle erreichten, haben sich die Aktienmärkte zwar erholt, konnten allerdings nicht wieder an die früheren Höchstwerte anknüpfen. Gleichzeitig verharrte das mit Aktienanlagen verbundene Risiko auf hohem Niveau, wie sich an den starken Schwankungen von einem Tag zum Anderen ablesen lässt. Allgemein erwartet man im weiteren Verlauf ein rückläufiges Wachstum weltweit. Insofern werden die Risiko-Ertrags-Merkmale dieser Asset-Klasse in Zukunft deutlich unter den Werten der Vergangenheit liegen.

Starke Gewichtung auf Bundesanleihen und risikoreiche Aktien
Die Anlegerschaft wird sich dieser neuen Realität aus niedrigen risikofreien Renditen, zunehmender Ungewissheit und volatiler Aktienerträge wohl insofern anpassen, als dass man bei der Portfolio-Allokation von einer Barbell-Struktur (starke Gewichtungen an den beiden Enden des Risikospektrums: Bundesanleihen und risikoreiche Aktien) zu einer Konzentration auf den mittleren Bereich übergeht (mit Schwerpunkt auf gering volatile Ertragstitel). Den Kern eines solchen Portfolios bilden Rententitel mit Risikoaufschlag, wie Hochzinsanleihen, IG-Unternehmensanleihen, Covered Bonds, Staats- und Unternehmensanleihen von den Emerging Markets, Asset Backed Securities und Mortgage Backed Securities. Alle Werte, die einen deutlichen Spread-Pickup gegenüber Bundesanleihen bieten, eignen sich für diese Allokationsstrategie. Die Strukturierung der entsprechenden Portfolios erfolgt auf Basis dieser Art von Fixed-Income-Titeln. Anleger, die sich um steigende Zinsen oder Inflationsraten sorgen, können dieses Risiko mithilfe von Derivaten mindern.


Konsequenzen für Anlageströme



Grafik 1 stellt das traditionelle Konzept dar, bei dem risikofreie Staatsanleihen den Kern des Portfolios bilden, während Festverzinsliche mit Spread-Pickup sowie Aktien zur Verbesserung der Renditen beigemischt werden. Angesichts dieser neuen Realität extrem niedriger risikofreier Renditen wird mit einer Schwerpunktverlagerung gerechnet: Festverzinsliche mit Spread-Pickup bilden den Kern, ergänzt durch begrenzte Allokationen in risikolose Staatsanleihen und Aktien, um so das Risiko zu mindern bzw. die Erträge zu erhöhen (Grafik 2).

Dies könnte zu einem völligen Umdenken bei den Asset-Allokationsstrategien führen. Bereits jetzt erleben wir eine Verlagerung von Aktien zu höher rentierlichen Fixed Income-Werten. Angesichts der ungewissen Situation in Europa konzentrieren sich Investoren stärker auf den Kapitalerhalt und halten daher an ihren sicheren Staatsanleihen fest. Sobald die Angst abebbt, dürfte indes eine deutliche Verlagerung hin zu festverzinslichen Anlageformen mit Risikoaufschlag einsetzen. Das kann aber noch etwas dauern. Für Festverzinsliche mit Spread-Pickup sind diese Allokationstrends ausserordentlich günstig. Insofern kommt es hier zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung: attraktive Erträge bei moderatem Risiko in einem von niedrigen Renditen geprägten Umfeld.

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