20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
EZB-Präsident Mario Draghi werde sein Wort in Form einer Zinssenkung halten müssen, sagt BlackRock-Stratege Martin Lück mit Blick auf die EZB-Sitzung am Donnerstag. Der Aufkauf weiterer Wertpapiere werde jedoch verschoben. Es werde quasi das "Antrittsgeschenk" der neuen Präsidentin Christine Lagarde sein. Anderer Meinung ist Paul Brain von BNY Mellon Investment Management. Jetzt sollten sogar die Regierungen handeln.
Trotz der vielen politischen Unsicherheiten laufen die Risikomärkte so gut. Zu erklären ist diese Entwicklung mit der weiterhin expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Kehrtwende der US-Notenbank Fed. Letztere hat ihre Rückkehr zu wieder höheren Zinsen gestoppt und schaltet nach übereinstimmender Erwartung an den Märkten an ihrer Sitzung von nächster Woche wieder den Vorwärtsgang ein.
Noch früher trifft sich die Spitze der EZB am diesem Donnerstag. Entsprechend sind alle Augen am Finanzmarkt unmittelbar nach Frankfurt gerichtet, wo EZB-Chef Mario Draghi seinen Worten Taten folgen muss. Schon früher im Jahr hatte er weitere geldpolitische Lockerungsschritte angekündigt. Würde er davon absehen, wäre ein Entrüstungssturm an den Märkten gewiss. Das würde der auf zufriedenstellend laufender Wirtschaft und mässiger Inflation bedachter Geldhüter zuwiderlaufen.
Martin Lück von BlackRock sagt denn auch voraus, dass Mario Draghi auf seiner vorletzten Pressekonferenz als EZB-Präsident die Senkung des Einlagezinses um 10 oder maximal 20 Basispunkte bekanntgeben wird. Die Finanzmärkte haben einen solchen Schritt eingepreist.
Offen ist, was er der Wirtschaft nützt. Paul Brain, Head of Fixed Income bei Newton IM, einer Investmentgesellschaft des US-Finanzhauses BNY Mellon Investment Management, ist skeptisch. Eine moderate Senkung der Leitzinsen - um vielleicht 10 Basispunkte - dürfte die europäische Wirtschaft nicht stark beeinflussen. "Ein solcher Schritt untermauert die negative Zinsstruktur weiter, die für den Bankensektor und die Anleger so schädlich ist", gibt er im Gegenteil zu bedenken. Andere Ansätze wie der Kauf von Anleihen und die Bereitstellung von Liquidität für den Bankensektor könnten die Wirtschaft unterstützen.
Die Verlangsamung des Welthandels seit Mitte 2018 stelle die Geldpolitik – das derzeit einzig verfügbare Instrument – auf die Probe. Tatsächlich wird bereits darüber spekuliert, dass die Regierungen mit fiskalpolitischen Massnahmen nachziehen werden. Vorderhand stelle sich der Markt ausser auf eine moderate Leitzinssenkung auch auf eine Wiederaufnahme der Anleihenkäufe ein. Zudem steige die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB die Zinsen noch weiter senken werde.
Das würde bedeuten, dass sich die «Japanisierung» Europas, eine wie in Japan lange Zeit anhaltende Phase von billigem Geld, mässiger Konjunktur und Deflationsrisiken, fortsetzen dürfte. Behält Brain Recht, stimmt das nicht sonderlich zuversichtlich für die Börse. Die Erfahrung in Japan zeigt: Nippons Aktienmarkt entwickelt sich seit Jahren mehr schlecht als recht.
Überhaupt sei die Geldpolitik allmählich am Ende ihres Lateins. Entsprechend werden Stimmen laut, die Regierungen müssten in den Konjunkturkreislauf beispielsweise mit mehr Staatausgaben eingreifen. "Künftig sollten sich alle Marktteilnehmer stärker darauf konzentrieren, welche Richtung die Regierungen fiskalpolitisch einschlagen, als sich nur auf die Entscheidungen der Zentralbanken zu fixiere", folgert Brain.
BlackRock-Stratege Lück äussert sich punkto neuer Wertpapierkäufe der EZB zurückhaltender. Die EZB werde am Donnerstag den Ankauf weiterer Titel zunächst nur in Aussicht stellen und ihn nicht präzisieren, meint er. So sichere die Zentralbank sich selbst und den Märkten die Aussicht auf positive Nachrichten Richtung Jahresende, was auch mit Blick auf die neue Präsidentin Christine Lagarde erwünscht sein kann. "Für Risikoanlagen wären dies in jedem Fall gute Nachrichten", betont Lück. Solange es dann aus London, Washington, Peking etc. keine dramatischen Störgeräusche gibt, blieben fürs erste zumindest "die Signale auf grün."
Dafür rechnet BlackRock mit Massnahmen der EZB, um die negative Wirkung des "Strafzinses" auf die Banken abzumildern, etwa ein Staffelungssystem. Schon länger klagen Banken, die im klassischen Einlagengeschäft stark aktiv sind, darüber, dass die Strafzinsen an ihren Erträgen nagen. Um ihnen entgegenzukommen, könnte die EZB bestimmte Freibeträge definieren. Diese wären dann von den Strafzinsen ausgeschlossen.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters darlegt, orientiert sich in der Schweiz der Freibetrag am sogenannten Mindestreservesoll. Das ist die Höhe an Geld, die eine Geschäftsbank als Einlage bei der Notenbank halten muss. Die Schweizer Nationalbank räumt den Banken einen Freibetrag in Höhe des 20-fachen ihres jeweiligen Mindesreservesolls ein. Die EZB kann allerdings den Strafzins nicht ganz abschaffen. Dann würden die gewünschten geldpolitischen Anreize verpuffen, um überschüssige Liquidität in Form von Darlehen an die Wirtschaft weiterzureichen.
Martin Lück geht in seinem jüngsten Marktreport auch auf den Handelszwist ein. Sowohl China wie die USA scheinen neuerdings wieder gesprächsbereit zu sein. Ein Abkommen erscheine wieder möglich. Doch gleichzeitig mahnt der BlackRock-Stratege zur Vorsicht. Schon allzu oft schien es, als sei der Konflikt nahezu beigelegt, nur um dann im letzten Moment wieder hoch zu kochen: "Erinnern wir uns nur an Anfang Mai, als die chinesische Delegation gefühlt schon auf dem Weg nach Washington war und der Vertragsabschluss dann doch in letzter Minute durch einen Tweet des US-Präsidenten verhindert wurde."
Es sei also ratsam, die Entspannung im Handelskonflikt erst zu feiern, wenn die Tinte auf dem Vertrag trocken ist. Ohnehin gehe es ja nur um eine relativ oberflächliche Verabredung. Denn auf mehr als auf niedrigere Zölle und darauf, dass China mehr aus den USA importiert, werde man sich kaum einigen können. Die eigentlich relevante Rivalität, jene um die strategische und vor allem technologische Vormachtstellung im 21. Jahrhundert, sei weder für die chinesische noch für die US-Führung verhandelbar.