Weiterhin zweigleisige globale Erholung

06.07.2010, 15:48 Uhr

Die Weltwirtschaft erholt sich weiterhin sehr unterschiedlich. Währenddem in den Industrieländern noch immer eine restriktive Fiskal- und expansive Geldpolitik vorherrscht, gibt es in den Schwellenländern kaum Wachstumshemmnisse.

Die Staatsschuldenkrise in den "Club Med"-Ländern der südlichen Eurozone hat die zweigleisige Natur der globalen Wirtschaftserholung verschärft, schreibt John Greenwood, Chefökonom von Invesco, in seinem Wirtschaftsausblick für das dritte Quartal 2010. Auf der einen Seite bemühen sich die westlichen Industrieländer darum, die drohende Schuldenkrise durch haushaltspolitische Konsolidierungen abzuwenden, ohne die konjunkturelle Erholung im Keim zu ersticken. Auf der anderen Seite setzen die wachstumsstarken Schwellenländer auf eine restriktivere Fiskal- und Geldpolitik, um wirtschaftlichen Überhitzungserscheinungen entgegenzuwirken.

Schwache, aber selbsttragende Erholung erwartet
Angesichts der Tatsache, dass die Industrieländer ihrer restriktiveren Fiskalpolitik fortgesetzte geldpolitische Impulse entgegensetzen, hält Greenwood eine selbsttragende Erholung in den entwickelten Volkswirtschaften weiter für wahrscheinlich. Aufgrund des massiven Bedarfs für Bilanzreparaturen wird der Aufschwung seiner Meinung nach jedoch schwächer ausfallen als die typischen Erholungen der Nachkriegszeit.

"An den Finanzmärkten dürfte dieses Umfeld – niedrige Zinsen, moderates Wachstum und geringer Inflationsdruck in den Industrieländern – im weiteren Verlauf des Jahres eine Fortsetzung des Aufwärtstrends an den Aktienmärkten ermöglichen, allerdings nicht mit der zwischen März und September 2009 gesehenen Dynamik", schreibt der Chefvolkswirt von Invesco. "Die Obligationsmärkte der Industrieländer haben von der unerwartet niedrigen Teuerung und dem anhaltend schwachen Finanzierungsbedarf der privaten Haushalte und Unternehmen profitiert. Allerdings werden sie weiter von den anhaltenden Sorgen über eine mögliche staatliche Emissionsflut belastet." An den Schwellenbörsen würden binnenwirtschaftlich orientierte Unternehmen von den zu erwartenden kräftigen Wachstumsraten und Währungsaufwertungen profitieren.

Krise in Europa wird noch einige Monate andauern
Nach der ersten, vom Aufschwung im verarbeitenden Gewerbe und den Konjunkturprogrammen angetriebenen Erholung dämpft der Zwang zur Bilanzgesundung Konsum und Unternehmensinvestitionen in den USA, so dass die Wachstumsrate der US-Wirtschaft wieder unter Trend fällt. Der Chefökonom von Invesco rechnet für 2010 mit einem realen BIP-Wachstum von 2,8% für die US-Wirtschaft.

Die Aussichten der Eurozone werden derweil von der Staatsschuldenkrise in den Euro-Randstaaten überschattet. "Die Eurozone kämpft mit einer Reihe von fundamentalen Problemen, die in der unterschiedlichen Situation der Mitglieder der Währungsunion, der fehlenden Möglichkeit einer Wechselkursanpassung zur Förderung des exportgetriebenen Wachstums sowie der damit verbundenen Schwierigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und Staatsfinanzen der Randstaaten zu stärken, begründet sind. Dies wird die Erholung mit grosser Wahrscheinlichkeit verlangsamen und dafür sorgen, dass die Krise noch viele Monate andauert", meint Greenwood. Er rechnet mit einem realen BIP-Wachstum von 1,0% für die Eurozone im Jahr 2010.

Japan mit starker Exportwirtschaft
In Grossbritannien wird die Erholung von der verbesserten finanziellen Lage, den wachsenden Exporten und dem temporär starken Lageraufbau gestützt. Zugleich dürften die steigende Inflation, die anhaltende Kreditknappheit und das Sparpaket der neuen Regierung das Wachstum im Jahr 2010 dämpfen. Greenwood prognostiziert ein reales BIP-Wachstum von 1,0% für 2010, geht aber davon aus, dass die Erholung im Jahr 2011 an Fahrt gewinnt, wenn der private Konsum und die Unternehmensinvestitionen wieder anziehen.

In Japan erholt sich die Binnenwirtschaft zwar weiter nur schleppend. Auf Gesamtjahressicht dürften das starke Wachstum der Exportwirtschaft und die positiven Basiseffekte in der ersten Jahreshälfte 2010 jedoch ein reales BIP-Wachstum von 3% ermöglichen. "Angesichts der hohen japanischen Staatsverschuldung muss die Regierung die Staatsfinanzen entschlossen konsolidieren und konsequente angebotsseitige Massnahmen umsetzen, um Wachstumsimpulse in der Privatwirtschaft zu setzen", betont Greenwood. Allerdings hätten angebotsseitige Reformen selten ausgereicht, um einen nachhaltigen Wachstumsschub auszulösen.

Lateinamerika ebenfalls mit gutem Wachstum
Vor dem Hintergrund der Bemühungen der chinesischen Regierung um eine Abkühlung des Immobilienmarktes und der nachlassenden Auswirkungen des Konjunkturpakets von 2008-2009 rechnet Greenwood in China in diesem Jahr mit einem BIP-Wachstum von 11,2%. Im Jahr 2011 wird das Wachstum seinen Schätzungen zu Folge auf 10,4% nachgeben. Derweil gewinnen die Exportwirtschaft und die inländischen Nachfrage in den anderen asiatischen Volkswirtschaften weiter an Dynamik, so dass hier im Jahr 2010 kräftige Wachstumsraten zu erwarten sind.

Auch die lateinamerikanischen Volkswirtschaften bleiben in diesem Jahr klar auf Wachstumskurs, nachdem sie die globale Finanzkrise ohne nennenswerte Schuldenzuwächse überstanden haben und Inflation und Zinsen in einigen Fällen den niedrigsten Stand seit 40 Jahren erreicht haben. Greenwood zu Folge wird das Wirtschaftswachstum in der Region im Jahr 2010 etwa 4,5% erreichen, wobei Brasilien und zunehmend auch Mexiko die treibenden Kräfte sind. "Unter der Annahme, dass es nicht zu einer ‚Double-Dip‘-Rezession in den westlichen Industrieländern oder Asien kommt, dürften auch die Rohstoffpreise stabil bleiben und eine solide Grundlage für Exporterträge und wachsende inländische Einnahmen bilden", so der Chefvolkswirt von Invesco.

Wachstumsimpulse primär aus den Emerging Markets
Insgesamt meint Greenwood, dass die grössten globalen Wachstumsimpulse von der inländischen Nachfrage in den Schwellenländern ausgehen werden. Obwohl sich die Exportwirtschaft dieser Länder ebenfalls erholt, wird ihr BIP-Wachstum durch die schwache Erholung in den Industrieländern begrenzt. Greenwoods Fazit: "Die restriktivere Politik in diesen Ländern wird den Inflationsdruck dämpfen; der globale zyklische Aufschwung sollte aber dennoch anhalten." (cl)

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