Warum BRIC, wenn GEM viel besser ist?

19.10.2010, 17:00 Uhr

Seit Ausbruch der Kreditkrise 2008 sind zumindest zwei Dinge klar geworden: Erstens bleiben die Wachstumsaussichten für die USA und Europa weiterhin schlecht und zweitens beeinträchtigt dies die Wachstumsentwicklung in den Schwellenländern immer weniger. In den Märkten Indonesion, Indien und Ägypten könnten Konsum- und Investitionswachstum sogar über 10 Prozent liegen, schätzt Maarten-Jan Bakkum von ING Investment Management in seiner Oktober-Kolumne.

Maarten-Jan Bakkum
Global Emerging Markets (GEM)-Stratege
bei ING Investment Management, Den Haag

Bedenkt man, dass das Wachstum in den Industrieländern wohl noch mehrere Jahre auf niedrigem Niveau verharren wird und dass die geldpolitischen Instanzen weiterhin alles daran setzen werden, Inflation abzuwenden, empfiehlt sich eine deutliche Übergewichtung von EM-Titeln im Portfolio und ein stärkeres Engagement an den risikoreicheren Schwellenländermärkten. Auf diese Weise profitiert der Anleger nicht nur vom relativen organischen Wachstum, sondern auch vom weltweit hohen Liquiditätswachstum.

Die Märkte mit den besten Aussichten auf einen Anstieg der Binnennachfrage sind Indonesien, Indien und Ägypten. Das Wirtschaftswachstum wird in diesen Ländern von einer starken demografischen Entwicklung, anhaltender Deregulierung und relativ gesunden Finanzsystemen angetrieben. Diese drei Länder reagieren daher weitaus weniger sensibel auf eine konjunkturelle Abschwächung in den Industrieländern als andere Emerging Markets. Hier könnten Konsum- und Investitionswachstum über mehrere Jahre durchaus 10 Prozent übersteigen.

Auch China zählt weiterhin zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt, trotz der in den nächsten Jahren zu erwartenden höheren Schuldenquote und demografischen Abschwächung. Das BIP-Wachstum dürfte über die nächsten fünf Jahre von aktuell rund 10 Prozent auf etwa 7 Prozent sinken. Momentan beruht die Attraktivität des chinesischen Aktienmarktes im Wesentlichen auf der Erwartung, dass eine wirtschaftspolitische Entspannung in China in den kommenden Quartalen wahrscheinlicher ist als eine Verschärfung. Hinzu kommen die positiven Aussichten für den Zustrom von Kapital und die Tatsache, dass die chinesischen Aktienkurse im bisherigen Jahresverlauf denen anderer Schwellenländer hinterhergehinkt sind.

Auch die Aktienmärkte Brasiliens und Russlands haben in diesem Jahr unterdurchschnittlich abgeschnitten. Was beiden Märkten gemeinsam ist, ist das Risiko: Innerhalb des EM-Universums weisen Brasilien und Russland das höchste Beta auf. Das deutet darauf hin, dass diese beiden Märkte im aktuell liquiditätsgetriebenen Marktumfeld wohl weiterhin gute Ergebnisse erzielen werden. Brasiliens Attraktivität ist vor allem auf zwei Besonderheiten zurückzuführen: die voraussichtliche wirtschaftspolitische Kontinuität unter Dilma Rousseff, die wahrscheinlich als Siegerin aus den Präsidentschaftswahlen hervorgehen wird, und die erfreulichen Aussichten für das Investitionswachstum in den kommenden Jahren.

Es ist schon eine Weile her, dass alle vier BRIC-Märkte zur gleichen Zeit attraktiv waren. Das ist allerdings reiner Zufall. Anleger sollten daher stets das gesamte weltweite Schwellenländeruniversum im Auge behalten (Global Emerging Markets oder „GEM“). Die jüngsten Erfolge von Indonesien, Kolumbien, Peru und der Türkei bestätigen, dass Investoren, die sich auf die vier BRIC-Märkte beschränken, die besten Chancen verpassen. In dieser Hinsicht war 2010 bisher ein äußerst aufschlussreiches Jahr: Drei der vier BRIC-Märkte sind hinter dem GEM-Index zurückgeblieben, während acht kleinere Märkte den Index um über 20 Prozentpunkte übertroffen haben!

(kab)

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