Wahlen in Russland ohne Einfluss auf Kapitalmärkte

28.02.2008, 15:38 Uhr

Am 2. März wählt das russische Volk einen neuen Präsidenten. Wird die Wahl den russischen Kapitalmarkt beeinflussen? Charles Tennes, Head of Equities bei KIT Fortis Investments, meint, dass die Wahlen sich kurzfristig nicht auf die Börse auswirken werden. Trotz noch ungelöster Probleme wie Korruption hält er die Fundamentaldaten der russischen Wirtschaft für gut. Er favorisiert die Sektoren Konsum, Öl und Gas.

In Russland stehen die Präsidentschaftswahlen vor der Tür. Am 2. März werden die Russen an die Urnen gehen. Der Favorit ist der bisherige Vize-Premier Dmitri Medwedew. Seitdem sich Wladimir Putin für Medwedew ausgsprochen hat, hat der Kandidat an Beliebheit gewonnen. Noch Mitte Dezember wollten 35% der Wähler für Medwedew stimmen. Inzwischen sind es über 70%. Wird der Wahlausgang Einfluss auf den russischen Kapitalmarkt haben? „Wir gehen davon aus, dass die Präsidentschaftswahl kurzfristig keinen Einfluss auf den Kapitalmarkt haben wird“, sagt Charles Tennes, Head of Equities bei KIT Fortis Investments mit Sitz in St. Petersburg. „Für den Kapitalmarkt in Russland ist vor allem ausschlaggebend, dass Wladimir Putin – auch als derzeitiger Premierminister – die Zügel in der Wirtschaft in der Hand behält und der zukünftige Präsident sich ihm unterordnet. Denn für die russische Börse zählt allein Kontinuität“, sagt Tennes.

RTS in 7 Jahren verzehnfacht

Seit der Machtübernahme durch Putin hat sich der russische Leitindex RTS verzehnfacht (von 227 Punkten am 5. Mai 2001 auf 2.096 Punkte am 26. Februar 2008). Die Fundamentaldaten der russischen Wirtschaft haben sich seitdem positiv entwickelt. Das reale Bruttosozialprodukt betrug 2001 5,1% und ist 2007 auf 8,1% gestiegen. Die Inflation ist von vormals 21,6% (2001) auf 9,0% (2007) gesunken. „Allein die Tatsache, dass Putin während seiner Amtszeit die Inflationsrate in den einstelligen Bereich gedrückt hat, sorgte dafür, dass ihn das russische Volk liebt“, sagt Tennes. Allerdings gehen Schätzungen von wieder steigenden Inflationsrate auf 10 bis 11% für 2008 aus. Die Arbeitslosigkeit ist ebenfalls gesunken: von 9,0% im Jahr 2001 auf 6,2% im letzten Jahr – ein weiterer Pluspunkt für Putin. Der Staatshaushalt ist ausgeglichen, und Russland hat in den vergangenen Jahren den größten Teil seiner Auslandsschulden vorzeitig zurückgezahlt. Russland ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 1,35 Trillionen US-Dollar mittlerweile die elft größte Volkswirtschaft weltweit (Quelle für alle Angaben: Bloomberg).

Konsum, Öl und Gas – aussichtsreichste Sektoren

„Obwohl die Fundamentaldaten solide sind, sind russische Aktien (RTS) mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,9 in diesem Jahr fair bewertet, insbesondere wenn man das erwartete Wirtschaftswachstum von 6,4% im Jahr 2008 berücksichtigt. Im Vergleich zu Volkswirtschaften wie China (KGV 16,48) und Indonesien (KGV 25,65) weisen sie sogar ein günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis auf. Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegen sie nur wenig höher als in Europa mit 10,31 (Quelle: Bloomberg). „Zweifellos bildet der Öl- und Gassektor das Rückrat der russischen Wirtschaft“, sagt Tennes. Der Energiesektor macht rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts und rund 60% des Exportes aus. Weltweit ist Russland sogar der zweitgrößte Öl-Exporteur. „Zwar steuert der Ölpreis immer wieder neue Höchstmarken an – aber wie lange wird das noch der Fall sein?“, fragt Tennes. „Außerdem schmälern die Förder- und Transportkosten bei Öl und Gas die Gewinnmargen. Für den Öl- und Gassektor spricht jedoch, dass die Nachfrage nach wie vor hoch ist und die Bewertung mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,0 nicht überzogen ist“, sagt Tennes. Trotzdem ist Diversifikation im Portfolio Trumpf. Die größten Chancen sieht Tennes in den Branchen Konsum.

Der Konsumsektor wird vor allem durch eine verbraucherfreudige Mittelschicht getragen, die sich im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs herausgebildet hat. Ein Wirtschaftswachstum von rund 8% im Jahr 2007 und durchschnittlichen zweistellige reale Einkommenszuwächse in den letzten Jahren sorgen dafür, dass die Kaufkraft der russischen Bevölkerung weiter steigt. Änderungen im Kaufverhalten fördern diese Entwicklung zusätzlich. Ganz oben auf der Liste stehen Produkten des täglichen Lebens wie Autos, Waschmaschinen und Fernsehgeräte. Aber auch die Nachfrage nach Luxusgütern ist enorm. Der Verbrauch russischer Haushalte ist allein im Zeitraum von 1999 bis 2005 von rund 600 US-Dollar auf 2.300 US-Dollar pro Monat gestiegen. „Die größte Gefahr in diesem Sektor besteht darin, dass die Unternehmen ihre ambitionierten Wachstumspläne nicht erfüllen“, sagt Tennes.

Korruption – Gefahr für russische Wirtschaft

Die größten Gefahren für Russland auf lange Sicht sehen wir in der Korruption. Sie verhindert Produktivität und die Durchsetzung des Unternehmergeistes der nächsten Generation. „Renationalisierungen sind eine weitere Gefahr, die drohen könnte. Bislang hat Putin zwar nur den Ölsektor als strategisch entscheidend für den Staat erklärt. Doch wer weiß, ob es zukünftig dabei bleiben wird“, meint Tennes.

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