„Unsere grossen Wetten machen wir im Internetsektor“

08.11.2010, 18:44 Uhr

Stuart O'Gorman ist seit 2000 für Henderson Global Investors tätig. Seit 2001 leitet er das ganze Henderson Technologie-Team sowie den Henderson Horizon Global Technology Fund. Er promovierte an der Dundee University mit einem MA in Financial Economics und ist Associate Member der Society of Investment Professionals.

Mit dem Henderson Horizon Global Technology Fund verwaltet O’Gorman ein Vermögen von knapp 2,8 Milliarden USD. Der Fonds wurde von Morningstar mit 4 Sternen ausgezeichnet und konnte seinen Benchmark seit Auflegung im August 2001 um über 110% übertreffen.


Herr O’Gorman, weshalb bleiben Sie nach den starken Avancen der IT-Aktien im September vorsichtig?
Stuart O'Gorman: Fundamentale Unternehmensdaten deuten vermehrt darauf hin, dass in dieser Branche zurzeit nicht alles reibungslos verläuft. Ein Beispiel dafür war das enttäuschende Resultat von Cisco. Das Unternehmen ist global in verschiedenen Bereichen tätig, sehr konjunktursensitiv und gilt als Frühwarnindikator der Branche. Cisco sandte bereits 2007 ähnliche Signale aus, was schon damals mit ein Grund war, uns vorsichtig zu verhalten. Seit letztem August, als Cisco die Ergebnisse bekannt gab, hat sich die Nachfrage beim Technologieunternehmen aber wieder ein wenig erholt.

Cisco kann ja nicht allein massgebend für Ihre Vorsicht sein!
O'Gorman: Da haben Sie Recht. Das Resultat eines einzelnen Unternehmens sollte nicht überbewertet und auf den ganzen Sektor übertragen, aber auch nicht ignoriert werden. Vor allem dann nicht, wenn ohnehin generelle Bedenken bezüglich Wirtschaftswachstum vorhanden sind. Denn steigende Lagerbestände würden den Technologiemarkt als Ganzes empfindlich treffen. Im Falle eines Double-Dips wäre wohl vor allem der Halbleiter-Bereich betroffen, womit sich die Ereignisse von 2007/2008 wiederholen könnten. Wir glauben aber nicht an ein solches Szenario, da das strukturelle Ungleichgewicht momentan in keiner Weise so schlecht wie damals ist und die Aktienbewertungen viel tiefer liegen.

Veranlasst das wirtschaftliche Umfeld ebenfalls zur Vorsicht?
O'Gorman: Gewiss. Wir sind aufgrund der fiskalischen Ausgabenkürzungen, dem Ende der Stimulierungsprogramme, der Inflation in den Emerging Markets und dem Mangel bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen vorsichtiger als vor sechs Monaten. Anzeichen steigender Lagerbestände haben einige Analysten veranlasst, ihre Gewinnschätzungen so tief nach unten zu revidieren. dass die effektiven Gewinne im kommenden Quartal höher als erwartet ausfallen dürften.


Wie spiegelt sich ihre Vorsicht im Portfolio?
O'Gorman: Wir haben das Risiko im Portfolio ein wenig abgebaut. Engagements in Cisco, Intel und anderen zyklischen Titeln wurden abgebaut und die Cash-Position auf 9% erhöht. Mittel- bis langfristig bietet der Technologiemarkt aber noch immer herausragende Möglichkeiten.


Wo sehen Sie Chancen?
O'Gorman: Die Bewertungen sind trotz der Rallye im September historisch tief, vor allem bei den Large-Caps, also den hochkapitalisierten Werten. Zudem zählen die Bilanzen der Technologie-Unternehmen zu den besten auf dem Markt. Das gibt uns Zuversicht, dass die starken Technologiewerte bei einem möglichen Wirtschaftsabschwung wenig zu fürchten haben. Ferner glauben wir, dass bei den Large-Caps ein hohes Potential für Aktienrückkäufe vorhanden ist. Marvell zum Beispiel kündete vor kurzem einen Aktienrückkauf von 500 Millionen US-Dollar an. Mittels Aktienrückkäufen drücken Unternehmen ihr Vertrauen in ihr eigenes Gewinnpotential aus und bekunden gleichzeitig, kein Geld für wenig durchdachte Übernahmen vergeuden zu wollen. Dies ist positiv zu werten.


Sie sehen also Übernahmen nicht gerade als Anlagechance?
O'Gorman: Vor allem nicht branchenübergreifende Übernahmen zu ungerechtfertigten Preisen, wie der Kauf von McAfee durch Intel. Hewlett-Packard und Dell könnten Kandidaten sein, welche ebenfalls wenig überzeugende Übernahmen planen, da ihnen die Ideen für organisches Wachstum anscheinend ausgehen. Solche Übernahmen funktionieren aber nur selten. Wir bevorzugen stattdessen Firmen, die bei ihren Kernkompetenzen bleiben.


Indem Sie Lage-Caps bevorzugen, haben Sie die gute Performance der Small-Caps verpasst…
O'Gorman: Gewiss, einige Small-Caps haben abgehoben. Die 20 renditestärksten Technologiewerte im UBS Technologieindex haben im laufenden Jahr 60% zugelegt, sind aber mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 60 bewertet. Das ist meiner Meinung nach zu hoch in einem Sektor mit einem derart rasanten technologischen Fortschritt, der ein Produkt rasch obsolet machen kann.


Sind also Small-Caps nicht attraktiv?
O'Gorman: Einige schon. Zurzeit orten wir vor allem in Europa interessante Small- und Mid-Caps. Problematisch ist allerdings dabei, dass die Titel oft überbewertet sind, da eine mögliche Übernahme bereits eingepreist ist. Wir sind aber nicht bereit, überteuerte Titel zu kaufen, mit der Hoffnung, dass die Firma übernommen wird. Wir bevorzugen stattdessen Titel, die konstant konsistente Gewinne erzielen.


Welche Unternehmen erfüllen diese Kriterien?
O'Gorman: Dies sind bekannte Unternehmen wie Microsoft, IBM und Hewlett-Packard. Sie verfügen über gute, stetige und Cash generierende Geschäftsmodelle und sind im Technologiesektor vergleichsweise unterbewertet.


Und Apple?
O'Gorman: Viele glauben, Apple sei teuer, nur weil der Aktienkurs gestiegen ist. Doch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 für 2011 und einem Cashbestand von 20% der Marketkapitalisierung erscheint mir das Unternehmen tief bewertet, zumal das Management gut ist, die Produkte bestens positioniert sind und keine Übernahmen geplant sind.

Welche Sektoren favorisieren Sie?
O'Gorman: Unsere grossen Wetten machen wir im Internetsektor mit Titeln wie Ctrip oder Tencent. Unsere Positionen in den Segmenten Internet-Software und -Services sowie Internet-Kataloge und -Detailhandel sind annähernd doppelt so hoch wie die Indexgewichtung. Diese Übergewichtung wird sich lohnen, weil wir überzeugt sind, dass der Trend im E-Commerce, in der Onlinewerbung und in der Onlineunterhaltung anhalten wird. Ausserdem favorisieren wir Softwareunternehmen, weil diese in der Regel regelmässige Einkünfte generieren. Dafür haben wir zyklische Sektoren wie Halbleiter, elektronische Ausrüstungen sowie Instrumente stark untergewichtet. (cl)

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