26.11.2024, 14:35 Uhr
Die Grossbank UBS will ihr derzeitiges Wertpapier-Joint-Venture in China vollständig übernehmen. Der Prozess, die Beteiligung an «UBS Securities» auf 100 Prozent zu erhöhen, sei im Gange, hiess es auf Anfrage der...
Die Talfahrt der Renditen deutscher Bundesanleihen scheint kein Ende zu finden. In der vergangenen Woche wurden einmal mehr neue historische Tiefststände erreicht. Ein besonderes Highlight setzten dabei ultralange Laufzeiten, die bei nur noch 2,58 Prozent rentierten. Auch die Renditen von Staatsanleihen der USA und der Schweiz verharren im Keller. Dr. Harald Preissler, Chefökonom des Anleihenmanagers Bantleon, beantwortet vier Fragen zum Thema Staatsanleihen.
Herr Dr. Preissler, ist die Warnung vieler Marktteilnehmer vor einer Blase bei Staatsanleihen gerechtfertigt?
Dr. Harald Preissler: Der rasante Renditeverfall in den vergangenen Wochen war Wasser auf die Mühlen derer, die immer lauter vor einer Blase an den Anleihenmärkten warnen. Fundiert wird die These mit den immensen Kapitalströmen in Anleihenfonds, die inzwischen ähnliche Dimensionen erreicht haben wie die Zuflüsse in Technologiefonds vor zehn Jahren. Wer allerdings die damalige Goldgräberstimmung mit der aktuellen Situation an den Finanzmärkten in Verbindung bringt, vergleicht Äpfel mit Birnen. Der Grossteil der aktuellen Nachfrage nach Bundesanleihen und US-Treasuries reflektiert keine blauäugigen Gewinnerwartungen, sondern ist auf regulatorische Zwänge zurückzuführen. Das gilt zum einen für die Anlagerichtlinien vieler institutioneller Anleger, die sich im Zuge der Ratingherabstufungen der EUR-Peripheriestaaten veranlasst sehen, ihre Staatsanleihenbestände in den hochliquiden Kernländern zu konzentrieren. Zum anderen führen nachhaltig sinkende Renditen dazu, dass Pensionskassen ihre künftigen Zahlungsverpflichtungen nur decken können, wenn sie die durchschnittliche Restlaufzeit ihrer Anlagevermögen verlängern, also lang laufende Anleihen kaufen.
Wie sieht die Bewertung der drei Anleihenmärkte aus?
Preissler: Auch die analytische Anleihenmarktbewertung ist weit entfernt von den bizarren Extremen der Tech-Ära, in der beispielsweise versucht wurde, anhand der Klickzahlen auf Internetseiten den Wert eines Unternehmens zu ermitteln. Die aktuelle Lage an den Anleihenmärkten in Deutschland, den USA und der Schweiz bedarf keiner neu entwickelten Kennziffern, um im historischen Vergleich bestehen zu können. So ist die Zinskurve auch nach der Verflachung der vergangenen zwei Monate immer noch ausgesprochen steil. Der Renditeabstand zwischen 10-jährigen Bundesanleihen und dem 3-Monats-Euribor beispielsweise beläuft sich gegenwärtig auf 1,35 Prozentpunkte. Der Durchschnitt seit dem Beginn der Währungsunion beträgt hingegen nur 0,77 Prozentpunkte. Insofern spiegeln die niedrigen Langfristrenditen die günstigen Konditionen am Geldmarkt. Dies gilt umso mehr, als die Notenbanken eindeutige Signale für die mittelfristige Beibehaltung der tiefen Geldmarktzinsen gegeben haben. Ganz ähnlich ist die Entwicklung der Realzinsen einzuordnen. Hier ist zwar mit 0,6 Prozent bei einer 10-jährigen deutschen Bundesanleihe ein tiefer Wert erreicht. Unseren Berechnungen zufolge hat sich aber auch das reale Trendwachstum der Eurozone deutlich verringert und dürfte kaum noch über 1,0 Prozent liegen. Insofern liegen die Realrenditen deutscher Bundesanleihen derzeit 0,40 Prozentpunkte unter ihrem Fair Value. Das ist historisch betrachtet eine unauffällige Übertreibung.
Rechnen Sie mit einem nahen Renditeanstieg?
Preissler: Auch wir wurden wie viele andere Anleger von der Dauer und dem Ausmass des Renditeverfalls überrascht. Trotzdem wollen wir die Ausrede, am Anleihenmarkt sei eine Blase entstanden, nicht gelten lassen. Letztlich reflektieren die niedrigen Zinsen die aus dem schwachen und fragilen makroökonomischen Umfeld resultierende Verunsicherung der Anleger. Trotzdem werden die Renditen nach der langen Tauchfahrt der vergangenen Wochen irgendwann zum Luftholen an die Wasseroberfläche zurückkehren müssen. Das Risiko eines kurzen und heftigen Renditeanstiegs bleibt damit gross.
Was raten Sie Anlegern im aktuellen Umfeld?
Preissler: Anleger, die ihr Geld im Fall einer Neuauflage der Finanzmarktkrise schützen möchten, werden nicht daran vorbeikommen, einen deutlichen Anteil ihrer Kapitalanlagen in sichere Anleihen wie zum Beispiel deutsche Staatsanleihen zu investieren. Allerdings besteht hier nur noch eine begrenzte Ertragschance und temporäre Kursverluste aufgrund steigender Zinsen sind nicht auszuschliessen. Wir stellen deshalb seit Jahresanfang bereits bei institutionellen Anlegern eine zunehmende Nachfrage nach aktiv gemanagten Anleihenfonds fest. Allerdings liegt im Unterschied zu den früheren Trends in Richtung Absolute Return heute der Fokus auf Ansätzen mit einer Basis aus hochsicheren Anleihen. Eine vergleichbare Strategie empfiehlt sich auch für private Anleger. Dies ist eine Möglichkeit, auch noch im sicheren Hafen die Angel über Bord zu halten. (ng)