T. Rowe Price: "Schlagen USA den Pfad von Japan ein?"

09.09.2010, 10:47 Uhr

Die aktuellen ökonomischen Entwicklungen in den USA erinnern stark an den Verlauf der japanischen Wirtschaft während der Jahre 1990 bis 2002. In seinem aktuellen Kommentar interpretiert Alan D. Levenson, Chefökonom bei T. Rowe Price, die relevantesten US-Wirtschaftszahlen und gibt einen Ausblick auf mögliche kommende Entwicklungen in den USA.




Alan D. Levenson
Chefökonom bei T. Rowe Price

Die US-Arbeitsmarktzahlen waren im August besser als erwartet. Die Angst vor einer „Double Dip“- Rezession scheint sich auf dem Markt weiter zu verringern. Für uns war dieses Szenario allerdings ohnehin nie wahrscheinlich, da seit dem Peak der Häuserpreise vor vier Jahren zahlreiche Korrekturmassnahmen getroffen wurden. Diese Anpassungen sorgen aber auch dafür, dass das Wachstum vor dem Hintergrund der Rezession von 2008 und 2009 sowie im Vergleich zu den vorherigen beiden Expansionen gedämpft sein wird.

Personalaufstockungen in Aussicht

Die beispielslose Produktivitätssteigerung während der Rezession und eine weitere rasche Erhöhung zu Beginn der Erholung weisen darauf hin, dass die Industrie ihren Personalbestand auf ein so tiefes Niveau gesenkt haben, dass sie der Nachfrage bei einer Normalisierung der Märkte nicht mehr nachkommen können. Weil das Produktivitätswachstum unweigerlich wieder moderater ausfallen wird, dürfte dies weitere Personalaufstockungen nach sich ziehen. Dies von einem solch tiefen Level aus, dass es kaum Argumente für einen erneuten Einschnitt gibt. Allerdings trifft dies nicht universal zu. Mehr als ein Drittel der nicht in der Landwirtschaft tätigen Arbeitnehmer sind in Industrien tätig, welche noch immer Arbeitsplätze abbauen (wie beispielsweise Bausektor, Finanzsektor sowie Staats- und Lokalregierungen) oder typscherweise kein Wachstum in einer durch die Entschuldung des Haushaltssektors getragenen Expansion aufweisen (wie Einzelhandel oder Fahrzeugproduktion). Die Stagnation dieser durch äussere Umstände eingeschränkten Sektoren verwässert den zyklischen Aufschwung in den anderen Wirtschaftszweigen.

Verzögerte zyklische Erholung im Wohnungsmarkt

Die Anzahl neuer Wohnungen ist seit 18 Monaten so tief, dass sie ungefähr nur die Hälfte des Bedarfs decken, der aufgrund des Bevölkerungswachstums nötig wäre. Dies zeigt, dass der Wohnungsbau kein Hindernis im zukünftigen BIP-Wachstum sein sollte. Die zyklische Erholung hat sich allerdings verzögert. Schuld daran ist der Überbestand an vakanten Wohneinheiten. Bei einem typischen Aufschwung nach einer tiefen Häusermarkt-Rezession trägt der Wohnungsbau im ersten Jahr normalerweise mehr als ein Prozentpunkt zum BIP-Wachstum bei. Über die letzten vier Monate hinweg liegt der Wert jedoch bei nur gerade 0,1% (Jahresbasis) und wird voraussichtlich auch bis Ende Jahr nicht mehr als 0,25% betragen.

Weitere Korrekturen im Hypothekarmarkt erwartet

Wir gehen davon aus, dass die Haushaltsverschuldung Mitte Jahr 4,8% oder 634 Milliarden USD betragen haben dürfte und somit unter dem Höchst vom 2. Quartal 2008 liegt. Ausserdem lag sie bei 111% des verfügbaren Einkommens und damit 12,5 Punkte unter dem Peak des 3. Quartals 2007. Trotzdem ist mit weiteren Korrekturen im Hypothekarmarkt zu rechnen. Beispiele sind Ausfall von bestehenden Hypotheken oder tiefere Belehnungssätze auf neuen Hypotheken sowie eine langsamere Entwicklung, was zu einer tieferen Eigentümerquote führen wird.

Private Sparquote wird langsamer ansteigen

Gleichzeitig und über drei Jahre hat sich die private Sparquote um vier Prozentpunkte erhöht, was den Wert in die Nähe der historischen Norm bringt. In Zukunft dürfte diese Quote weniger schnell steigen und so das Verhältnis zwischen Einkommen und Ausgaben wieder relativieren. Auch wenn die Verschuldung hoch bleibt, wird die Last auf den Einkommen, welche diese Schulden zu tragen haben, schnell auf das vor dem Kreditboom im Jahr 2000 herrschende Niveau von 11%-12% fallen.

Die japanische Wirtschaft wuchs seit 1990 zehn Jahre lang auf einer Basis von 4,5%. Während der sechsjährigen Expansionsphase ab 2002 erreichte das Land aber nur noch ein Wachstum von 2%, trotz Stimulierungsmassnahmen durch die Regierung, einer Lockerung der Geldpolitik und eines systematischen Programms gegen notleidende Darlehensschulden. In den USA, wo 3,25% Wachstum während der Kreditblasejahren die Norm war, rechnen wir neu mit 2,5%.

Wachstumspotenzial stark eingeschränkt

Auf der Nachfrageseite reflektieren die reduzierten Wachstumsaussichten eine Korrektur der Ausgaben im Verhältnis zum Einkommen nach dem überbordenden Konsumverhalten vor dem Crash. Auf der Angebotsseite zeigen sie die Schäden auf, welche die Wirtschaft in der Finanzkrise erlitten hat – etwa das Missverhältnis zwischen Arbeit und Kapital während der Boomphase, die Verschiebung von Investitionen beziehungsweise Ausgaben in Forschung und Entwicklung während der Rezession, die späte Entschädigung für Fehler des privaten und öffentlichen Sektors. Diese Schäden untergraben nun das Wachstumspotenzial. Das Congressional Budget Office, eine Behörde des US-Kongresses, rechnet für die nächsten zehn Jahre daher mit einem realen BIP-Wachstumspotenzial von 2,4% und bis Ende 2011 von gerade mal 1,8%.

Selbst ein tieferes Wachstumspotenzial würde aber genügen, um die Flaute auf dem Arbeitsmarkt zu beenden. In Japan fiel die Arbeitslosenquote während der Expansion von 2002-2007 um 30% (von 5,4 auf 3,8%). Ähnlich sieht es für die USA aus. Ein Wachstum, welches im Bereich der von uns erwarteten 2,5-2,75% liegt, würde reichen, um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenquote auf über 10% zu verhindern und stattdessen auf rund 9% zu verringern. (ng)

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