26.11.2024, 14:35 Uhr
Die Grossbank UBS will ihr derzeitiges Wertpapier-Joint-Venture in China vollständig übernehmen. Der Prozess, die Beteiligung an «UBS Securities» auf 100 Prozent zu erhöhen, sei im Gange, hiess es auf Anfrage der...
Die Schweizer Wirtschaft hat sich nicht nur erfolgreich aus der Lethargie der neunziger Jahre gelöst, sie geht nun sogar gestärkt aus der beispiellosen Finanz- und Wirtschaftskrise hervor. Dies zeigt eine neue Studie der Credit Suisse, welche die Strukturdaten zur Schweizer Wirtschaft von den späten 90er-Jahren bis heute analysiert.
Aus der Studie geht hervor, dass die Schweizer Wirtschaft in dieser Zeit erheblichen strukturellen Veränderungen unterworfen war, namentlich der Tertiarisierung, Auslagerungen ins Ausland und einem Boom der städtischen Agglomerationen. In ihrer Studie entwerfen die Ökonomen der Credit Suisse zudem ein Szenario für das Jahr 2020, welches zeigt, dass die Schweiz durchaus das Potenzial hat, im internationalen Wettbewerb langfristig als Gewinnerin hervor zu gehen.
Anhand von sechs ausgewählten Indikatoren respektive Trends – Tertiarisierung, Outsourcing, Produktivität, Unternehmenskonzentration, regionale Verteilung und Filialisierung – nehmen die Ökonomen der Credit Suisse eine Standortbestimmung der Schweizer Wirtschaft vor. Zudem zeigen sie ein mögliches Szenario für die Branchenstruktur im Jahr 2020 auf. Dieses zeigt, dass sich der Schweiz heute eine einmalige Chance eröffnet, sich im internationalen Wettbewerb langfristig als Zukunftsmodell mit Vorbildcharakter zu positionieren.
Starke Tertiarisierung
Grundlegender Strukturtrend der vergangenen fünfzig Jahre war die Tertiarisierung der Schweizer Volkswirtschaft, d.h. die kontinuierliche Verlagerung der Wirtschaftsaktivitäten von der Industrie in den Dienstleistungssektor. Seit 1965 ist die Zahl der Arbeitsplätze im tertiären Sektor um das Zweieinhalbfache gestiegen, während jene in der Industrie um ein Drittel gesunken ist. Massgebend für die Verschiebungen waren der Rückgang der traditionellen Industrie sowie das starke Wachstum der administrativen und sozialen Dienste. Selbst in den Boomjahren 2005 bis 2008, als die Industrie erstmals wieder kräftig wuchs, setzte sich die Tertiarisierung aufgrund des noch etwas stärker wachsenden Dienstleistungssektors abgeschwächt fort. In absoluten Zahlen war der sekundäre Sektor 2008 leicht grösser als 1998 (+61'000 Arbeitsplätze). Im selben Zeitraum schuf der tertiäre Sektor 340'000 Stellen – 41% davon in den administrativen und sozialen Diensten sowie 35% bei den Unternehmensdienstleistern.
Stärkeres Outsourcing in Rezessionen
Rezessionen pflegen schonungslos aufzudecken, welche Branchen und Unternehmen relativ schlechter positioniert sind. Die Analyse der Jahre 1995–2008 zeigt, dass Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Jahren vermehrt Arbeitsplätze von der Schweiz ins Ausland verlegten. Die jüngste Rezession dürfte ebenfalls zu Auslagerung von Industriearbeitsplätzen ins Ausland geführt haben, wobei die Branchen Textil, Maschinen und Metalle am stärksten betroffen sein dürften.
Leicht tiefere Unternehmenskonzentration
Die Schweizer Branchen sind unterschiedlich konzentriert: So beschäftigten beispielsweise in der Finanzbranche lediglich 3% aller Unternehmen 76% der Angestellten im gesamten Sektor. Im Bau, der von tiefen Markteintrittshürden geprägt ist, sind es dagegen nur 37% der Beschäftigten. Insgesamt hat die Unternehmenskonzentration in der Gesamtwirtschaft in der betrachteten Periode leicht abgenommen, wobei zwischen den Branchen eine gewisse Nivellierung der Konzentration stattgefunden hat. In stark konzentrierten Branchen wie Finanzdienstleistern oder Telekommunikation ging die Konzentration zurück, während sie im Gastgewerbe und im Bau leicht zunahm. Die in den neunziger Jahren initiierten Liberalisierungsbemühungen in einzelnen Branchen waren mehrheitlich von Erfolg gekrönt. So hat in der Telekombranche die Unternehmenskonzentration zwischen 1998 und 2008 stark abgenommen, im eher zaghaft liberalisierten Sektor Verkehr und Post hingegen nur leicht.
Agglomerations-Boom in praktisch allen Branchen
Ein Blick auf die Beschäftigungsentwicklung zeigt, dass zwischen 1998 und 2008 ein Agglomerations-Boom stattgefunden hat. Vor allem Branchen mit Filialcharakter (Finanzdienstleister, Verkehr, Post und Telekom) trugen zum Beschäftigungswachstum der Agglomerationen bei und verringerten ihre Präsenz in den Städten. Der Trend zur Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den Städten war in insgesamt knapp zwei Drittel aller Branchen zu beobachten und zeigte sich besonders ausgeprägt bei der Spitzenindustrie, wo eine eigentliche Flucht aus der Stadt hinaus aufs Land zu beobachten war. Demgegenüber hat das Gastgewerbe ihren Beschäftigungsanteil in den Städten auffallend stark erhöht, während die Baubranche namentlich in touristischen Gebieten gewachsen ist.
Knapp die Hälfte arbeiten in Mehrbetriebsunternehmen
Der Filialisierungsgrad (Anteil Beschäftigte in Mehrbetriebsunternehmen) beträgt in der Schweiz 45%, wobei je nach Branche grosse Unterschiede bestehen. Der Filialisierungsgrad bewegt sich zwischen 75% in der Finanzbranche und lediglich 21% im Gastgewerbe. Die Filialen eines Unternehmens liegen in der Regel relativ nahe beieinander und die Neigung zu Filialen nimmt mit zunehmender Distanz zum Hauptsitz stark ab. Dennoch verfügen 65% aller Mehrbetriebsunternehmen über Filialen ausserhalb ihres lokalen Heimmarktes und immerhin noch knapp ein Fünftel der Schweizer Mehrbetriebsunternehmen wagt den Sprung in eine andere Sprachregion. Betrachtet man die aus den grösseren Städten der Schweiz gespannten aggregierten Filialnetze, so zeigt sich, dass Bern als Verwaltungszentrale die ökonomisch am stärksten vernetzte Schweizer Stadt ist. Zürich hingegen ist stark mit grossen und mittleren Städten verbunden, während zu den ländlich geprägten Regionen weniger ausgeprägte Verbindungen bestehen.
Chancen für die Schweiz 2020
Die Ökonomen der Credit Suisse sind der Ansicht, dass sich der Schweiz in der heutigen Zeit eine einmalige Chance bietet, sich im internationalen Wettbewerb als Zukunftsmodell mit Vorbildcharakter zu positionieren. Eine wachsende Staatsverschuldung und der demographischer Wandel setzen die traditionellen Schweizer Handelspartner unter Druck. Gleichzeitig werden die riesigen Absatzmärkte der bevölkerungsreichen und rasch wachsenden Schwellenländer mit ihren status- und zunehmend qualitätsorientierten Mittelschichten zu unwiderstehlichen Magneten für "Swiss Made"-Produkte und -Dienstleistungen. Aufgrund der Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitskräfte und der guten Rahmenbedingungen werden sich in der Schweiz im den kommenden zehn Jahren noch mehr internationale Firmensitze ansiedeln. Um diese wird sich ein Cluster von Unternehmensdienstleistern und Informationsspezialisten bilden. Zusammen mit dem nach wie vor starken Finanzsektor formen sie den weiter anwachsenden tertiären Sektor. Im zweiten Sektor wird sich die Spitzenindustrie weitgehend auf Ingenieurleistungen und Entwicklung spezialisieren. Aufgrund der hohen Löhne und der anhaltenden Frankenstärke dürfte die eigentliche Produktion noch mehr ins Ausland ausgelagert werden. Die mit Abstand wichtigste Industriebranche wird die Pharmaindustrie bleiben. Das grösste Wachstum ist in der Medizinaltechnik und im Cleantech-Bereich zu erwarten. Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit werden zu Hauptexportgütern der Schweizer Wirtschaft.
Beschränkt dehnbare Geografie
Eindämmende Faktoren für das Wachstum sind die Kleinräumigkeit und Topographie der Schweiz. Im Schweizer Mittelland ist der Platz schon heute ähnlich knapp wie in den Niederlanden. Aufgrund sauberer Technologien und konsistenter, übergeordneter Raumplanung dürfte der ökologische Fussabdruck der Schweiz pro Einwohner zwar sinken. In der Summe dürfte indes kein Idyll, sondern ein Grünflächen optimierender, verdichteter Siedlungsraum um die bestehenden städtischen Zentren entstehen. Mit dem skizzierten Wachstumsschub von Wirtschaft und Bevölkerung ist somit eine sinnvolle Raumplanung mehr denn je gefragt. (cl)