Schweizer Branchen: Erholung mit Abstrichen

Findet die hiesige Pharmabranche (im Bild der Roche-Tower in Basel) zurück auf ihren Wachstumspfad von vor der Corona-Krise, dürfte das BIP-Wachstum 2021 deutlich stärker ausfallen (bis zu 4%) als die prognostizierten 3,3%. (Bild: Shutterstock.com/Basel001)
Findet die hiesige Pharmabranche (im Bild der Roche-Tower in Basel) zurück auf ihren Wachstumspfad von vor der Corona-Krise, dürfte das BIP-Wachstum 2021 deutlich stärker ausfallen (bis zu 4%) als die prognostizierten 3,3%. (Bild: Shutterstock.com/Basel001)

Die Schweizer Wirtschaft dürfte sich ab dem zweiten Quartal erholen. Die UBS-Ökonomen gehen davon aus, dass der Grossteil der Branchen in diesem Jahr das Vor-Corona-Niveau erreichen oder gar bereits einen Teil ihrer pandemie-bedingten Verluste wettmachen dürfte. Ein grosser Unsicherheitsfaktor stelle die hiesige Pharmabranche dar.

16.03.2021, 11:20 Uhr

Redaktion: rem

Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2021 kräftig wachsen. Voraussetzung für eine starke Erholung im zweiten und dritten Quartal sei allerdings, so die UBS-Ökonomen, dass der vom Bundesrat angestrebte Impfplan sich realisieren lasse und die Mehrheit der impfwilligen Personen bis Ende Sommer geimpft werde, und die Vakzine eine ähnlich hohe Wirksamkeit gegenüber neuen Virusmutationen haben.

Für das Gesamtjahr 2021 erwartet die UBS ein BIP-Wachstum von 3,3%. Verspätet sich die Impfkampagne oder erfordern neue Virusmutationen eine Veränderung am Impfstoff, dürfte sich die Erholung der Wirtschaft ins Jahr 2022 verschieben. Ein grosser Unsicherheitsfaktor stelle zudem die hiesige Pharmabranche dar. Finde diese zurück auf ihren Wachstumspfad von vor der Corona-Krise, dürfte das BIP-Wachstum 2021 deutlich stärker ausfallen (bis zu 4%) als die prognostizierten 3,3%. Stagniere sie hingegen, dürfte das BIP 2021 um lediglich 3% wachsen.

Der Ausblick für die Schweizer Branchen ist laut UBS auch insgesamt mit mehr Unsicherheiten behaftet. Zwar dürften sie vom Abbau der Corona-bedingten Schutzmassnahmen profitieren. Im Vorjahresvergleich werde darum in 2021 ein deutliches Wachstum resultieren – in einzelnen Branchen von bis zu 20%. Das Ausmass der Erholung variiert aber je nach Branche stark.

Freizeit und Tourismus leiden

Quelle: Seco, UBS
Quelle: Seco, UBS

Ungewisse Aussichten für Tourismus und Freizeit

Die erste Gruppe beinhaltet Branchen, denen trotz Abbau der Restriktionen eine unsichere Zukunft bevorsteht. Zwar dürften tourismus- und freizeitbezogene Dienstleistungen von der Öffnung der Wirtschaft profitieren – Unternehmen dieser Branchen sind am stärksten von den pandemie-bedingten Massnahmen betroffen und haben entsprechend Aufholpotenzial. Ob dieses jedoch ausgenutzt und eine schnelle Rückkehr zu Vor-Corona-Niveaus zu beobachten sein wird, bezweifeln die UBS-Ökonomen stark. Demnach dürften wohl einige Unternehmen die zweite Corona-Welle nicht überstehen, was das Potenzial dämpft. Gemäss Umfragen des Gastroverbands Ende Februar musste im Zuge der Corona-Krise bereits ein Fünftel der Unternehmen ihren Betrieb aufgeben – ein weiterer Fünftel steht kurz davor. Ähnliche Zahlen sind laut UBS auch in der Veranstaltungs- und der Reisebranche zu erwarten.

Zusätzlich sei unklar, ob das Konsumverhalten nach der Krise eine schnelle Normalisierung ermögliche. So sei beispielsweise sehr ungewiss, ob in der nahen Zukunft geschäftlich wieder ähnlich stark gereist werde wie vor der Krise. Darüber hinaus bleibe fraglich, ob Grossevents wie Festivals oder Sportveranstaltungen trotz Impfung uneingeschränkt stattfinden werden können und ob Konsumenten bereit sein werden, sich grossen Menschenmassen auszusetzen. Die UBS-Ökonomen gehen davon aus, dass hier die Wertschöpfung auch in 2021 deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt.

Angenommen, dass ein Fünftel der Unternehmen in diesen Branchen ihren Betrieb einstellen muss, die verbleibenden 80% bis zum Jahresende aber von einer Überauslastung von 10% profitieren, dürften diese Branchen in diesem Jahr bis zu 20% wachsen, bleiben aber 2021 noch bis zu 25% unter ihrem Vor-Corona- Niveau. Wird hingegen lediglich das Niveau vom dritten Quartal 2020 erreicht, dürfte die Erholung unter 10% liegen. Da diese Branchen aber nur knapp 2% zum Schweizer BIP beitragen, dürfte ihre Entwicklung für das BIP- Wachstum 2021 nicht entscheidend sein.

Branchen, die 2021 Verluste wettmachen

Weitaus positiver sind die Aussichten für die zweite Gruppe von Branchen. So sind zwar das Gesundheits-, Sozial- und Unterrichtswesen, das Baugewerbe sowie unternehmensnahe Dienstleistungen allesamt im zweiten Quartal 2020 im Vor-Corona-Vergleich um gegen 10% eingebrochen (siehe Abbildung 1, Seite 4). Unternehmen dieser Branchen haben sich aber stark von der ersten Welle erholt und zeigen sich in der zweiten Welle weitaus robuster. So ist die Wertschöpfung hier im vierten Quartal bereits über dem Vor-Corona-Niveau (Gesundheitswesen) oder lediglich knapp darunter (Baugewerbe, Erziehung und Unterricht, unternehmensnahe Dienstleistungen). Es sei zu erwarten, dass diese Branchen den Weg zurück auf den Wachstumspfad von vor der Corona-Krise finden und bereits in diesem Jahr einen grossen Teil ihrer Verluste wettmachen. Für das Gesundheitswesen ist laut UBS zusätzlich denkbar, dass die Erholung stärker ausfällt, da die Pandemie die Wichtigkeit der Gesundheitsbranche unterstrich, was zukünftige Investitionen – wie beispielsweise in die Digitalisierung – fördern dürfte.

Verkehrte Vorzeichen im Handel

Ein Spezialfall stellt der Handel dar, der 2020 trotz temporärer Schliessung des stationären Detailhandels einen Wertschöpfungszuwachs verzeichnete. Verantwortlich für diese positive Dynamik sind zwei Sondereffekte: Erstens schnellte der Online-Verkauf und die Nachfrage nach Elektronikprodukten aufgrund des Lockdowns und Homeoffice in die Höhe, wovon nicht nur der Detail-, sondern auch der Grosshandel profitierte. Zweitens führten die Grenz- und Gastronomie-Schliessungen zu einer stärkeren Lebensmittelnachfrage, was den Food- Detailhandel unterstützte. Im ersten Quartal dürfte der Handel aufgrund von Geschäftsschliessungen zwar eine rückläufige Entwicklung verzeichnen. Analog zur ersten Welle dürften die Verluste aber bereits im zweiten Quartal vollständig kompensiert sein. Die UBS-Ökonomen gehen davon aus, dass ab der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich die Nachhol- wie auch die oben beschriebenen Sondereffekte wegfallen werden, was wohl auch die Dynamik eintrübe.

Krisenfeste Branchen

Banken und Versicherungen, IT und Kommunikation sowie die öffentliche Verwaltung gehören zur dritten Gruppe von Branchen und zeichnen sich durch ihre Krisenfestigkeit aus. Dies, weil die hierzugehörenden Unternehmen nur am Rande von den Massnahmen zur Pandemiebekämpfung tangiert sind und Dienstleistungen anbieten, die wenig konjunktursensitiv sind. Entsprechend gering fällt auch ihr Aufholpotenzial aus.

Die öffentliche Verwaltung sowie IT und Kommunikation dürften gar im Krisenjahr 2020 einen Wertschöpfungszuwachs verzeichnet haben und haben deshalb 2021 kaum Erholungspotential. Für Banken hat sich laut UBS aufgrund der Krise die Qualität ihres Kreditportfolios verschlechtert, was zu höheren Rückstellungen geführt hat. Deshalb dürften Finanzdienstleister innerhalb dieser Gruppe nach der Krise das grösste Erholungspotenzial besitzen. Zusätzlich unterstützend dürfte der Anstieg der langfristigen Zinsen sein. Dem wirken aber strukturelle Hürden entgegen wie beispielsweise das anhaltende Negativzinsumfeld. Ferner sei unklar, ob die gestiegen Handelstätigkeiten in 2020, infolge der erhöhten Marktvolatilität, auch 2021 fortbestehen.

Die Wertschöpfung der Industrie war zum Jahresende nur ca. 3% unter dem Niveau von 2019. Mit der Lockerung der Massnahmen dürfte die Erholung der hiesigen Industrie weiter an Fahrt gewinnen. Darauf deutet die Entwicklung des Einkaufsmanagerindex. So ist dieser im Februar auf den höchsten Stand seit August 2018 geklettert. Zudem ist der EURCHF-Wechselkurs zuletzt auf ein Niveau von über 1,10 angestiegen, was hiesigen Exportunternehmen weiter Aufwind verleihen dürfte.

Fragezeichen Chemie und Pharma

In der Chemie- und Pharmabranche stellt 2020 gemessen am durchschnittlichen Jahreswachstum der letzten fünf Jahre von circa 14% eine Enttäuschung dar und für 2021 gibt es laut UBS grosse Unbekannte. Zwar dürfte aufgrund der Erholung des Gesundheitswesen ab dem zweiten Quartal und dem damit verbundenen Anstieg der Arztbesuche auch die Pharmabranche profitieren, jedoch sei es fraglich, ob die Dynamik der vergangenen Jahre erreicht werden könne. Finde die Branche in diesem Jahr dennoch auf den Vor-Corona-Wachstumspfad zurück, dürfte das Schweizer BIP 2021 weitaus stärker wachsen – anstatt 3,3 bis zu 4%. Stagniert hingegen die Pharmabranche in 2021, dürfte das BIP-Wachstum lediglich 3% betragen.

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