27.11.2024, 14:11 Uhr
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Jede vierte geschiedene Rentnerin in der Schweiz ist auf Ergänzungsleistungen zur AHV angewiesen. Wie eine Studie von Swiss Life zeigt, hat sich nur jede fünfte der befragten Frauen zum Zeitpunkt der Scheidung ernsthaft mit den Auswirkungen auf ihre Altersvorsorge auseinandergesetzt.
Heutige Rentnerinnen erhalten über alle drei Säulen hinweg durchschnittlich etwa ein Drittel weniger Altersleistung als Männer. Dieser sogenannte Gender Pension Gap ist wesentlich auf die geschlechterspezifische Aufgabenteilung zwischen Haus- und Erwerbsarbeit zurückzuführen, wie Swiss Life in einer umfassenden Studie bereits 2019 aufgezeigt hat. Besonders hart treffen solche Vorsorgelücken geschiedene Frauen: Mehr als jede vierte Rentnerin bezieht aktuell Ergänzungsleistungen zur AHV.
Viele dieser Frauen wurden noch unter dem alten Scheidungsrecht geschieden, bevor der Vorsorgeausgleich (Aufteilung des während der Ehe angesparten Pensionskassenguthabens) und der Vorsorgeunterhalt (Unterhaltszahlungen zum Ausgleich von Vorsorgelücken nach der Scheidung) eingeführt wurden. Grundsätzlich sollte sich die finanzielle Situation künftiger geschiedener Rentnerinnen aufgrund dieser Ausgleichsmechanismen nach und nach verbessern. "Unsere Analyse zeigt nun aber, dass der Gender Pension Gap in absehbarer Zeit trotzdem nicht verschwinden wird", sagt Andreas Christen, Studienautor und Senior Researcher Vorsorge bei Swiss Life Schweiz.
Rentenunterschiede in der beruflichen Vorsorge, die während der Ehe aufgrund von Kinderbetreuung und damit einhergehender reduzierter Erwerbstätigkeit entstehen, werden bei einer Scheidung in der Regel durch den Vorsorgeausgleich weitgehend reduziert. "Vergessen geht dabei jedoch oft, dass zwei Drittel aller Scheidungen vor dem 50. Altersjahr stattfinden. Zu einem Zeitpunkt also, in dem in der zweiten Säule typischerweise weniger als die Hälfte des künftigen Altersguthabens angespart wurde und entsprechend ein wesentlicher Teil des Sparprozesses noch bevorsteht. Entscheidend für den Gender Pension Gap unter Geschiedenen ist deshalb vor allem, was nach der Scheidung passiert", hält Christen fest.
Gemäss der Studie von Swiss Life arbeiten geschiedene Frauen sehr häufig in tieferen Pensen als geschiedene Männer. Dadurch sparen sie in der beruflichen Vorsorge weniger Alterskapital an. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Kinderbetreuung, die nach der Scheidung in 77% der Fälle hauptsächlich der Mutter zufällt. Kann die kinderbetreuende Ex-Partnerin nach der Scheidung nicht Vollzeit arbeiten, soll der Vorsorgeunterhalt dabei helfen, die pensumsbedingte Vorsorgelücke zu schliessen. "Unsere Studie zeigt nun zum ersten Mal auf, dass Unterhaltszahlungen die Neigung, individuell fürs Alter zu sparen, zwar erhöhen und so tatsächlich zur Reduktion des Gender Pension Gap beitragen. Allerdings erhält eine Mehrheit der befragten geschiedenen und teilzeitarbeitenden Mütter entweder keinen solchen Vorsorgeunterhalt oder kann trotz Unterhaltszahlungen nicht fürs Alter sparen. Der Gender Pension Gap bei Geschiedenen bleibt daher – wenn auch reduziert – vielfach weiter bestehen", so Christen.
Zudem entstehen auch lange nach der Scheidung und der Kinderbetreuungsphase oft noch erhebliche Vorsorgelücken, weil auch viele geschiedene Frauen, die keine Kinder (mehr) betreuen, nicht Vollzeit arbeiten. Andreas Christen: «Ein starker Rückzug vom Berufsleben während der Ehe kann sehr lange nachwirken. Wer vor der Scheidung in einem 80%-Pensum oder höher erwerbstätig war, ist dies auch lange nach der Scheidung und der Kinderbetreuungsphase viel häufiger als jemand, der in den Jahren vor der Scheidung weniger als 40% arbeitete.» Obwohl eine Scheidung also tiefgreifende Konsequenzen für die Altersvorsorge hat, wird dieser Umstand sehr häufig unterschätzt: Nur gut ein Fünftel der befragten Frauen hat sich während der Scheidung ernsthaft damit auseinandergesetzt. Lediglich 14% haben sich vor der Scheidung zu den Auswirkungen auf die Altersvorsorge beraten lassen.
Die Ergebnisse der Studie legen jedoch genau das nahe: Sich bereits im Rahmen einer Scheidung mit deren Auswirkungen auf die Altersvorsorge auseinanderzusetzen und sich rechtzeitig beraten zu lassen, lohnt sich. "Unsere Analysen zeigen, dass dies unabhängig vom Einkommen mit einer erhöhten finanziellen Zuversicht im Hinblick auf den Ruhestand und einer tendenziell erhöhten Sparneigung einhergeht", sagt Christen.
Aus Vorsorgeperspektive empfiehlt die Studie zudem, dass Frauen trotz der scheinbaren Sicherheit der Ehe mit einem möglichst hohen Pensum im Arbeitsmarkt bleiben sollten. Adressat dieser Empfehlung ist auch der Ehepartner, der seinen Beitrag zu leisten hat, damit dies gelingen kann. Politik und Arbeitgeber sind gemäss der Studie ebenfalls aufgefordert, den Verbleib von Müttern im Arbeitsmarkt zu fördern. Christen: "Dies ermöglicht Frauen im Scheidungsfall nicht nur ein finanziell selbstbestimmteres Leben, sondern führt langfristig tendenziell auch zu tieferen Kosten in den Sozialwerken."