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Powell greift zum Zuckerbrot statt zur Peitsche

Der Bulle an der Wallstreet darf weiter schnauben, die US-Notenbank hät an ihrer üppigen Geldversorgung vorerst fest. (Bild: Shutterstock.com/Valeriy Eydlin)
Der Bulle an der Wallstreet darf weiter schnauben, die US-Notenbank hät an ihrer üppigen Geldversorgung vorerst fest. (Bild: Shutterstock.com/Valeriy Eydlin)

Fed-Chef Jerome Powell erfüllte am Jackson Hole-Meeting am Freitag mehrheitlich die Wünsche derjenigen, die auf ein Aufschieben der geldpolitischen Wende gehofft hatten. Doch wann kommt der Turnaround? Die US-Notenbank werde frühestens Ende Jahr mit der Drosselung der Anleihenkäufe beginnen, meint DWS. Axa IM spricht vom ersten Quartal 2022.

30.08.2021, 13:26 Uhr

Redaktion: hf

Powells Rede galt seit Tagen schon als zentrales Thema an den Finanzmärkten (vgl. investrends.ch: Hochspannung an den Märkten – was bringt Jackson Hole?). Am Freitag dann stellte er zwar eine Reduktion der Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) noch in diesem Jahr in Aussicht, wies aber auf die aktuell wieder vom Coronavirus ausgehenden Gefahren hin.

Für den Finanzmarkt waren die Aussagen so vorsichtig wie erhofft und ohne die von manchen befürchteten Details. "Keine Nachrichten fungieren derzeit als gute Nachrichten", urteilt Marktbeobachter Timo Emden von Emden Research, einem auf Kryptowährungen spezialisierten Börsen- und Research-Portal. Solange die US-Notenbank im Nebel stochere, könne der Aktienmarkt im Niedrigzins weiter einen Nährboden finden.

Fokus auf Arbeitsmarkt

Die Aktienindizes zogen am Freitag in den USA und zu Wochenbeginn in Fernost und in Europa denn auch an. Der Preis des Bitcoin hingegen gab in Europa nach. Nach den beruhigenden Worten des Fed-Chefs könnten Kryptos als Anlagealternative, als die sie jüngst von verschiedenen Experten propagiert worden sind, wieder etwas in den Hintergrund treten. Zudem schwanken sie seit je überdurchschnittlich stark.

Nach Jackson Hole dürften in dieser Woche vor allem Makrodaten das Geschehen an den Börsen beeinflussen, denn auch die Bilanzsaison der Unternehmen ist vorbei. Im Fokus steht als nächstes der US-Arbeitsmarktbericht am Freitag. Christian Scherrmann, US-Volkswirt des deutschen Asset Managers DWS meint dazu: "Eine genaue Beobachtung des US-Arbeitsmarktes bleibt der Schlüssel zur weiteren Einschätzung des geldpolitischen Kurses in den USA. Wir erwarten weitere Hinweise nach der Notenbanksitzung im September und rechnen frühestens Ende dieses Jahres mit dem Beginn der Reduktion der Anleihenkäufe."

Obwohl eine Reihe von Fed-Vertretern darauf hinweisen, dass die Zeit für die Rückführung des QE-Programms näher rückt, hielt sich Powell in seiner Rede weiterhin Optionen für den genauen Zeitpunkt offen. Jeremy Lawson, Chefökonom von Aberdeen Standard Investments, bemerkt, zwar habe Powell eingeräumt, dass nach seiner Meinung "der Test auf substanzielle Fortschritte bei der Inflation" erfüllt sei. Doch in Bezug auf den Beschäftigungstest blieb er mehrdeutig.

Unsicherheit von Vorteil

"Das Ergebnis ist, dass wir immer noch nicht mit Sicherheit wissen, ob das Tapering dieses Jahr beginnen wird", folgert Lawson, wobei er die Notenbank in Schutz nimmt. Es gäbe gute Gründe, warum das Fed eine gewisse Unklarheit wünsche, meint er.

Wenn es sich so klar ausdrückte, dass alle Anleger die gleichen Schlussfolgerungen ziehen, werde der Handel übervölkert und die Märkte würden unbeständiger. Investoren würden noch mehr auf jedes Wort hören. Das tun sie auch jetzt, aber im Wissen, dass die Notenbanker ihre Statements in Watte hüllen, halten sich die Erwartungen im Rahmen.

"Ausserdem hängen die Entscheidungen des Fed von einer Zukunft ab, über die es sich selbst nicht sicher sein kann", fügt der Aberdeen-Volkswirt an. Ein gewisses Mass an Unsicherheit sei deshalb verständlich, ja unerlässlich, betont er.

Powell bleibt

Eine andere Unsicherheit ist für die Experten der Axa Investment Managers dafür vom Tisch. Spätestens jetzt, nachdem die Administration Biden mit dem als ungeordnet angesehenen Truppenrückzug aus Afghanistan die erste Niederlage erlitten hat, sei das Restrisiko, Präsident Biden könne sich für eine Nominierung eines neuen Chairmans der Zentralbank aus Reihen der Demokraten entscheiden, "nahe Null gesunken." Eine weitere Amtszeit von Jerome Powell erscheine als sicher.

Das Fed sei mit der wirtschaftlichen Entwicklung zufrieden, konstatiert Axa IM. Es betrachte den Erholungsprozess am Arbeitsmarkt aber noch nicht als abgeschlossen. Dem Ziel der Fast-Vollbeschäftigung fühle sich die Notenbank nach wie vor verpflichtet. Ihr zweites Ziel, die Geldwertstabilität, sehe sie als noch nicht strukturell gefährdet.

Axa erwartet das Tapering (noch) später als andere Beobachter. Mit einer Reduktion des Anleihenkaufprogramms sei im ersten Quartal 2022 zu rechnen, mit einer Leitzinserhöhung sogar erst im Jahr 2023.

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