22.11.2024, 09:55 Uhr
Papst Franziskus schickt einen ungewöhnlichen Brief an seine Kardinäle. Das Rentensystem werde mittelfristig nicht mehr funktionieren. Auch sonst zeigen sich die Geldsorgen im Vatikan.
Minus 8,8 Prozent Performance, durchschnittlich rund 10 Prozentpunkte tiefere Deckungsgrade und erstmals seit Jahrzehnten eine reale Negativverzinsung der Vorsorgevermögen. Das sind die wichtigsten Fakten der neusten Pensionskassenstudie von Swisscanto.
Anfang 2022 war die finanzielle Situation der Pensionskassen nach einem starken Anlagejahr so komfortabel wie lange nicht mehr. Doch bereits im ersten Quartal 2022 führten die geopolitischen Spannungen, die hohe Inflation und die steigenden Zinsen zu heftigen Korrekturen an den Finanzmärkten. In der Folge schwanden die hohen Reserven der Pensionskassen rasch: Der durchschnittliche Deckungsgrad privatrechtlicher Kassen sank laut Swisscanto von 122,1 Prozent auf 110,1 Prozent per Ende 2022.
Die Altersguthaben der Versicherten wurden dennoch mit durchschnittlich 1,9 Prozent (2021: 4,3 Prozent) deutlich über dem BVG-Mindestzins von 1 Prozent verzinst. Erstmals seit Erscheinen der ersten Pensionskassenstudie im Jahr 2000 resultierte aufgrund der hohen Teuerung eine negative Realverzinsung von 0,9 Prozent auf den Alterssparkapitalien der aktiv Versicherten.
Die sich abzeichnende Trendwende beim technischen Zinssatz und die Stabilisierung bei den Umwandlungssätzen macht laut Swisscanto «Hoffnung». Die 2022 unerwartet stark gestiegenen Zinsen belasteten zwar die Märkte, versprechen aber langfristig eine stabilere Ertragsbasis. «Dies ist eine wesentliche Grundlage, damit auf lange Sicht wieder Leistungsverbesserungen für aktive Versicherte möglich werden», sagt Heini Dändliker, Leiter Key Account Management und Leiter Firmenkunden Markt Schweiz der Zürcher Kantonalbank.
Der Stresstest an den Finanzmärkten offenbarte enorme Unterschiede bei der erzielten Anlagerendite. Die beste und die schlechteste Performance klaffen hier mit –1,0 Prozent bis –16,2 Prozent weit auseinander. Dies ist die breiteste Streuung der Renditen seit der Finanzkrise von 2008. Vergleicht man jeweils das Zehntel der Kassen miteinander, die in den letzten fünf Jahren die höchsten beziehungsweise tiefsten Renditen erzielt haben, zeigt sich ein ähnliches Bild: Top-Performer verloren 2022 –3,8 Prozent; Low-Performer hingegen –12,7 Prozent.
Die Hauptursache für die grossen Unterschiede findet sich in der Asset Allocation. Die Analyse zeigt, dass die defensiv aufgestellten Kassen mit hohen Obligationenquoten von durchschnittlich 38,7 Prozent zu den grössten Verlierern gehörten. Die vermeintlich sichere Anlageklasse konnte ihre defensiven Qualitäten nicht ausspielen – im Gegenteil. Das erfolgreichste Zehntel der Kassen war knapp zur Hälfte in illiquide und alternative Anlagen inklusive Immobilien investiert – auch im internationalen Vergleich ein gewichtiger Anteil. Illiquide Anlagen stützten die Performance, als die zentralen Anlageklassen Aktien und Obligationen zweistellige Verluste erlitten.
Die grosse Diskrepanz zwischen den Renditen allein dem schwierigen 2022 zuzuschreiben, greife zu kurz. Denn auch über fünf Jahre betrachtet sind die Renditeunterschiede signifikant: Während das beste Zehntel der Kassen über fünf Jahre jährlich 3,9 Prozent erwirtschaftete, erzielte das schlechteste Zehntel der Kassen 0,2 Prozent pro Jahr. Die Top-Performer weisen mit 116,5 Prozent im Schnitt deutlich höhere Deckungsgrade auf als die Low-Performer mit 102,9 Prozent.
Zudem belegt die aktuelle Pensionskassenstudie, dass sich aktiv gemanagte Anlagen in herausfordernden Börsenjahren bewähren: Vorsorgeeinrichtungen, die mehr als 30 Prozent des Vermögens aktiv verwalteten, erzielten eine höhere Rendite als jene mit einem geringeren Anteil. Über zehn Jahre gesehen haben erstere durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr erwirtschaftet, letztere mit mehrheitlich passiven Anlagen 3,5 Prozent. «Die richtige Anlagestrategie ist und bleibt elementar, nicht nur für die finanzielle Fitness der Kassen, auch für die Leistungen der Versicherten», resümiert Iwan Deplazes, Leiter Asset Management der Zürcher Kantonalbank. «Versicherte werden stark benachteiligt, wenn Pensionskassen während mehreren Jahren eine tiefe Performance erwirtschaften. Die enormen Renditeunterschiede zeigen, dass einige Kassen Handlungsbedarf bei der Asset Allocation haben.»
Die aktuelle Studie zeigt, dass es Unterschiede gibt zwischen den Marktverwerfungen von 2022 und der Finanzkrise von 2008: Damals waren die Anlageverluste mit –12,6 Prozent deutlich grösser als die –8,8 Prozent im Jahr 2022. Zudem waren die Pensionskassen 2022 finanziell besser aufgestellt: «Die Vorsorgeeinrichtungen haben bis Ende 2021 aufgrund der guten Börsenjahre ihre Wertschwankungsreserven äufnen können und sind deshalb aus einer Position der Stärke in die Turbulenzen geraten», sagt Deplazes.
Laut der Schweizer Pensionskassenstudie messen die Pensionskassen dem Nachhaltigkeitsthema zunehmend Relevanz bei. Über ein Drittel der Pensionskassen haben mittlerweile Kriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in ihren Anlage Reglementen verankert. In den vergangenen drei Jahren ist dieser Wert von 25 Prozent auf 37 Prozent gestiegen, wobei öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen bereits bei über 71 Prozent liegen, deutlich vor den privatrechtlichen Kassen mit 32 Prozent. Bei der Messung der CO2-Intensität der Portfolios oder bei der Festlegung tatsächlicher Reduktionsziele sind grössere Kassen mit einem Vermögen über 500 Millionen Franken weiter fortgeschritten. Wie die Studie zeigt, wird sich dies in der näheren Zukunft auch nicht gross ändern. Lediglich 5 Prozent der kleineren und 8 Prozent der grösseren Kassen stellen dazu aktuell Überlegungen an.