23.12.2024, 14:23 Uhr
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Wie erwartet hat der EZB-Rat unter der neuen Chefin Christine Lagarde die geldpolitischen Rahmenparameter unverändert gelassen: Der Einlagenzins bleibt bei minus 50 Basispunkten, auch der zentrale Leitzins bleibt bei 0,0% auf seinem Rekordtief und das Anleihekaufprogramm bleibt in aktueller Grösse bestehen.
Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine neue Ära begonnen. Die neue Chefin Christine Lagarde setzt zwar den ultraexpansiven Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi vorerst unverändert fort: "Die Zinsen bleiben so lange auf ihrem momentanen oder einem niedrigeren Niveau, bis sich die Inflationsaussichten deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2% liegt", hielt Lagarde bei ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt vor Journalisten in Frankfurt fest.
Sie will aber die Strategie rasch überprüfen und zu einem eigenen Stil finden. Gleich zu Beginn der Pressekonferenz sei der eigene Stil der neuen EZB-Präsidentin deutlich geworden, kommentiert Martin Moryson, DWS Chefvolkswirt Europa, die EZB Eröffnungs-Pressekonferenz von Christine Lagarde: "Auf der einen Seite erklärte sie, dass die bereits mehrfach angekündigte Überprüfung der Strategie und des EZB-Instrumentariums (Review) umfassend und ergebnisoffen mit Beteiligung von weiten Teilen der Gesellschaft geführt werden soll – mit einem grosszügigen Zeitrahmen (bis Ende 2020). Gleichzeitig betonte sie aber bereits, dass drei Themenbereiche für sie Priorität haben: Welche Herausforderungen halten Digitalisierung (Digitalwährungen), der Klimawandel und die zunehmende Ungleichheit für die Geldpolitik bereit? Gerade der letzte Punkt ist für eine Geldpolitikerin unkonventionell." Die Aufnahme klimapolitischer Ziele dürfte gerade in Deutschland – trotz der grossen Beliebtheit des Themas – für einigen Sprengstoff sorgen, meint Moryson. Die Bundesbank sei immer eine Anhängerin einer (sehr) engen Auslegung des geldpolitischen Mandats gewesen.
Lagarde bestätigte also auch frühere Aussagen, wonach die Strategie der EZB genau unter die Lupe genommen werden muss. Diese Überprüfung der Strategie werde im kommenden Januar begonnen und werde einige Monate dauern. Dabei werde sie im Team des EZB-Rats entscheiden. "Wir werden aber jeden Stein umdrehen", sagte sie. Vor allem das Inflationsziel dürfte im Blickpunkt stehen. Letztmals hatte die Notenbank ihre geldpolitische Strategie im Jahr 2003 überarbeitet. Seitdem strebt sie ein Inflationsziel von nahe, aber unter 2% an. Dieses verfehlt sie aber seit Frühjahr 2013. Im November lag die Teuerungsrate im Euro-Raum bei 1,0%.
Bei der neuen Strategie will Lagarde offenbar einen mittleren Kurs verfolgen. "Ich bin weder eine Taube noch ein Falke; ich möchte eher eine Eule sein, die auch ein bisschen mit Weisheit verbunden wird", erklärte sie. Sie sei wohl eher eine Eule – wie sie selbst in aller Bescheidenheit sage –, die den Konsens ihres Kollegiums suche, sagt Martin Moryson. Schliesslich habe sie von Mario Draghi ein etwas zerstrittenes Haus geerbt. Daher fielen ihre erwarteten Rufe nach einem stärkeren Engagement der Fiskalpolitik und der stärkeren Berücksichtigung klimapolitischer Ziele auch sehr verhalten aus. "Offensichtlich hat es hier schon grössere Diskussionen gegeben. Gleichwohl: Das Amt hat sie ein Stück weit schon geformt", so Moryson.
Der wirtschaftliche Ausblick für den Euro-Raum hat sich kaum geändert: Das Wachstum bleibt schwach, die Risiken eher nach unten gerichtet, aber weniger ausgeprägt als in der jüngeren Vergangenheit, die Aussichten jedoch etwas positiver. Die Ökonomen der EZB erwarten für 2020 ein Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts von 1,1% und für 2021 und 2022 jeweils 1,4% sowie eine Inflationsrate von 1,1%, 1,4% und 1,6%. Für das vierte Quartal rechnen die Experten der Notenbank mit einem Wert von 1,7%.
"Vor dem Hintergrund, dass der strategische Review erst Ende 2020 abgeschlossen sein wird und dass auch die EZB selbst für 2022 keine Erreichung des Inflationsziels erwartet, dürfte sich auf mittlere Sicht erst einmal nichts an der geldpolitischen Ausrichtung der EZB ändern", sagt DWS-Chefvolkswirt Martin Moryson.